Die Bundesregierung hat im Oktober 2023 den „Job-Turbo“ zur beschleunigten Arbeitsmarktintegration geflüchteter Leistungsbeziehender nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestartet, insbesondere für Personen aus der Ukraine und aus zentralen Asylherkunftsländern. Ziel der Maßnahme ist eine schnellere Arbeitsaufnahme dieser Gruppen sowie die Senkung der Ausgaben der Jobcenter um 500 Mio. Euro im Jahr 2024.
Die vorliegende Untersuchung* analysiert, ob der Job-Turbo die Übergänge in Beschäftigung für geflüchtete Leistungsbeziehende im SGB II tatsächlich beschleunigt hat. Die Auswertung differenziert nach Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, Geflüchteten aus den relevanten Asylherkunftsländern sowie der Gesamtheit der Arbeitslosen im SGB II.
Die Ergebnisse einer Strukturbruchanalyse zeigen, dass zum aktuellen Zeitpunkt neun ;onate nach Start des Jurbo-Turbo keine signifikante Beschleunigung der Arbeitsaufnahme durch den Job-Turbo nachgewiesen werden kann – weder für Ukraine-Flüchtlinge noch für jene aus den TOP 8-Asylherkunftsstaaten.
Der Vermittlungsvorrang fordert von den Jobcentern die Vermittlung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Arbeit vor der Leistungsgewährung oder der Förderung durch Maßnahmen (§ 3 SGB II). Dies setzt offene Stellen in einem Umfang voraus, der gleich oder größer ist als die Zahl der Arbeitslosen.
Wie sieht der Arbeitsmarkt in Deutschland das Verhältnis offener Stellen und der Zahl der Arbeitslosen aus?
Eine Antwort liefert die Beveridge-Kurve. Sie unterstellt einen negativen Zusammenhang von Stellenangeboten und Arbeitslosigkeit (rote Linie im Diagramm). Bei einer hohen Zahl von Stellenangeboten ist die Arbeitslosigkeit gering und umgekehrt.
Strukturelle Arbeitslosigkeit
Wenn es für jeden Arbeitslosen eine offene Stelle gibt, dann ist das Verhältnis ausgeglichen (45-Grad-Linie). Arbeitslosigkeit besteht dann in einem Vermittlungsproblem und stellt sich als strukturelle Arbeitslosigkeit dar. Die Arbeitsverwaltung versucht dann jeden Arbeitslosen auf offene Stellen zu vermitteln. Diese Situation zeigt sich in Deutschland* nur selten und zwar von 2014-Q4 bis 2015-Q3. Strukturelle Arbeitslosigkeit enthält vor allem Mismatch-Arbeitslosigkeit (offene Stellen passen nicht zu der Qualifikation oder Region der Arbeitslosen). Ein größeres Qualifikationsungleichgewicht erhöht die Ineffizienz auf dem Arbeitsmarkt und verschiebt somit die Beveridge-Kurve nach außen. Eine typische Strategie gegen strukturelle Arbeitslosigkeit ist die Verbesserung der Suchprozesse und des Matchings. Verbesserungen im Matching-System würden die Kurve in Richtung Ursprung verschieben, da ein effizienter Matching-Prozess es Arbeitnehmern ermöglicht, schneller eine Stelle zu finden, und Arbeitgebern schneller offene Stellen zu besetzen und Arbeitslose zu beschäftigen.
Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
Bei der konjunkturellen Arbeitslosigkeit in einer Rezession (rechts unter der Winkelhalbierenden) gibt es weniger offene Stellen als Arbeitslose. Seit 2010-Q4 hat die konjunkturelle Arbeitslosigkeit abgenommen und die Beveridge-Kurve bewegt sich nach innen. Das bedeutet eine steigende Effizienz des Arbeitsmarktes.
Danach steigt die Zahl der offenen Stellen weiter an und übersteigt die der Arbeitslosen (links oberhalb der Winkelhalbierenden). Dies ist die Boom-Phase in einem Konjunkturzyklus. In Deutschland steigt die Stellenangebotsquote nach oben an und die Arbeitslosenquote sinkt. Auch diese Arbeitslosigkeit ist konjunktureller Art. Seit 2023-Q1 geht die Kurve wieder nach rechts unten, vor allem geht die Stellenangebotsquote zurück. Hier zeigt sich am Arbeitsmarkt das niedrigere Wirtschaftswachstum.
Staat ist verantwortlich
In Deutschland dominiert seit 2010 die konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Sie lässt sich kaum durch die Verbesserung des Matching-Prozesses verringern. Zu ihrer Reduzierung müssen konjunkturelle Schwankungen gedämpft werden. Dies ist durch die Arbeitsverwaltung kaum gelungen und keine Aufgabe der Jobcenter.
Die Verantwortung für die Reduzierung konjunktureller Schwankungen liegt bei der Bundesregierung. Strategien sind unter anderem Haushaltspolitik (z.B. Steueranpassungen) oder Industriepolitik (z. B. Unterstützung bestimmter Industrien oder Sektoren, um Wachstum zu fördern oder Abhängigkeiten abzubauen).
Fazit
Eine Stärkung des Vermittlungsvorrangs wird dabei kaum eine Wirkung entfalten oder konjunkturelle Arbeitslosigkeit wesentlich reduzieren. Darauf sollte verzichtet werden. Stattdessen sollte Mismatch-Arbeitslosigkeit durch Qualifizierung begegnet werden.
*Daten: Eurostat; ohne erstes Corona-Jahr 2020, Quartale, Arbeitslosenquote, Stellenangebotsquote (Anzahl der offenen Stellen an allen Stellen).
Der folgende Beitrag zeichnet die Entwicklung des § 16e SGB II nach, um die politische Zielrichtung und praktische Tragweite der geplanten Neuregelung im 13. Änderungsgesetz zum SGB II einordnen zu können.
§ 16e SGB II wurde am 1. Januar 2009 als „Leistungen zur Beschäftigungsförderung“ eingeführt. Die Vorgängerregelung gleicher Bezeichnung befand sich zuvor in § 16a SGB II. Arbeitgeber konnten damals zusätzlich zum Lohnkostenzuschuss eine Förderung erhalten
für Kosten einer begleitenden Qualifizierung bis zu 200 Euro monatlich (pauschaliert) sowie
in begründeten Einzelfällen für weiteren Aufwand beim Aufbau von Beschäftigungsmöglichkeiten.
Seitdem wurde das Instrument wiederholt überarbeitet – sowohl in seinen Fördervoraussetzungen als auch in seiner Bezeichnung:
Zeitraum
Bezeichnung
Bemerkung
bis 2008
§ 16a Leistungen zur Beschäftigungsförderung
Ursprungsregelung
ab 2009
§ 16e Leistungen zur Beschäftigungsförderung
aus § 16a überführt, geändert 2011
ab 2012
Förderung von Arbeitsverhältnissen
geändert 2016
ab 2019
Eingliederung von Langzeitarbeitslosen
Bürgergeldgesetz
ab 2025 (geplant)
Eingliederung von Langzeitleistungsbeziehenden
Änderung von Langzeitarbeitslosigkeit zum Langleistungsbezug als Förderkriterium
Über die Jahre wurde die Förderung für Arbeitgeber wie auch für erwerbsfähige Leistungsberechtigte restriktiver ausgestaltet. Das Potenzial der Förderfähigen wurde so verkleinert. Bislang ist es dem Gesetzgeber nicht gelungen, ein Instrument zu etablieren, das spürbar zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit oder langfristigem Leistungsbezug beiträgt.
Gesetzgeberische Zielrichtung
Mit der geplanten Neuregelung als „§ 16e Eingliederung von Langzeitleistungsbeziehenden“ soll der Kreis der förderfähigen Personen bei gleichbleibenden Bedingungen wieder erweitert werden. Im Referentenentwurf heißt es:
„Derzeit gibt es etwa doppelt so viele arbeitslose Langzeitleistungsbeziehende im SGB II wie Langzeitarbeitslose (552 Tsd.), die zwei Jahre und länger arbeitslos sind. Insbesondere Frauen und geflüchtete Menschen werden profitieren, da sie bisher aufgrund von Kinderbetreuungszeiten oder der Teilnahme an Integrationskursen die Voraussetzungen der Langzeitarbeitslosigkeit nicht immer erfüllen konnten. Zum Beispiel würde die Fördervoraussetzung basierend auf dem Langzeitleistungsbezug die Zielgruppe der zugangsberechtigten Frauen um über 360 Tsd. Personen erhöhen – eine Steigerung um 149 Prozent. Frauen mit Fluchthintergrund profitieren besonders stark.“
Praktische Herausforderungen
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Langzeitleistungsbeziehenden zuletzt insbesondere durch ukrainische Geflüchtete gestiegen ist, die mittlerweile lange genug im Leistungsbezug stehen. Viele von ihnen verfügen jedoch nur über geringe Sprachkenntnisse, unzureichende Berufsanerkennung oder keine gesicherte Kinderbetreuung – Voraussetzungen, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung erschweren.
Auch die finanzielle Lage der Jobcenter wirkt als Begrenzungsfaktor (vgl. „Eingliederung von Arbeitslosen im SGB II – reale Mittelplanung 2024 so niedrig wie nie“ ). Solange keine Budgetklarheit für die Jahre ab 2027 besteht, greifen viele Jobcenter vermutlich lieber auf den einjährigen Eingliederungszuschuss (EGZ) zurück, der finanziell günstiger und wirksamer erscheint: Die durchschnittliche Eingliederungsquote liegt laut Statistik bei 76,6 Prozent für den EGZ, aber nur bei 6,2 Prozent für § 16e SGB II (Austritte 2023/24; Verbleib nach 6 Monaten). Auch Arbeitgeber nutzen den EGZ häufiger, vermutlich wegen der kürzeren Vertragsdauer. Mit der Neuregelung sollen künftig zwei Rechtsgrundlagen parallel bestehen:
§ 16e SGB II: Leistungsbezug mindestens 21 Monate in 24
§ 16i SGB II: ab 25 Jahren, mindestens 6 Jahre innerhalb der letzten 7 im Leistungsbezug, für Erziehende oder Personen mit Schwerbehinderung durchgehender Leistungsbezug in den letzten 5 Jahren
Ein Übergang von § 16e zu § 16i ist nicht vorgesehen.
Bedeutung für die Praxis
Die Zahl der § 16e‑Förderungen ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken (vgl. „5 Jahre Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“). Inzwischen spielt das Instrument selbst bei Beschäftigungsträgern eine untergeordnete Rolle. Ein nachhaltiger Aufbau von Arbeitsplätzen ist nur dann realistisch, wenn Förderbedingungen und Finanzierung langfristig gesichert und planbar sind.
Für eine praktikablere Ausgestaltung wäre zu überlegen, den § 16e SGB II sowohl auf Langzeitarbeitslose als auch auf Langzeitleistungsbeziehende anzuwenden. Ebenso sollte die Förderung sonstiger Kosten (Sprachförderung, Qualifizierung, sozialpädagogische Begleitung oder Aufwendungen für den Aufbau von Beschäftigungsmöglichkeiten) wieder möglich sein.
Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, könnten diese Zusatzförderungen auf gemeinnützige Träger beschränkt werden.
Der Erfolg des Instruments hängt langfristig davon ab, ob es gelingt, die Förderlogik stärker auf individuelle Integrationschancen und die Realität heterogener Zielgruppen auszurichten.
Der Referentenentwurf zur Änderung des SGB II und SGB III (Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze) vom 16. Oktober 2025 ist inzwischen zugänglich. Interessant ist dabei nicht nur der Inhalt, sondern auch der Weg an die Öffentlichkeit: Betroffene erhielten den Entwurf nicht direkt, während einige wenige, ausgewählte Medien frühzeitig Einblick bekamen.
Unabhängig von einer inhaltlichen Bewertung lassen sich einige zentrale Punkte hervorheben. Der Entwurf wird sich voraussichtlich noch ändern. Der derzeit bekannte Teil umfasst ausschließlich Regelungen, die keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Ein weiteres Gesetzgebungsverfahren mit den zustimmungspflichtigen Änderungen wird also folgen.
Zudem enthält der aktuelle Entwurf nicht alle Punkte, auf die sich der Koalitionsausschuss am 9. Oktober 2025 geeinigt hat – offenbar war die Zeit dafür zu knapp. Diese Bestandteile sollen im weiteren Verlauf des Verfahrens ergänzt werden. Ebenso könnten Vorschläge der Sozialstaatskommission aufgenommen werden, deren Bericht für Januar 2026 angekündigt ist.
Eine fundierte Bewertung der geplanten Änderungen ist daher erst möglich, wenn alle Teile des Gesetzgebungspakets vorliegen. Schon jetzt zeigt sich jedoch, dass der Entwurf sowohl die Regelungen zu Sanktionen im SGB II als auch das SGB III betrifft. Letzteres deutet darauf hin, dass die Zuständigkeit für unter 25-Jährige von den Jobcentern auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen könnte – ein Vorhaben, das in der Vergangenheit bereits diskutiert wurde. Diese mögliche Zuständigkeitsverschiebung wäre, ähnlich wie der frühere Wechsel bei der Weiterbildung, eine richtungsweisende Entscheidung mit langfristigen Folgen.
Darüber hinaus finden sich im Entwurf auch technische Neuerungen, etwa eine Experimentierklausel für die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit zur Weiterentwicklung der IT im Bereich des SGB II. Den rund 100 zugelassenen kommunalen Trägern wird eine solche Möglichkeit hingegen nicht eingeräumt. Da IT-Strukturen maßgeblich Arbeitsprozesse und Organisationsformen prägen, besitzt diese Regelung erhebliche praktische Tragweite.
Deutlich wird auch, dass der Vermittlungsvorrang nicht in seine alte Form vor Inkrafttreten des Bürgergeldgesetzes zurückgeführt wird. Früher galt: Vermittlung in Arbeit hatte Vorrang vor Qualifizierung oder Maßnahmenteilnahme. Nun lautet die Formel: Vermittlung in Arbeit vor Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – ein Unterschied, der weit über reine Wortwahl hinausgeht.
In den kommenden Monaten gilt es, die weiteren internen und veröffentlichten Unterlagen zu den geplanten Änderungen kritisch zu prüfen, fachlich zu hinterfragen und konstruktiv mit Verbesserungsvorschlägen zu begleiten.
Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) gilt als zentrales Instrument zur Förderung der beruflichen Eingliederung. Doch aktuelle Daten zeigen einen deutlichen Wandel: weniger Maßnahmevielfalt, sinkende Ausgabezahlen und niedrige Einlösequoten. Der Beitrag analysiert, welche strukturellen Ursachen dahinterstehen – und wo Reformbedarf besteht.
Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose können gemäß § 45 SGB III durch Maßnahmen gefördert werden, die ihre berufliche Eingliederung unterstützen. Ziel ist die Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, die Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen, die Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung, die Heranführung an eine selbständige Tätigkeit sowie die Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme.
Im sogenannten Gutscheinverfahren (AVGS) erfolgt die Teilnahmezuweisung über einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, der individuell ausgegeben wird. Leistungsberechtigte können mit dem AVGS eine zugelassene Maßnahme und den Träger selbst auswählen.
Entwicklung der Maßnahmearten
Eine Analyse der AVGS nach SGB III und SGB II (ohne zugelassene kommunale Träger) zeigt deutliche Strukturveränderungen (Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit). Während in den Jahren 2019 und 2020 noch eine breite Vielfalt von Maßnahmen umgesetzt wurde – darunter Maßnahmen zur Feststellung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen, Maßnahmen bei Arbeitgebern (sogenannte „Praktika“) sowie zur Stabilisierung von Beschäftigungsaufnahmen –, konzentriert sich das Angebot seit 2022 zunehmend auf wenige Maßnahmearten (siehe auch Träger der privaten Arbeitsvermittlung). Besonders dominierend ist die Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Rückgang der Gutscheinausgabe
Parallel zum thematischen Wandel zeigt sich ein deutlicher Rückgang in der Zahl der ausgegebenen Gutscheine: von über 450.000 im Jahr 2019 auf weniger als 300.000 im Jahr 2024. Für 2025 ist aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung der Jobcenter mit einem weiteren Rückgang zu rechnen. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob finanzielle Restriktionen zu einer Einschränkung der Förderpraxis geführt haben.
Einlösequoten und strukturelle Hürden
Auffällig bleibt zudem die Diskrepanz zwischen ausgegebenen und eingelösten Gutscheinen. 2024 wurden etwa 300.000 Gutscheine ausgegeben, aber nur rund 200.000 tatsächlich eingelöst. Niedrige Einlösequoten sind kein neues Phänomen, deuten aber auf fortbestehende strukturelle Probleme hin. Mögliche Ursachen reichen von geringen Informations- und Unterstützungsangeboten bis zu mangelnder Passung zwischen Gutscheinen und regional verfügbaren Maßnahmen.
Handlungsbedarf
Die Trends lassen offenen Handlungsbedarf erkennen. Es ist zu prüfen, ob selten genutzte Maßnahmearten – etwa die direkte Vermittlung in Arbeit – noch bedarfsgerecht sind oder ob strukturelle und administrative Hürden ihre Umsetzung erschweren. Ebenso sollte der Rückgang der Gutscheinausgabe im Kontext fiskalischer Sparmaßnahmen analysiert werden.
Eine Reform könnte darauf abzielen, die Einlösung zu erleichtern, Transparenz zu erhöhen und individuelle Unterstützung beim Auswahlprozess zu stärken. Nur so kann der AVGS seine intendierte Rolle als flexibles Instrument der Aktivierung und Vermittlung erfüllen.
Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) gilt als zentrales Instrument zur Förderung der beruflichen Eingliederung. Doch aktuelle Daten zeigen einen deutlichen Wandel: weniger Maßnahmevielfalt, sinkende Ausgabezahlen und niedrige Einlösequoten. Der Beitrag analysiert, welche strukturellen Ursachen dahinterstehen – und wo Reformbedarf besteht.
Der Gesetzgeber hat den Zuständigkeitswechsel für die Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) für Leistungsberechtigte im Bürgergeld-Bezug verfügt. Seit dem 1.1.2025 ist die Bundesagentur für Arbeit mit dem Rechtskreis SGB III statt der Jobcenter (SGB II) verantwortlich.
Ein Vorher-Nachher-Vergleich zeigt einen deutlichen Rückgang der Zahl der Einritte in FbW (ohne Beschäftigtenqualifizierung).
Vom Januar bis Mai 2024 beträgt der Mittelwert der Einritte rund 7.500 Fälle. Im gleichen Zeitraum für das Jahr 2025 liegt er bei nur noch bei rund 5.600 (Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit). Das ist ein Rückgang um 34,1 Prozent.
Die Frage ist, ob die Förderung in 2025 auf das bisherige Niveau angehoben werden wird.
Spätestens im Kontext von „Haushalts-Sparvorschlägen“ und dem Bundestagswahlkampf 2025 wurde von verschiedenen Akteuren Kritik an der Effizienz der deutschen Jobcenter publiziert. Steigende Verwaltungskosten, insbesondere durch Umschichtungen aus dem Eingliederungstitel, gingen mit sinkenden Vermittlungsquoten einher. Die Behauptung, dass Umschichtungen den Arbeitslosen Eingliederungsleistungen entziehen und so Integrationen verhindern, bedarf einer Überprüfung.
In einer Untersuchung wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Höhe der Ausgaben für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einen Einfluss auf die Integrationsquote der Jobcenter hat.
Sie gelangt für die Jobcenter mit den Daten für das Jahr 2022 zu dem Schluss, dass die Auswirkungen der Eingliederungskosten je ELB (Kosten) auf die Integrationsquoten (Nutzen) maßgeblich von der Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (ELB) abhängt. Die vorliegende Untersuchung zeigt einen negativen Zusammenhang zwischen den Eingliederungskosten je erwerbsfähigem Leistungsberechtigten (ELB) und der Zahl der ELB auf der einen Seite sowie der Integrationsquote eines Jobcenters im Jahr 2022 auf der anderen Seite.
Hammer, A. (2025). Eingliederungsleistungen und Effizienz der Jobcenter und Träger. Einfluss der Ausgaben für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf die Integrationsquote (Working Paper 4/2025). https://doi.org/10.5281/zenodo.17228490
Eine häufig wiederholte, und gerade im ersten Regierungsjahr der Union-SPD-Koalition intensiv verbreitete Behauptung ist, dass die Gesellschaft in Deutschland überaltert sei. Dies führe zu steigenden Staatsausgaben, weshalb der Sozialstaat (siehe hier ) nicht mehr finanzierbar und Kürzungen unausweichlich wären.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Gesellschaft nicht überaltert ist. Es fehlt an Nachwuchs, weshalb sie unterjüngt ist.
Die Entwicklung seit 1970 weist einen steigenden Anteil von Personen im Alter von 65 Jahren und mehr an der Gesamtbevölkerung in Deutschland auf (Seniorenquote). Dabei gibt es keine Sprünge, sondern eine kontinuierliche Zunahme (blaue Linie). Im Jahr 1970 betrug die Seniorenquote 12,2 %, im Jahr 2023 geschätzt 21,1 % (alle Zahlen: Statistisches Bundesamt).
Die Staatsquote (einschließlich Sozialleistungen und Sozialversicherung) zeigt seit 1995 (55,2 %; 2023: 48,4 %) einen sinkenden Trend, bei dem lediglich Krisen (z. B. Eurokrise, Corona-Pandemie) eine Ausnahme darstellen.
Betrachtet man die Differenzen der Seniorenquoten (aktuelles Jahr minus Vorjahr bzw. Vor-5-Jahreszeitraum), so war ihr Mittelwert 0,24 Prozentpunkte im gesamten Zeitraum. Die Zunahmen zwischen 2000 und 2010 lagen deutlich höher als in der Zeit danach.
Im Jahr 2006 lag die Änderungsdifferenz der Seniorenquote vier mal so hoch wie in Jahr 2023 (0,63 Prozentpunkte zu 0,15 Prozentpunkte). Die höheren Seniorenquoten sind vor allem auf die gesunkenen Geburtsraten zurückzuführen. Diese stiegen danach wieder an.
Die steigende Seniorenquote hat vermutlich nicht zu einer steigenden Staatsquote beigetragen. Es scheint (Korrelation, keine Kausalität) eher so zu sein, dass unter Berücksichtigung der Autokorrelation der Zeitreihen, die Entwicklung der Staatsquote der Entwicklung der Seniorenquote vorausgeht (und nicht umgekehrt).
Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit 1960 stellt eine kontinuierliche und steile Aufwärtsbewegung dar (Ausnahmen: Eurokrise, Corona-Pandemie). Die gestiegene Seniorenquote scheint hier ohne negativen Einfluss. Seniorinnen und Senioren könnten im Gegenteil als Konsumierende möglicherweise mehr zum BIP-Wachstum beigetragen haben als junge Menschen, die noch in schulischer oder beruflicher Ausbildung sind oder am Anfang ihres beruflichen Lebenswegs stehen.
Der zunehmende Seniorenanteil im Besonderen und der (Sozial-) Staatsausgaben im Allgemeinen scheint angesichts der sehr positiven BIP-Entwicklung leistbar zu sein. Der Staat könnte künftig über Steuern mehr als in den letzten Jahren vom Zuwachs des BIP verteilen.