Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, in wieweit ehrenamtliche Flüchtlingshelfer/-innen einen Beitrag zur Unterstützung der Arbeitssuche für Flüchtlinge leisten und inwieweit dies einen Einfluss darauf hat, ob sich Flüchtlinge Sorgen machen über die Schwierigkeit einen Arbeitsplatz zu finden. (Beitrag zum download: Hammer_Ehrenamtliche Fluechtlingshelfer und Unterstuetzung der Arbeitssuche)
Basis ist die Studie „Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Deutschland“ (2016), die für diese Fragestellung ausgewertet wurde.
Die Grundgesamtheit sind 760 Interviews mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/innen in Deutschland, durchgeführt mittels einer computergestützten persönlichen Befragung vom 14. Juni bis 12. Juli 2016 als Quotenstichprobe (quotiert nach Alter, Geschlecht, Bildung und Region).
Von den Antworten der Grundgesamtheit wurden hier jene ausgeschlossen, die „weiß nicht“ angegeben haben oder bei denen keine Angabe vorlag. Die Antworten (jeweils vierstufige Skalen) wurden anschließend dichotomisiert.
Unterstützung bei der Arbeitssuche
Von 760 befragten ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen gaben 31,5% an Flüchtlinge dabei zu unterstützen eine Arbeit zu finden. Diese Art von Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe wird weniger häufig ausgeübt als andere (zum Vergleich: Hilfe bei der Versorgung von Flüchtlingen mit Lebensmitteln, Kleidung, Spielzeug etc. leisteten 69%). Dies mag daran liegen, dass eine solche Unterstützung einen höheren Aufwand und höhere Bildung bzw. spezielles Wissen erfordert. Den Anteil mit Hochschulabschluss unter den Flüchtlingshelfer/innen ist höher bei jenen, die Flüchtlinge unterstützen (33,9%), als bei jenen, die das nicht tun (29,4%). Allerdings meinen rund 75% der Interviewten, dass keine spezielle Qualifikation für ihre Flüchtlingshilfe erforderlich ist.
Unterstützer/-innen bei der Arbeitssuche sind häufiger männlich (rd. 47% ggü. 32%, die nicht bei der Arbeitssuche unterstützen), weniger häufig Angestellte und häufiger Selbständige oder Freiberufliche.
Merkmal |
Keine Unterstützung Arbeitssuche |
Unterstützung Arbeitssuche |
Alter Jahre, Mittelwert |
52,3 |
55,05 |
männlich |
32,05% |
46,86% |
weiblich |
67,95% |
53,14% |
Hochschulabschluss |
29,37% |
33,89% |
Angestellte |
74,20% |
70,5% |
Selbstständige |
10,10% |
15,5% |
Migrationshintergrund |
11,90% |
11,7% |
Personen im Haushalt, Mittelwert |
2,82 |
2,97 |
Vollzeit-erwerbstätig |
32,82% |
33,47% |
Teilzeit-erwerbstätig |
15,74% |
16,74% |
Rentner / Pensionär |
34,63% |
35,98% |
Tabelle 1: Soziodemographische Merkmale von Flüchtlingshelfer/-innen
Bei der Frage „Wer ist hauptsächlich für die Organisation und Koordination Ihrer ehrenamtlichen Aktivitäten verantwortlich?“ gibt es die größten Unterschiede bei der Antwortmöglichkeit „selbst für sich alleine“: Bei denjenigen, die Flüchtlinge bei der Arbeitssuche unterstützen liegt der Anteil, wo dies zutrifft bei und bei denen, die dies 40,59% nicht tun, sind es 27,26%.
Als zweites Merkmal mit deutlicher Abweichung ist die Antwortmöglichkeit eine von „Ihnen selbst organisierte Gruppe bzw. Initiative“ zu nennen. Hier betragen die Anteile 19,67% (mit Unterstützung der Arbeitssuche) und 11,32% (ohne Unterstützung).
Dazu passen die Antworten zur Initiative für das Engagement. Die eigene Initiative ist bei denen, die Flüchtlinge unterstützten höher (71,6%) als bei den anderen (64,9%).
Merkmal |
Keine Unterstützung Arbeitssuche |
Unterstützung Arbeitssuche |
Eigene Initiative als Anlass für Engagement |
64,88% |
71,55% |
Tabelle 2: Eigene Initiative von Flüchtlingshelfer/-innen
Die Anlässe sich ehrenamtlich für Flüchtlinge zu engagieren unterscheiden sich bei den Gruppen von Flüchtlingshelfer/-innen mit und ohne Unterstützung bei der Arbeitssuche besonders beim persönlichen Kontakt: dieser spielte bei jenen mit Unterstützung bei der Arbeitssuche bei 70,3% eine Rolle gegenüber 62,4% bei jenen ohne Unterstützung. Entsprechend niedriger liegen dafür die Anteile bei den Anlaßarten „Medienberichte“ und Gespräche im privaten Umfeld“.
Anlass |
Keine Unterstützung Arbeitssuche |
Unterstützung Arbeitssuche |
Ankunft Flüchtlinge im Wohnort/Region |
79,46% |
82,01% |
Ankunft Flüchtlinge in der Nachbarschaft |
48,37% |
48,12% |
Persönliche Kontakt mit Flüchtlingen |
62,38% |
70,29% |
Gespräche im privaten Umfeld |
61,80% |
54,81% |
Diskussionen in der Schule, der Hochschule oder am Arbeitsplatz |
25,53% |
23,01% |
Medienberichte zur Situation der Flüchtlinge |
69,48% |
64,85% |
Anteil in %:(sehr) große Rolle |
Tabelle 3: Anlässe von Flüchtlingshelfer/-innen
Bei den Motiven sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren, unterscheiden sich die beiden Gruppen mit/ohne Unterstützung bei der Arbeitssuche auffällig bei dem Motiv „Weil es mir Spaß macht“. Die Zustimmung zu diesem Motiv ist bei denen, die die Arbeitssuche unterstützen mehr als doppelt so hoch als bei jenen, ohne diese Hilfe (94,1% ggü. 45,9%).
Motiv |
Keine Unterstützung Arbeitssuche |
Unterstützung Arbeitssuche |
weil es mir Spaß macht |
45,87% |
94,14% |
weil diese Menschen dringend Hilfe brauchen |
98,46% |
98,33% |
weil ich gerne Menschen aus anderen Kulturen kennenlerne |
83,11% |
84,52% |
weil ich diese Tätigkeit als sinnvoll empfinde |
98,08% |
99,16% |
weil ich dafür Anerkennung bekomme |
22,26% |
23,43% |
weil ich glaube, dass das für meine weitere berufliche Entwicklung nützlich ist |
13,24% |
9,21% |
weil ich einen Beitrag zur Integration der Flüchtlinge leisten möchte. |
97,70% |
98,33% |
weil es in meiner Familie selbst Erfahrungen mit Flucht und/oder Vertreibung gibt. |
21,11% |
26,78% |
aus religiösen Motiven |
31,86% |
32,64% |
aus humanitären Gründen |
97,70% |
96,23% |
Anteil in %: trifft voll und ganz, trifft eher zu |
Tabelle 4: Motive von Flüchtlingshelfer/-innen
Sorgen eine Arbeit zu finden
Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen wurden nach ihrer Einschätzung gefragt, inwieweit ihrer Meinung nach sich Flüchtlinge Sorgen machen, dass es schwierig ist eine Arbeit zu finden (Wortlaut der Frage: „Sie haben ja bei Ihrer Arbeit Flüchtlinge kennengelernt. Ich nenne Ihnen jetzt einige Dinge, die Flüchtlingen in Deutschland Sorgen machen können. Bitte sagen Sie mir jeweils, wie Sie die Sorgen der Flüchtlinge einschätzen. Machen sich die Flüchtlinge Ihrer Meinung nach über die folgenden Aspekte sehr große Sorgen, große Sorgen, wenig Sorgen oder keine Sorgen. … Dass es schwierig ist, eine Arbeit zu finden.“). Die Auswertung zeigt, dass rund 90% der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen meinen, dass die Flüchtlinge sehr große oder große Sorgen damit haben. Die Betroffenheit wird nicht dadurch gemindert oder erhöht, indem ehrenamtliche Flüchtlingshelfer/-innen sie bei der Arbeitssuche unterstützen. Die Unterschiede der Gruppen sind minimal und statistisch nicht signifikant.
Eine vergleichbare Frage an Migrantinnen und Migranten (also nicht nur Flüchtlinge) im Rahmen einer anderen Studie 2014 gestellt, hat ergeben, dass rund 55,4% sehr viel Sorgen oder eher Sorgen haben (Hammer 2017a).
Mangel an sinnvoller Beschäftigung
In der Erhebung wurden die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen zudem gefragt, ob sie bei den Flüchtlingen einen Mangel an sinnvoller Beschäftigung wahrnehmen (Wortlaut der Frage: „ Wenn Sie jetzt einmal an die Lebensumstände der Flüchtlinge denken. Woran mangelt es Ihrer Einschätzung nach? Wie ist das mit… sinnvoller Beschäftigung“). Rund 93% der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen nehmen einen sehr großen oder großen Mangel an sinnvoller Beschäftigung wahr. Das Ausmaß der Wahrnehmung unterscheidet sich nicht wesentlich (und nicht statistisch signifikant) zwischen jenen Ehrenamtlichen, die bei der Arbeitsuche unterstützen und anderen, die das nicht tun.
Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob zwischen der Wahrnehmung eines Mangels an Beschäftigung und der Wahrnehmung von Sorgen zu Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche ein Zusammenhang besteht. Die Kreuztabelle zeigt, dass 91% der Helfer/innen, die (sehr) große Sorgen bei der Arbeitssuche wahrnehmen zugleich auch einen (sehr) großen Mangel an sinnvoller Beschäftigung sehen. Der Zusammenhang ist statistisch signifikant, wenn auch gering (Phi = .15).
Fazit
Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Unterstützung der Arbeitsuche durch ehrenamtliche Flüchtlingshelfer/-innen und dem Mangel an sinnvoller Beschäftigung von Flüchtlingen oder von Sorgen, eine Arbeit zu finden, festgestellt werden. Ein geringer positiver Zusammenhang besteht nach Einschätzung der Flüchtlingshelfer/-innen zwischen dem Mangel an sinnvoller Beschäftigung und den Sorgen eine Arbeit zu finden. Um Sorgen der Arbeitssuche zu minimieren, wären Angebote sinnvoller Beschäftigung denkbar. Diese bestehen während eines Asylbewerberverfahrens in Form der Arbeitsgelegenheiten gem. §5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) oder §5a AsylbLG (Hammer 2017a, Hammer 2017b). Sind Flüchtlinge im Rechtskreis SGB II leistungsberechtigt (Asylberechtigte, bestimmte Gruppen von Geduldeten), stehen ihnen die dort vorhandenen Förderinstrumente zur Verfügung.
Die Unterstützung bei der Arbeitssuche selbst ist keine Tätigkeit der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen, die besonders häufig ausgeübt wird. Dies scheint an den damit verbundenen höheren Anforderungen (z. B. Komplexität des Ausländer- und Arbeitsrechts) verbunden zu sein. Die Arbeitsverwaltung kann zumindest bei diesem Thema nicht mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer/-innen als Unterstützung rechnen. Sie wären auch schwieriger zu erreichen, da sie in der Regel häufiger alleine arbeiten und schlechter über Organisationen zugänglich sind.
Literatur
Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Deutschland – August 2016. Eine Studie von TNS Infratest Politikforschung im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA). Berlin
Hammer 2017a: Sorgen und Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt von Flüchtlingen. http://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=317
Hammer 2017b: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen. http://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=339
Hammer 2017c: Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz. http://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=388
Nachtrag
Von der Fachstelle Einwanderung (Autoren: Miguel Montero Lange, Janine Ziegler) im Netzwerk IQ wurde ein Working Paper zum gleichen Thema veröffentlicht:
Ehrenamtliche Arbeit im Bereich der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten
Working Paper 10/2017: FE_WP_EHRENAMT_17-10-04