Eine häufig wiederholte, und gerade im ersten Regierungsjahr der Union-SPD-Koalition intensiv verbreitete Behauptung ist, dass die Gesellschaft in Deutschland überaltert sei. Dies führe zu steigenden Staatsausgaben, weshalb der Sozialstaat (siehe hier ) nicht mehr finanzierbar und Kürzungen unausweichlich wären.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Gesellschaft nicht überaltert ist. Es fehlt an Nachwuchs, weshalb sie unterjüngt ist.
Die Entwicklung seit 1970 weist einen steigenden Anteil von Personen im Alter von 65 Jahren und mehr an der Gesamtbevölkerung in Deutschland auf (Seniorenquote). Dabei gibt es keine Sprünge, sondern eine kontinuierliche Zunahme (blaue Linie). Im Jahr 1970 betrug die Seniorenquote 12,2 %, im Jahr 2023 geschätzt 21,1 % (alle Zahlen: Statistisches Bundesamt).
Die Staatsquote (einschließlich Sozialleistungen und Sozialversicherung) zeigt seit 1995 (55,2 %; 2023: 48,4 %) einen sinkenden Trend, bei dem lediglich Krisen (z. B. Eurokrise, Corona-Pandemie) eine Ausnahme darstellen.
Betrachtet man die Differenzen der Seniorenquoten (aktuelles Jahr minus Vorjahr bzw. Vor-5-Jahreszeitraum), so war ihr Mittelwert 0,24 Prozentpunkte im gesamten Zeitraum. Die Zunahmen zwischen 2000 und 2010 lagen deutlich höher als in der Zeit danach.
Im Jahr 2006 lag die Änderungsdifferenz der Seniorenquote vier mal so hoch wie in Jahr 2023 (0,63 Prozentpunkte zu 0,15 Prozentpunkte). Die höheren Seniorenquoten sind vor allem auf die gesunkenen Geburtsraten zurückzuführen. Diese stiegen danach wieder an.
Die steigende Seniorenquote hat vermutlich nicht zu einer steigenden Staatsquote beigetragen. Es scheint (Korrelation, keine Kausalität) eher so zu sein, dass unter Berücksichtigung der Autokorrelation der Zeitreihen, die Entwicklung der Staatsquote der Entwicklung der Seniorenquote vorausgeht (und nicht umgekehrt).
Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit 1960 stellt eine kontinuierliche und steile Aufwärtsbewegung dar (Ausnahmen: Eurokrise, Corona-Pandemie). Die gestiegene Seniorenquote scheint hier ohne negativen Einfluss. Seniorinnen und Senioren könnten im Gegenteil als Konsumierende möglicherweise mehr zum BIP-Wachstum beigetragen haben als junge Menschen, die noch in schulischer oder beruflicher Ausbildung sind oder am Anfang ihres beruflichen Lebenswegs stehen.
Der zunehmende Seniorenanteil im Besonderen und der (Sozial-) Staatsausgaben im Allgemeinen scheint angesichts der sehr positiven BIP-Entwicklung leistbar zu sein. Der Staat könnte künftig über Steuern mehr als in den letzten Jahren vom Zuwachs des BIP verteilen.
Das „Leistungsanpassungsgesetz“ soll den Rechtskreiswechsel für ukrainische Geflüchtete einleiten. Künftig zuwandernde Flüchtlinge sollen keine Leistungen der Jobcenter (Bürgergeld) erhalten, sondern werden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) versorgt. Das Ziel besteht darin, die Regelsätze für diese Flüchtlinge zu senken.
Wichtig am Referentenentwurf vom 8. August 2025 ist, was nicht darin steht: Das AsylbLG enthält auch weiterhin keine Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung. Die Folge der Neuregelung ist, dass ukrainische Flüchtlinge weder nach dem AsylbLG (in der Regel Sozialamt) noch nach der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Jobcenter) bei der Integration in Arbeit gefördert werden.
Zuständigkeit dafür ist dann allein die Bundesagentur für Arbeit, die Leistungen wie Berufsberatung für alle Arbeitssuchenden bereithält. Inwieweit ukrainische Flüchtlinge im Leistungsbezug des AsylbLG aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung gefördert werden, ist der Bundesagentur für Arbeit mehr oder weniger selbst überlassen.
Bei der neuen Regelung handelt es sich um eine Sparmaßnahme, die nicht einmal der Verwaltungsvereinfachung dient. Sie steht im Widerspruch zu den Aussagen des Koalitionsvertrags der Union-SPD-Regierung, Flüchtlinge schneller einzugliedern. Für die Leistungsberechtigten entsteht eine neue Schnittstelle zur BA, die weniger Erfahrung mit Flüchtlingen hat als die Jobcenter. Und die BA finanziert versicherungsfremde Leistungen aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung. Wenn sie das nicht vorsieht, würden die urkrainischen Flüchtligne künftig keine Unterstzüung bei der Eingliederung bekommen wie z. B. Fortbildung, Lohnkostenzuschüsse.
Die Forderung der Parteivorsitzenden der CSU Söder, alle ukrainischen Flüchtlinge in den Leistungsbezug des AsylbLG zu bringen, ist noch nicht im Referentenentwurf enthalten. Würde diese Forderung umgesetzt, hätte das umfangreiche und weitreichende Folgen für Jobcenter. Unter anderem würde die Mittelausstattung um einen erheblichen Anteil sinken.
Im September 2025 soll über den Gesetzesentwurf entschieden werden.
Spätestens im Kontext von „Haushalts-Sparvorschlägen“ und dem Bundestagswahlkampf 2025 wurde von verschiedenen Akteuren Kritik an der Effizienz der deutschen Jobcenter publiziert. Steigende Verwaltungskosten, insbesondere durch Umschichtungen aus dem Eingliederungstitel, gingen mit sinkenden Vermittlungsquoten einher. Dies scheint nicht zuzutreffen – im Gegenteil gibt es datenbasierte Hinweise, dass steigende Verwaltungskosten mit steigenden Vermittlungsquoten einhergehen können. Die Ergebnisse der Auswertung des Zusammenhangs werden hier (Link für zum download des Working Papers) präsentiert.
Für die Jobcenter und Träger spielt der Eingliederungstitel eine wichtige Rolle, da hieraus Maßnahmen für Arbeitslose und Arbeitsuchende finanziert werden. Es ist eine Summe von 4,7 Mrd. Euro geplant. Gegenüber dem Vorjahr ist hier eine Erhöhung von 600 Millionen Euro vorgesehen, zumindest wenn man die Soll-Ansätze im Haushalt zugrunde legt.
Angekündigt war mit dem Haushaltsentwurf 2025 1 Mrd. Euro zusätzlich. Der Bund geht aber von einer geringeren Zahl von Arbeitslosen aufgrund einer konjunkturellen Verbesserung aus. Ob das Wirtschaftswachstum wie prognostiziert kommt, ist offen. Die jüngste Zoll-Vereinbarung zwischen USA und EU sind in der Kalkulation sicher noch nicht berücksichtigt.
Zu beachten ist außerdem, dass die Kosten für die Fort- und Weiterbildung sowie die berufliche Reha im Jahr 2025 anders als im Jahr 2024 von der Bundesagentur für Arbeit getragen werden (Wechsel der Zuständigkeit zum 1. Januar 2025). Bei der Bewertung dieser Kürzung sollte außerdem berücksichtigt werden, dass die Jobcenter im Jahr 2025 geringere Ausgaben haben werden (im Vergleich zum Vorjahr), da ein Großteil des Haushaltsjahres unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltsführung umgesetzt wird.
Oft schichten Jobcenter Mittel aus dem Eingliederungstitel zu den Verwaltungskosten um, um die Personal- und Sachkosten decken zu können. Dadurch sinkt das verfügbare Budget der Leistungen in Arbeit zusätzlich (s. u.). Diese Umschichtung kann regional unterschiedlich ausfallen.
Die Eingliederungsmittel können – wie in den Vorjahren – durch Übertragung von Ausgabenresten (bis zu 350 Millionen Euro) ins aktuelle Jahr erhöht werden.
Der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) kommt im bisherigen Umfang dazu (bis zu 700 Millionen Euro). Allerdings wurde dies bisher nicht ausgeschöpft. Erwähnenswert ist außerdem, dass der PAT für 2026 weiterhin auf § 16i SGB II (Teilhabe am Arbeitsmarkt) beschränkt bleibt.
Verwaltungskosten
Die Verwaltungskosten werden 2026 auf 5,25 Mrd. Euro angesetzt, der gleiche Betrag wie für 2025. Betrachtet man die Ist-Kosten für 2023 in Höhe von 6,3 Mrd. Euro, so wird auch in den Jahren 2025 und 2026 die Mittelzuweisung für die Verwaltungskosten zu gering sein. Eine Umschichtung zulasten des Eingliederungstitels scheint für das Jahr 2026 wahrscheinlich.
Noch ein Hinweis am Rande: Verwaltungskosten im SGB II beinhalten die Kosten für die Beratung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden und die Personalkosten für ihre Vermittlung in Arbeit und Ausbildung. Der Anteil der Verwaltungskosten im herkömmlichen Sinn ist deutlich kleiner als die Kosten für Beratung.
Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF
Der Planungsansatz für Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF ist mit 450 Mio. Euro für die Jahre 2025 und 2026 gleich.
Mögliche Änderungen
Die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien angekündigten Änderungen im SGB II sind fiskalisch noch nicht abgebildet,
Bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens können sich die Haushaltsansätze noch ändern.
USA: SNAP unter Trump – Zugang blockiert, Forschung und Evaluation erschwert
Bereits zu früheren Anlässen habe ich über Änderungen des Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP, früher „Lebensmittelmarken“) berichtet (s. Einigung über die Schuldenobergrenze in den USA beinhaltet neue Arbeitsanforderungen). Seit Januar 2025, zum Start der zweiten Präsidentschaft Trumps, wollte ich die aktuelle Datenlage sichten. Wiederholte Prüfungen, zuletzt am 13.07.2025, zeigen jedoch: Es gibt weiterhin keinen Zugang zur offiziellen Internetseite (Hinweis: access denied) mit den amtlichen Statistiken. Selbst die Adressen der örtlichen Behörden, bei denen man Leistungen beantragen kann, sind nicht mehr abrufbar.
Der im Juli 2025 beschlossene „One Big Beautiful Bill Act“ – US-Bundesgesetz, der wesentliche steuer- und ausgabenpolitische Maßnahmen von Präsident Trump enthält – verschärft die Arbeitsanforderungen für SNAP-Empfänger*innen weiter. So wurde die Altersgrenze für die Arbeitspflicht von 54 auf 62 Jahre angehoben. Dies ist jedoch keine Besonderheit Trumps, denn Workfare gab es früher auch schon (2014 lag die Altersgrenze noch bei 50 Jahren). Auch die Überprüfung (im Original: „evaluation“) der sogenannten „Warenkörbe für sparsame Lebensmittel“ darf nicht häufiger als in Fünfjahresabständen stattfinden.
Die Konsequenz: Es ist in 2025 nicht mehr möglich gewesen, Veränderungen in der SNAP-Nutzung oder die Auswirkungen der Gesetzesänderungen zu analysieren. Die Forschung zu Armut und Arbeitslosigkeit in den USA wird eingeschränkt.
Deutschland: Weniger Transparenz auch bei uns
Auch in Deutschland gibt es Anzeichen für eine schwindende Transparenz. Daten werden nicht mehr veröffentlicht oder gar nicht erst erhoben – mit Folgen für Forschung und Evaluation. Ein aktuelles Beispiel: Die Statistik zur Einkommensverteilung wurde zum 1. Januar 2024 durch den damaligen FDP-Finanzminister Lindner geändert. Die Größenklasse „Steuerpflichtige mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 500.000 Euro“ wurde abgeschafft. Damit fehlen wichtige Informationen über die Zahl der Wohlhabenden und die Ergebnisse von Steuerprüfungen.
(Bundestags-Drucksache 21/469 vom 13.06.2025)
Selbst wenn eine Rückkehr zur alten Praxis beschlossen würde, wären die Datenlücken kaum rückwirkend zu schließen.
Fazit: Ohne Daten keine Kontrolle
Ob in den USA oder in Deutschland: Fehlende Transparenz behindert nicht nur Forschung und Evaluation, sondern auch die öffentliche Kontrolle politischer Entscheidungen. Datenlücken entstehen oft unbemerkt – ihre Folgen sind jedoch gravierend.
Nachtrag 15.8.2025 Änderung der deutschen Armutsstatistik
Bisher hat das Statistische Bundesamt Armut nach zwei Methoden (MZ-Kern und EU-SILC/MZ-SILC) ermittelt und die Ergebnisse für beide veröffentlicht. Nun wurde eine der beiden Methoden (MZ-Kern) bei der Datenermittlung ausgeschlossen. Die entsprechenden Ergebnisse sollen gelöscht und nicht mehr veröffentlicht werden (https://www.epd.de/regional/west/schwerpunkt/soziales/forscher-statistisches-bundesamt-will-armutszahlen-klein-rechnen). Der Unterschied zwischen beiden Methoden beträgt für Deutschland rund eine Million Personen, die als armutsgefährdet gelten. Nun werden nur noch die Ergebnisse der Methode mit den niedrigeren Zahlen veröffentlicht. Gegen diese Änderung und die rückwirkende Löschung der Daten haben Forscher*innen protestiert. Zwar ist bei der Methode EU-SILC/MZ-SILC die europäische Datenvergleichbarkeit besser, für innerdeutsche Vergleiche scheint jedoch die Methode MZ-Kern besser geeignet zu sein.
Nachtrag 15.8.2025 zu BMFTR-Berichten
Mit ihrer Regierungsmehrheit hat die Union-SPD-Regierung acht von zehn Berichten im Einzelplan 30 – Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt – gestrichen. Der Bundesrechnungshof kritisiert dies (https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung-und-ki/briefing/bundesrechnungshof-zu-bmftr-mehr-transparenz-weniger-tricks) und hat bereits früher die Intransparenz beim Einzelplan 30 moniert. Bürokratieabbau ist das eine, fehlende Daten für Forschung und Evaluation das andere.
Der Mindestlohn wird oft an seiner absoluten Höhe gemessen. Doch entscheidend ist, wie er sich im Vergleich zu den Löhnen insgesamt entwickelt – sein relativer Wert. Dieser zeigt, welchen Anteil der Mindestlohn am nationalen Durchschnitts- oder Medianlohn von Vollbeschäftigten hat (Kaitz-Index) und damit, wie er im Lohngefüge positioniert ist.
Entwicklung des relativen Mindestlohns in Deutschland
Seit der Einführung 2015 ist der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz in Deutschland mehrfach angehoben worden – zuletzt auf 12,82 Euro pro Stunde ab Januar 2025, mit weiteren Steigerungen auf 13,90 Euro (2026) und 14,60 Euro (2027) in Aussicht. Doch wie steht Deutschland im europäischen Vergleich da?
Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung des Anteils am Median- und Durchschnittslohn (Kaitz-Index) sowie die EU-Referenzwerte (60 % des Medianlohns, 50 % des Durchschnittslohns). Abgebildet ist außerdem die Differenz von Median- und Durchschnittslohn, die als Ungleichheitsmaß interpretiert wird.
Nach der Richtlinie der EU über angemessene Mindestlöhne (siehe EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne korrekt umsetzen) sollen Referenzwerte wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns verwendet werden (Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022, Art. 5). Dabei sollten beide Werte als Referenzwerte herangezogen werden.
Hinweis: Die Angaben zu Median- und Durchschnittslohn stammen aus den jeweils aktuellsten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamtes und der OECD. Die Angabe für den Durchschnittslohn 2024 ist noch nicht veröffentlicht.
Einordnung: Deutschland bleibt hinter EU-Standards zurück
Der relative Wert des durchschnittlichen Mindestlohns ist zwischen 2015 und 2021 im Trend gefallen, von 42,55 Prozent auf 39,49 Prozent. Danach ist der Wert zwei mal in Folge gestiegen und lag im Jahr 2023 bei 45,27 Prozent.
Ähnlich war die Entwicklung für den relativen Wert gemessen am Medianlohn. Für den Medianlohn lag der Wert bei 2015 bei 48,17 Prozent und 2021 bei 44,75 Prozent. Der Wert ist danach angestiegen und lag 2024 bei 52,83 Prozent.
Der jeweilige Anstieg kann mit mit der Erhöhung des Mindestlohnes zunächst auf 12 Euro pro Stunde, und danach auf 12,41 Euro zu erklären.
Trotz der deutlichen Anhebung auf 12 Euro 2022 und weiterer Steigerungen liegt der Mindestlohn in Deutschland weiter unter den EU-Referenzwerten (Gestrichelte Linien).
Selbst mit der geplanten Erhöhung auf 13,90 Euro im Jahr 2026 wird Deutschland diese Schwellen voraussichtlich nicht erreichen, sofern sich die Lohnstruktur nicht grundlegend ändert. Bereits 2024 hätte der Mindestlohn bei 14,10 Euro liegen müssen, um die 60 %-Marke des Medianlohns zu überschreiten.
Auswirkungen auf Niedriglohnschwelle und Einkommensungleichheit
Der deutsche Mindestlohn bleibt in der Analyse des Kaitz-Index unter der Niedriglohnschwelle, die international bei zwei Dritteln des Medianlohns liegt. Bis 2019 lag der Anteil am Medianlohn sogar unter 50 % – ein Wert, der als Armutslohn gilt.
Die Differenz zwischen Median- und Durchschnittslohn ist ein Indikator für die Einkommensungleichheit. Je größer die Differenz, um so ungleicher die Einkommensverteilung (Hier die Differenz der Anteile des Mindestlohns). Zwischen 2015 und 2019 sank die Differenz von 5,62 auf 4,94 . Dies entspricht einer Phase, in der die Einkommensungleichheit zurückgegangen ist. Seitdem steigt die Einkommensungleichheit kontinuierlich und deutlich an auf 6,43 in 2023. Das ist der höchste Wert in neun Jahren – ein Zeichen, dass die Erhöhungen beim Mindestlohn den Trend wachsender Ungleichheit nicht aufhalten konnten.
Fazit: Handlungsbedarf bleibt
Die Mindestlohnerhöhungen in Deutschland reichen nicht aus, um die von der EU gesetzten Referenzwerte zu erreichen. Die geplanten Steigerungen für 2026 und 2027 werden daran voraussichtlich wenig ändern. Es braucht ein neues Verfahren zur Festlegung des Mindestlohns (Hinweise hier), das sich stärker an den EU-Standards orientiert und die Lebensrealität der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt.
So kann Armut trotz Arbeit wirksam bekämpft, sozialer Zusammenhalt gefördert und das Lohngefälle – insbesondere zwischen den Geschlechtern – verringert werden.
Für die Träger spielt der Eingliederungstitel eine wichtige Rolle. Es ist eine Summe von 4,1 Mrd. Euro geplant. Gegenüber dem Vorjahr ist hier eine Kürzung von 50 Millionen Euro vorgesehen, zumindest wenn man die Soll-Ansätze im Haushalt zugrunde legt. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Kosten für die Fort- und Weiterbildung sowie die berufliche Reha im Jahr 2025 anders als im Jahr 2024 von der Bundesagentur für Arbeit getragen werden (Wechsel der Zuständigkeit zum 1. Januar 2025). Bei der Bewertung dieser Kürzung sollte außerdem berücksichtigt werden, dass die Jobcenter im Jahr 2025 geringere Ausgaben haben werden (im Vergleich zum Vorjahr), da ein Großteil des Haushaltsjahres unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltsführung umgesetzt wird.
Oft schichten Jobcenter Mittel aus dem Eingliederungstitel zu den Verwaltungskosten um, um die Personal- und Sachkosten decken zu können. Dadurch sinkt das verfügbare Budget der Leistungen in Arbeit zusätzlich (s. u.). Diese Umschichtung kann regional unterschiedlich ausfallen.
Die Eingliederungsmittel können – wie in den Vorjahren – durch Übertragung von Ausgabenresten (bis zu 350 Millionen Euro) ins aktuelle Jahr erhöht werden.
Der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) kommt im bisherigen Umfang dazu (bis zu 700 Millionen Euro). Allerdings wurde dies bisher nicht ausgeschöpft. Erwähnenswert ist außerdem, dass der PAT für 2025 weiterhin auf § 16i SGB II (Teilhabe am Arbeitsmarkt) beschränkt bleibt.
Verwaltungskosten
Die Verwaltungskosten werden 2025 um 200 Mio. Euro gegenüber 2024 (Soll) auf 5,25 Mrd. Euro erhöht. Betrachtet man die Ist-Kosten für 2023 in Höhe von 6,3 Mrd. Euro, so wird auch im Jahr 2025 die Mittelzuweisung für die Verwaltungskosten zu gering sein. Eine Umschichtung von rund 1 Mrd. Euro zulasten des Eingliederungstitels scheint für das Jahr 2025 wahrscheinlich.
Noch ein Hinweis am Rande: Verwaltungskosten im SGB II beinhalten die Kosten für die Beratung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden und die Personalkosten für ihre Vermittlung in Arbeit und Ausbdilung. Der Anteil der Verwaltungskosten im herkömmlichen Sinn ist deutlich kleiner als die Kosten für Beratung.
Annahmen
In dieser Planung wird außer dem Hinweis, dass mit einer Zunahme der Zahl der Personen im Bürgergeld-Leistungsbezug gerechnet wird, keine weitere Annahme ausgewiesen.
Da die Regelsätze im SGB II (Bürgergeld, Passivleistungen) in den Jahren 2024 und 2025 die gleiche Höhe haben, lässt sich die Zunahme der Leistungsberechtigten aus der Steigerung des Bürgergeld-Planungsansatzes abschätzen. Diese Steigerung beträgt nach dieser Rechnung rund 11,7 Prozent.
Die Konsequenz ist, dass bei fast gleichbleibenden Verwaltungskosten die Leistungen des SGB II (Unterkunft, Lebensunterhalt, Eingliederung) vermutlich für mehr als zehn Prozent zusätzliche Leistungsberechtigte erbracht werden müssen. Das hat zur Folge, dass der Umschichtungsbetrag noch höher ausfallen muss oder die Eingliederungsleistungen pro Leistungsberechtigtem sinken müssen.
Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF
Der Planungsansatz für Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF ist deutlich angehoben auf nun 450 Mio. Euro. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Summe nach den bisherigen Kürzungen und dem Wegfall von Angeboten in diesem Haushaltsjahr noch ausgeschöpft werden kann.
Mögliche Änderungen
Der Gesetzesentwurf zum Bundeshaushalt 2025 wurde dem Bundestag am 24.6.2025 vorgestellt. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis zum September 2025 abgeschlossen sein. Bis dahin können sich die Ansätze noch ändern.
Im Mai 2025 kündigte der Software-Konzern SAP an, seine Programme für Geschlechtervielfalt und eine Frauenquote (40 % Frauenanteil in der Belegschaft) zu streichen. Der Bereich „Diversity & Inclusion” wurde aufgelöst.
Eine solche Vorgehensweise des nach Börsenwert größten europäischen Unternehmens könnte politische Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung und Diversität zunichte machen.
Welchen Nutzen sollen Mädchen und Frauen in einem Girls’ Day oder anderen Initiativen zur Erhöhung des Anteils weiblicher Beschäftigter in sogenannten „Männerberufen“ und MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) noch erkennen, wenn Unternehmen wie SAP der Gleichberechtigung keine Priorität mehr einräumen?