Mindestlohn: Entscheidend ist der relative Wert des Mindestlohns

Der Mindestlohn wird oft an seiner absoluten Höhe gemessen. Doch entscheidend ist, wie er sich im Vergleich zu den Löhnen insgesamt entwickelt – sein relativer Wert. Dieser zeigt, welchen Anteil der Mindestlohn am nationalen Durchschnitts- oder Medianlohn von Vollbeschäftigten hat (Kaitz-Index) und damit, wie er im Lohngefüge positioniert ist.

Entwicklung des relativen Mindestlohns in Deutschland

Seit der Einführung 2015 ist der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz in Deutschland mehrfach angehoben worden – zuletzt auf 12,82 Euro pro Stunde ab Januar 2025, mit weiteren Steigerungen auf 13,90 Euro (2026) und 14,60 Euro (2027) in Aussicht. Doch wie steht Deutschland im europäischen Vergleich da?

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Zeitreihe: der relative Wert des Mindestlohns

Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung des Anteils am Median- und Durchschnittslohn (Kaitz-Index) sowie die EU-Referenzwerte (60 % des Medianlohns, 50 % des Durchschnittslohns). Abgebildet ist außerdem die Differenz von Median- und Durchschnittslohn, die als Ungleichheitsmaß interpretiert wird.

Nach der Richtlinie der EU über angemessene Mindestlöhne (siehe EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne korrekt umsetzen) sollen Referenzwerte wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns verwendet werden (Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022, Art. 5). Dabei sollten beide Werte als Referenzwerte herangezogen werden.

Hinweis: Die Angaben zu Median- und Durchschnittslohn stammen aus den jeweils aktuellsten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamtes und der OECD. Die Angabe für den Durchschnittslohn 2024 ist noch nicht veröffentlicht.

Einordnung: Deutschland bleibt hinter EU-Standards zurück

Der relative Wert des durchschnittlichen Mindestlohns ist zwischen 2015 und 2021 im Trend gefallen, von 42,55 Prozent auf 39,49 Prozent. Danach ist der Wert zwei mal in Folge gestiegen und lag im Jahr 2023 bei 45,27 Prozent.

Ähnlich war die Entwicklung für den relativen Wert gemessen am Medianlohn. Für den Medianlohn lag der Wert bei 2015 bei 48,17 Prozent und 2021 bei 44,75 Prozent. Der Wert ist danach angestiegen und lag 2024 bei 52,83 Prozent.

Der jeweilige Anstieg kann mit mit der Erhöhung des Mindestlohnes zunächst auf 12 Euro pro Stunde, und danach auf 12,41 Euro zu erklären.

Trotz der deutlichen Anhebung auf 12 Euro 2022 und weiterer Steigerungen liegt der Mindestlohn in Deutschland weiter unter den EU-Referenzwerten (Gestrichelte Linien).

Selbst mit der geplanten Erhöhung auf 13,90 Euro im Jahr 2026 wird Deutschland diese Schwellen voraussichtlich nicht erreichen, sofern sich die Lohnstruktur nicht grundlegend ändert. Bereits 2024 hätte der Mindestlohn bei 14,10 Euro liegen müssen, um die 60 %-Marke des Medianlohns zu überschreiten.

Auswirkungen auf Niedriglohnschwelle und Einkommensungleichheit

  • Der deutsche Mindestlohn bleibt in der Analyse des Kaitz-Index unter der Niedriglohnschwelle, die international bei zwei Dritteln des Medianlohns liegt. Bis 2019 lag der Anteil am Medianlohn sogar unter 50 % – ein Wert, der als Armutslohn gilt.
  • Die Differenz zwischen Median- und Durchschnittslohn ist ein Indikator für die Einkommensungleichheit. Je größer die Differenz, um so ungleicher die Einkommensverteilung (Hier die Differenz der Anteile des Mindestlohns). Zwischen 2015 und 2019 sank die Differenz von 5,62 auf 4,94 . Dies entspricht einer Phase, in der die Einkommensungleichheit zurückgegangen ist. Seitdem steigt die Einkommensungleichheit kontinuierlich und deutlich an auf 6,43 in 2023. Das ist der höchste Wert in neun Jahren – ein Zeichen, dass die Erhöhungen beim Mindestlohn den Trend wachsender Ungleichheit nicht aufhalten konnten.

Fazit: Handlungsbedarf bleibt

Die Mindestlohnerhöhungen in Deutschland reichen nicht aus, um die von der EU gesetzten Referenzwerte zu erreichen. Die geplanten Steigerungen für 2026 und 2027 werden daran voraussichtlich wenig ändern. Es braucht ein neues Verfahren zur Festlegung des Mindestlohns (Hinweise hier), das sich stärker an den EU-Standards orientiert und die Lebensrealität der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt.

So kann Armut trotz Arbeit wirksam bekämpft, sozialer Zusammenhalt gefördert und das Lohngefälle – insbesondere zwischen den Geschlechtern – verringert werden.

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Haushaltsentwurf 2025 für die Jobcenter

Der Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 2025 wurde am 24.6.2025 vom Bundeskabinett beschlossen.

Für das SGB II sind folgende Haushaltsansätze vorgesehen (Stand: 23.6.2025):

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Eingliederungstitel

Für die Träger spielt der Eingliederungstitel eine wichtige Rolle. Es ist eine Summe von 4,1 Mrd. Euro geplant. Gegenüber dem Vorjahr ist hier eine Kürzung von 50 Millionen Euro vorgesehen, zumindest wenn man die Soll-Ansätze im Haushalt zugrunde legt. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Kosten für die Fort- und Weiterbildung sowie die berufliche Reha im Jahr 2025 anders als im Jahr 2024 von der Bundesagentur für Arbeit getragen werden (Wechsel der Zuständigkeit zum 1. Januar 2025). Bei der Bewertung dieser Kürzung sollte außerdem berücksichtigt werden, dass die Jobcenter im Jahr 2025 geringere Ausgaben haben werden (im Vergleich zum Vorjahr), da ein Großteil des Haushaltsjahres unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltsführung umgesetzt wird.

Oft schichten Jobcenter Mittel aus dem Eingliederungstitel zu den Verwaltungskosten um, um die Personal- und Sachkosten decken zu können. Dadurch sinkt das verfügbare Budget der Leistungen in Arbeit zusätzlich (s. u.). Diese Umschichtung kann regional unterschiedlich ausfallen.

Die Eingliederungsmittel können – wie in den Vorjahren – durch Übertragung von Ausgabenresten (bis zu 350 Millionen Euro) ins aktuelle Jahr erhöht werden.

Der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) kommt im bisherigen Umfang dazu (bis zu 700 Millionen Euro). Allerdings wurde dies bisher nicht ausgeschöpft. Erwähnenswert ist außerdem, dass der PAT für 2025 weiterhin auf § 16i SGB II (Teilhabe am Arbeitsmarkt) beschränkt bleibt.

Verwaltungskosten

Die Verwaltungskosten werden 2025 um 200 Mio. Euro gegenüber 2024 (Soll) auf 5,25 Mrd. Euro erhöht. Betrachtet man die Ist-Kosten für 2023 in Höhe von 6,3 Mrd. Euro, so wird auch im Jahr 2025 die Mittelzuweisung für die Verwaltungskosten zu gering sein. Eine Umschichtung von rund 1 Mrd. Euro zulasten des Eingliederungstitels scheint für das Jahr 2025 wahrscheinlich.

Noch ein Hinweis am Rande: Verwaltungskosten im SGB II beinhalten die Kosten für die Beratung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden und die Personalkosten für ihre Vermittlung in Arbeit und Ausbdilung. Der Anteil der Verwaltungskosten im herkömmlichen Sinn ist deutlich kleiner als die Kosten für Beratung.

Annahmen

In dieser Planung wird außer dem Hinweis, dass mit einer Zunahme der Zahl der Personen im Bürgergeld-Leistungsbezug gerechnet wird, keine weitere Annahme ausgewiesen.

Da die Regelsätze im SGB II (Bürgergeld, Passivleistungen) in den Jahren 2024 und 2025 die gleiche Höhe haben, lässt sich die Zunahme der Leistungsberechtigten aus der Steigerung des Bürgergeld-Planungsansatzes abschätzen. Diese Steigerung beträgt nach dieser Rechnung rund 11,7 Prozent.

Die Konsequenz ist, dass bei fast gleichbleibenden Verwaltungskosten die Leistungen des SGB II (Unterkunft, Lebensunterhalt, Eingliederung) vermutlich für mehr als zehn Prozent zusätzliche Leistungsberechtigte erbracht werden müssen. Das hat zur Folge, dass der Umschichtungsbetrag noch höher ausfallen muss oder die Eingliederungsleistungen pro Leistungsberechtigtem sinken müssen.

Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF

Der Planungsansatz für Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF ist deutlich angehoben auf nun 450 Mio. Euro. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Summe nach den bisherigen Kürzungen und dem Wegfall von Angeboten in diesem Haushaltsjahr noch ausgeschöpft werden kann.

Mögliche Änderungen

Der Gesetzesentwurf zum Bundeshaushalt 2025 wurde dem Bundestag am 24.6.2025 vorgestellt. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis zum September 2025 abgeschlossen sein. Bis dahin können sich die Ansätze noch ändern.

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Girls’ Day, Frauenförderung in Mint-Berufe – macht das noch Sinn?

Im Mai 2025 kündigte der Software-Konzern SAP an, seine Programme für Geschlechtervielfalt und eine Frauenquote (40 % Frauenanteil in der Belegschaft) zu streichen. Der Bereich „Diversity & Inclusion” wurde aufgelöst.

Eine solche Vorgehensweise des nach Börsenwert größten europäischen Unternehmens könnte politische Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung und Diversität zunichte machen.

Welchen Nutzen sollen Mädchen und Frauen in einem Girls’ Day oder anderen Initiativen zur Erhöhung des Anteils weiblicher Beschäftigter in sogenannten „Männerberufen“ und MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) noch erkennen, wenn Unternehmen wie SAP der Gleichberechtigung keine Priorität mehr einräumen?

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Fachkräftebedarf und Ansehen von Engpassberufen

Seit Jahren geht es politisch und medial um Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung, die mit zahlreichen Initiativen verbunden sind.

Ein Faktor, der die Berufswahl zugunsten eines Engpass- oder Mangelberuf beeinflusst, ist das Ansehen von Berufen. Dieser Faktor wird in Lösungsvorschlägen nicht oder nur nachgeordnet beachtet.

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Studien zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Ansehen eines Berufs und der Berufswahlentscheidung von Jugendlichen:

  • Jugendliche berücksichtigen bei ihrer Entscheidung, wie ein Beruf in ihrem sozialen Umfeld wahrgenommen wird (Selbstdarstellungsfunktion; https://www.bibb.de/dienst/dapro/daprodocs/pdf/eb_23103.pdf).
  • Das Ansehen von Berufen bzw. Berufsinhabern kann sich sehr deutlich unterscheiden, was die Attraktivität bestimmter Berufe für Jugendliche beeinflusst (https://bibb-dspace.bibb.de/rest/bitstreams/73a1b9ca-84c6-442a-a940-6fe5a5a7de25/retrieve).

Das Ansehen eines Berufs bestimmt vermutlich auch darüber, welche Möglichkeiten und Chancen sich in ihrer Lebensführung bieten (z. B. Qualität sozialer Interaktionen, Freundschaften, Partnerschaft, Wohnungsmarkt, Arbeitsmarkt etc.). Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass angesehene Berufe für junge Menschen bei ihrer Berufswahl eher präferiert werden bzw. weniger angesehene Berufe möglicherweise gar nicht als Alternative in Frage kommen. Damit hat berufliches Prestige auch unmittelbare Auswirkungen auf Fragen der Fachkräfterekrutierung und mag für bestehende Fachkräfteengpässe mit verantwortlich zeichnen.

Auf Basis einer Studie (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin, 2024. Zukunft der Arbeit (Juni 2023). GESIS, Köln. ZA8718 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.14222) mit der im Juni 2023 rund 1.000 deutschsprachige Personen im Alter von 16 bis 67 Jahren ohne Rentner*innen und Pensionär*innen in Deutschland befragt wurden, habe ich das Ansehen von zehn Berufen mit Fachkräfteengpass bei Befragten im Alter von unter 25 Jahren (rund 130 Personen) untersucht. Jüngere Menschen unter 25 Jahren stehen häufiger vor einer Berufswahl als Ältere.

Unter den Berufen mit Fachkräftemangel genießen Informatiker*innen das höchste Ansehen, gefolgt von Physiotherapeut*innen und handwerklichen Berufen. Vergleichsweise schwach fällt dagegen die Bewertung für soziale Berufe sowie für Berufskraftfahrer*innen aus.

Von zehn Berufen werden nur drei als mit einem eher oder sehr hohen Ansehen wahrgenommen.

Aus den Daten lässt sich ableiten, dass das Ansehen der Berufe im sozialen Bereich sowie der Berufe von Berufskraftfahrer*innen und Mechatroniker*innen gestärkt werden müsste, um mehr junge Menschen für diese Ausbildungen zu gewinnen.

Weitere Beiträge zum Thema Fachkräfte: https://kurzlinks.de/cdsh

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Berufssprachkurse – mehr Schein als Sein?

Nach medialer Kritik an der niedrigen Beschäftigungsquote von aus der Ukraine geflüchteten Menschen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Jahr 2023 den „Job-Turbo zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ gestartet. Damit sollte eine schnelle Integration in Arbeit erreicht und die nötigen Sprachkenntnisse beschäftigungsbegleitend nachgeholt werden. In den Veröffentlichungen (Zugriff: 2.6.2025) heißt es beim BMAS beispielsweise dazu:

Unternehmen sollen ermutigt werden, Geflüchtete verstärkt bereits ohne gute Deutschkenntnisse zu beschäftigen und ihre Fähigkeiten im Betrieb weiterzuentwickeln.“

Und

Berufsbegleitende (Sprach-) Fördermöglichkeiten können einen wesentlichen Beitrag beim Ankommen im Betrieb und der Einarbeitung leisten.“

Die avisierte Größenordnung waren rund 200.000 Flüchtlinge.

In letzter Zeit haben allein 100.000 Ukrainerinnen und Ukrainer den Integrationskurs abgeschlossen, weitere 100.000 werden dies in den kommenden Monaten tun. Wer einen Integrationskurs absolviert hat, soll so schnell wie möglich Arbeitserfahrung sammeln…“

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Zumindest die ersten Schritte für eine schnelle Vermittlung – Leistungsberechtigte zu einem Termin in das Jobcenter einladen – wurden umgesetzt (zum Erfolg: Hammer 2024: Beschleunigt der Job-Turbo die Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen im Bürgergeld-Bezug?; Bundesrechnungshof: Bericht nach § 88 Absatz 2 BHO an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Betreuung Geflüchteter aus der Ukraine durch die Jobcenter, 29.10.2024).

Was offensichtlich nicht umgesetzt wurde, war und ist die Berufsbegleitende (Sprach-) Fördermöglichkeit.

Am 17.9.2024 veröffentlichte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Meldung mit der Überschrift: „Job-Berufssprachkurse auf Erfolgskurs!“ Darin heißt es

Als im Oktober 2023 der Job-Turbo der Bundesregierung ausgerufen wurde, ergänzte das BAMF mit einem neuen, eigens dafür entwickelten Konzept das bestehende Kursangebot um die Job-Berufssprachkurse. Der passgenaue Spracherwerb am Arbeitsplatz steht bei den Job-BSK ganz klar im Fokus: Menschen mit Deutsch als Fremdsprache soll das Fußfassen in der Arbeitswelt erleichtert werden, indem genau die Sprache, welche auch wirklich im Arbeitsalltag gebraucht wird, vermittelt wird. Damit der Einstieg von Geflüchteten in den jeweiligen Betrieb auch bei noch geringen Deutschkenntnissen gelingt, soll der Spracherwerb durch berufsbegleitendes Deutschlernen und schneller eintretende Erfolgserlebnisse attraktiver gestaltet werden.“ (https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2024/240917-am-job-bsk-tour.html, Zugriff 2.6.2025)

Ankündigung und Umsetzung der berufsbegleitende (Sprach-) Fördermöglichkeit fallen extrem auseinander. Dies wird an der Größenordnung deutlich:

Inzwischen sind bundesweit mehr als 90 Kursen mit über 600 Teilnehmenden in allen Regionen gestartet.“ (BAMF, 17.9.2024)

200.000 Integrationskurs-Absolvent*innen standen 600 beschäftigungsbegleitende Job-Berufssprachkurse-Teilnehmende gegenüber und zwar in ganz Deutschland. Das entspricht etwa 40 Teilnehmenden pro Bundesland oder rund 1,5 Teilnehmende pro Jobcenter.

Mit dem gekürzten Bundeshaushalts-Ansatz 2025 wurden seit der zweiten Jahreshälfte 2024 zahlreiche Sprachfördermöglichkeiten eingeschränkt und manche Job-Berufssprachkurse können nur mit der Zustimmung des BAMF stattfinden.

Koalitionsvertrag Union und SPD

Die neue Bundesregierung aus Union und SPD kündigt in ihrem Koalitionsvertrag (S. 15) die Fortsetzung der bisherigen Vorgehensweise an, die Kernelement des Job-Turbo für Flüchtlinge gewesen ist:

Wir werden die schnelle und nachhaltige Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt mit einer Verbindung aus früherer Arbeitserfahrung, berufsbegleitendem Spracherwerb und berufsbegleitender Weiterbildung/Qualifizierung dauerhaft voranbringen.“

Die Umsetzung würde eine Steigerung der Job-Berufssprachkurse von 600 Teilnehmenenden auf z. B. 200.000 verlangen. Dafür müssten auch die Haushaltsmittel bereitgestellt werden – für die entsprechende Dauer der Umsetzung.

Ausblick

Eine Frage ist, ob die Träger in der Lage wären, größere Kapazitätssteigerungen umzusetzen, und die Verwaltung Zulassungen und Abrechnungen im entsprechenden Volumen vorzunehmen. Bis dahin wurde das Prinzip des Forderns, aber nicht des Förderns umgesetzt. Die Beteiligten – Arbeitgeber, beschäftigte Flüchtlinge, zivilgesellschaftliche Organisationen – könnten sich getäuscht sehen. Weiter stellt sich die Frage, ob ein Berufssprachkurs mit Sprachzertifikat nachhaltiger wäre für die Integration als jetzt ohne Zertifikat.

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Jeder 5. Euro für Arbeitgeber – Wie die Jobcenter-Förderung verteilt wird

Die Jobcenter erhalten vom Bund Mittel zur Eingliederung in Arbeit, um Menschen bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu unterstützen (Grundsicherung für Arbeitsuchende). Doch wie werden diese Mittel verteilt – und wer profitiert tatsächlich davon? Was kommt direkt bei den Leistungsberechtigten an?

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Wer profitiert von den Eingliederungsmitteln?

Die Mittel zur Eingliederung in Arbeit gelten als zentrale Stellschraube bei der Integration von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden in den Arbeitsmarkt (Eingliederung von Arbeitslosen im SGB II – reale Mittelplanung 2024 so niedrig wie nie). Im Jahr 2024 wurden von den gemeinsamen Einrichtungen (gE) rund 2,8 Mrd. Euro verausgabt, im Jahr 2023 waren es 2,7 Mrd. Euro.

Eine grobe Auswertung der Ausgaben (s. Hinweise unten) für Förderinstrumente nach Geldbeziehenden zeigt: Nur ein kleiner Teil der Mittel kommt direkt bei den Leistungsberechtigten (ELB) an (2023: 5,8 %, 2024: 5,6 %). Arbeitgeber erhalten einen deutlich größeren Anteil (2023: 20,6 %, 2024: 22,8 %), während der Großteil an die Träger von Maßnahmen fließt (rund 72 %).

Indirekte Förderung

Zwar profitieren Leistungsberechtigte auch indirekt, etwa durch ganzheitliche Betreuung oder Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber. Doch die direkte finanzielle Unterstützung bleibt gering.

Arbeitgeber „sparen“ Personalkosten

Arbeitgeber erhalten vor allem Lohnkostenzuschüsse. Damit „sparen“ sie durch solche Lohnsubventionen Personalausgaben, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen.

Entwicklung und Ausblick

Auffällig ist, dass Arbeitgeber ihren Anteil an den Mitteln 2024 um 10,7 Prozent steigern konnten – zulasten der anderen Gruppen. Eine differenzierte Statistik, die zwischen gewinnorientierten und gemeinnützigen Unternehmen unterscheidet, wäre wünschenswert, um die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit der Förderung besser beurteilen zu können.

Dass Lohnkostenzuschüsse auch unmittelbar zugunsten der Arbeitslosen organisiert werden kann, zeigt das Budget für Arbeit gemäß § 61 SGB IX. Menschen mit Behinderungen, denen von einem Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis angeboten wird, erhalten mit Abschluss dieses Arbeitsvertrages ein Budget für Arbeit. Dies umfasst einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber und die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz.

Hinweise zur Berechnung:

  • Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.
  • Die Ausgaben sind Ist-Ausgaben der gemeinsamen Einrichtungen, die etwa drei Viertel der Jobcenter ausmachen.
  • Die Anteile wurde berechnet ohne Berücksichtigung der „sonstigen Kosten“ (z. B. Bürgergeldbonus, Reisekosten, Erstattungen von Leistungen zur Rehabilitation an öffentlich-rechtliche Träger).
  • Für die Arbeitsgelegenheiten wurden die Ausgaben, die die Leistungsberechtigten und die Träger erhielten, für das Jahr 2024 nach der Verteilung des Jahres 2023 aufgeteilt, da die Aufschlüsselung für 20204 noch nicht veröffentlicht wurde.
  • Für die Freie Förderung wurde mangels Daten eine hälftige Aufteilung der Ausgaben auf Leistungsberechtigte und Träger vorgenommen.
  • Die Ausgaben der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung gem. §§ 16e und 16i SGB II sind den Arbeitgebern zugeordnet, obgleich diese überwiegend von Trägern erbracht wird. Das ist durch die fehlende Aufschlüsselung begründet.
  • Maßnahmen gem. § 45 SGB III können sowohl in der Varianten eines Gutscheins als auch einer Vergabe umgesetzt werden. Da die Daten nicht aufgeschlüsselt sind und die Vergabe-Variante die häufigste Form darstellt, sind die Kosten den Trägern bzw. den Arbeitgebern zugeordnet.
  • Lohnkostenzuschüsse nach § 16i SGB II werden erfahrungsgemäß den Trägern als Arbeitgeber gewährt. Sie sind hier alleine den Arbeitgebern zugeordnet. Kriterium für die Zuordnung in Fällen, in denen Unternehmen eine Doppelfunktion als Arbeitgeber und Träger haben können, war der Gesetzestext, der in der Regel Arbeitgeber oder Träger adressiert.
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Anerkennung von Berufsqualifikationen: Europäischer Rechnungshof und Europäische Kommission beanstanden Deutschland

Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen von ausländischen Arbeitskräften ist wichtig für die Gewinnung von Fachkräften. Sie ist auch wesentlich, wenn es darum geht ausländische Arbeitskräfte, die in Deutschland arbeitslos sind, wieder in den Arbeitsmarkt zu vermitteln.

Deutschland setzt die europäische Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (2005/36/EG; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32005L0036&qid=1736345763985) nicht rechtskonform um.

Zwei Beispiele zeigen das.

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Der Europäische Rechnungshof zur Dauer der Anerkennungsverfahren

Der Europäische Rechnungshof hat sich in einem Sonderbericht (2024) mit der Anerkennung von Berufsqualifikationen in der EU beschäftigt. Er kommt in Bezug auf Deutschland unter anderem auf folgende Beanstandungen:

  • Dauer: Von Deutschland wurde angegeben, dass es ab Eingang der vollständigen Unterlagen vier Monate oder länger dauere, bis eine Entscheidung zur Anerkennung getroffen werde, obwohl das Verfahren gemäß der Richtlinie maximal drei Monate dauern darf.
  • Statistik: Gemäß der Berufsanerkennungsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle zwei Jahre statistische Daten zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten sollen ferner ihre Anerkennungsentscheidungen in der Datenbank der reglementierten Berufe melden. Obwohl Deutschland das Hauptzuzugsland der EU-Bürgerinnen und -Bürger ist, machen die in der Datenbank gemeldeten Entscheidungen nur 6 % aller Entscheidungen aus. Im November 2023 erfuhr der Europäische Rechnungshof, dass das zuständige deutsche Ministerium nicht über ausreichende personelle Ressourcen verfügte, um alle Entscheidungen für den Zeitraum 2017–2021 in die Datenbank der reglementierten Berufe einzugeben. Da es nicht möglich war, die Daten automatisch hochzuladen, hatte das Ministerium der Kommission Excel-Dateien mit den Statistiken zur Verfügung gestellt, diese Entscheidungen jedoch nicht in die Datenbank eingetragen.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht die Absicht:

Wir setzen uns für einheitliche Anerkennungsverfahren innerhalb von acht Wochen ein.“

Angesichts der Beanstandung stellt sich die Frage, was diese Absichtserklärung konkret bedeutet. Die rechtliche Vorgabe ist maximal 3 Monate, die bereits jetzt nicht eingehalten wird, und nun sollen die Verfahren innerhalb von 2 Monaten abgeschlossen werden, und zeitgleich fehlt es an Personal, Daten in eine Datenbank einzutragen.

Die EU-Kommisison zur Unzulässigkeit von Prüfungen zur Anerkennung von Berufsqualifikationen

Im Dezember 2024 hat die Europäische Kommission die erste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland eingeleitet. Grund: Deutschland hält die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen nicht ein. Konkret geht es darum, dass Deutschland unnötige Nachprüfungen in Branchen wie Bau, Verkehr und Unternehmensdienstleistungen verlangt, wenngleich die rechtlichen Bedingungen dafür nicht erfüllt sind. Nachprüfungen von Qualifikationen sind lediglich in Ausnahmen bei Berufen zulässig, die Gesundheit und Sicherheit betreffen.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es zu diesem Thema:

Eine ad-hoc-Arbeitsgruppe von Bund und Ländern wird zeitnah Maßnahmen zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren und Prozesse entwickeln und vorschlagen, wie die Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen (ZAB) in Struktur und Organisation angepasst und gegebenenfalls unterstützt wird.“

Fazit

Die Probleme mit der Berufsanerkennung scheinen zumindest in Deutschland tiefgreifend zu sein. Andere EU-Länder kommen den Vorgaben der Richtlinie nach.

Was kurzfristig und vermutlich kostenlos umgesetzt werden kann: auf rechtlich nicht gebotene Nachprüfungen verzichten. Es geht also zunächst nicht um Bürokratieabbau, sondern darum, Unzulässiges nicht zu tun. Das spart Arbeitszeit und beschleunigt das Verfahren.

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Bildungsstruktur ukrainischer Flüchtlinge im SGB II 2025

Mit Beginn der Ankunft der ersten Flüchtlinge aus der Ukraine wurde von Politik und Medien der hohe Anteil der akademischen Bildung unter ihnen hervorgehoben. Eine Umfrage des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat unter den Ankömmlingen ergabt einen sehr hohen Anteil von 73 Prozent mit einem Hochschulabschluss (Foliensatz „Geflüchtete aus der Ukraine“ zum Pressegespräch am 4.4.2024). Diese Zahl wurde danach sehr verbreitet. Im IAB-Forschungsbericht 4/2022 ist zu lesen: „Vor dem Hintergrund des ohnehin hohen durchschnittlichen Bildungsniveaus in der Ukraine können wir also davon ausgehen, dass die Geflüchteten aus der Ukraine sehr gut qualifiziert sind, auch wenn diese Qualifikationen aufgrund der Unterschiede der Bildungssystems nicht identisch mit den beruflichen Qualifikationen in Deutschland sind.“ (S. 13)

Wie sieht die Entwicklung der Bildungsstruktur aus?

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Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte im Zeitraum März 2022 bis März 2024 keine Daten für die Merkmale letzte abgeschlossene Berufsausbildung und Schulbildung berichtet. Grund dafür war der hohe Anteil unvollständiger Angaben für ukrainische Staatsangehörige, der die Aussagekraft der Statistik eingeschränkt hätte.

Im April 2024 wurde die Berichterstattung zur Bildung wieder aufgenommen. Im Folgenden wird die Verteilungen der beruflichen Bildung nach dieser Statistik dargestellt.

Die Daten beziehen sich auf den Bestand zwischen April 2024 und Januar 2025 an gemeldeten, arbeitslosen erwerbsfähigen Personen im Rechtskreis SGB II mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Es handelt sich um 201.588 Personen im Januar 2025. Ohne die Einschränkung mit dem Merkmal „arbeitslos“ sind es 516.029 Personen.

Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen im Januar 2025 hat keine Berufsausbildung oder die Angabe dazu fehlt. Eine Aufschlüsselung wird nicht veröffentlicht. Fast ein Viertel verfügt über eine betriebliche oder schulische Ausbildung. Rund ein Fünftel hat einen Hochschulabschluss. Der Anteil der Flüchtlinge mit Hochschulabschluss weicht deutlich von dem erwarteten Anteil (z. B. 73 %) ab.

Auffällig an der Zeitreihe ist, dass sich die Struktur der Bildung ukrainischer Flüchtlinge im SGB II kaum verändert hat. Diese Konstanz (diese ist bei der Schulbildung in gleicher Weise gegeben) könnte problematisch sein:

  • Möglicherweise hat sich die Datenqualität (fehlenden Angaben zum Berufsabschluss in der Statistik) nicht verbessert. Ansonsten wäre ein separater Ausweis von fehlenden Angaben zu erwarten (wie beim Schulabschluss, hier 14 %).
  • Offensichtlich scheint nach fast drei Jahren Aufenthalt der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland die Verfahren zur Anerkennung beruflicher Abschlüsse nicht zu höheren Anteilen mit beruflichen oder akademischen Abschlüssen geführt zu haben. Dabei können in einigen Regionen der Ukraine Hochschulabschlüsse nach dem Bachelor-System erworben werden. Bei ihnen dürfte die Dauer der Anerkennung keine Rolle spielen. Vermutlich ist das Anerkennungsverfahren nicht optimal.
  • Die Vermittlungs- und Unterstützungsaktivitäten (einschließlich der Förderung beruflicher Bildung), insbesondere durch den Job-Turbo für Flüchtlinge, haben nicht dazu geführt, dass die arbeitslosen Flüchtlinge aus der Ukraine mit akademischer Ausbildung in einem so großen Umfang Arbeit aufgenommen haben, dass dies Einfluss auf die Struktur gehabt hätte. Es ist davon auszugehen, dass Hindernisse wie Kinderbetreuung und Deutschkenntnisse weiterhin in hohem Maß bestehen.

Fazit

Die vorgenannten Beobachtungen verweisen auf dringenden Handlungsbedarf (Anerkennungsverfahren, Validierung non-formaler Kompetenzen, Spracherwerb, Kinderbetreuung). Unter Berücksichtigung der (geringen) Abgangsraten der Ukrainerinnen und Ukrainer aus Arbeitslosigkeit im SGB II in Arbeit (siehe Hammer 2024: Beschleunigt der Job-Turbo die Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen im Bürgergeld-Bezug? https://kurzlinks.de/xhux) sollten Erwartungen an eine schnelle Vermittlung überprüft und die Strategien der Integration in den Arbeitsmarkt mit den dafür nötigen Ressourcen angepasst werden.

Diese Bildungsstrukturen geben einen Hinweis auf die Größe des Fachkräftepotenzials arbeitsloser Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit mit Leistungsbezug des Bürgergeldes. Der Umfang liegt um die 48 Prozent. In absoluten Zahlen könnten es rund 97.000 Fachkräfte (Januar 2025). Die Größe des Fachkräftepotenzials hängt allerdings auch von den deutschen Sprachkenntnissen ab. Selbst wenn sich hinter dem Merkmal „ohne Angabe“ weitere Fachkräfte verbergen, ist zumindest aus Sicht der Arbeitgeber bzw. der Arbeitsvermittlung von mangelnden Deutschkenntnissen auszugehen. Der Weichenstellung in den Arbeitsmarkt führt dann tendenziell in den Helferbereich.

Hinweise zur Interpretation der Daten

Bei den Personen in dieser Statistik muss es sich nicht zwangsläufig um Flüchtlinge handeln, die seit 2022 in Folge des Krieges gegen die Ukraine geflüchtet sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die meisten Personen im Bestand einen Fluchthintergrund haben.

Zudem ist bei der Interpretation zu beachten, dass sich durch die Reduzierung des Anteils fehlender Angaben die Anteile der anderen Merkmalsausprägungen verschieben können.

Die Statistik der BA kann außerdem nur bei den als reglementiert gekennzeichneten Ausbildungen unterscheiden, ob der im Ausland erworbene Ausbildungs- oder Studienabschluss in Deutschland anerkannt wurde oder nicht. Die übrigen im Ausland erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschlüsse werden als schulische, betriebliche oder akademische Ausbildungen ausgewiesen. Daraus ergeben sich Unterzeichnungen der in Deutschland nicht anerkannten Berufsabschlüsse.

Im Jahr 2022 wurden über 1.450 Anträgen auf Anerkennung ukrainischer Qualifikationen gestellt.

Weitere Beiträge zu Flüchtlingen aus der Ukraine: https://kurzlinks.de/bxtf

Update des Beitrags vom 4.5.2024

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Outreach im Kontext SGB II

Mit den niedrigschwelligen Angeboten nach § 45 SGB III in Verbindung mit § 16 SGB II und den Kontaktbeschränkungen während der Covid-Pandemie ist das Interesse an aufsuchender Arbeit im Rechtskreis SGB II gestiegen. Die seit 1.7.2023 bestehende „ganzheitliche Betreuung“ (§ 16k SGB II) sieht bereits im Gesetzestext explizit aufsuchende Arbeit vor. Darüber hinaus wurde in § 14 (3) SGB II ebenfalls neu geregelt, dass die Beratung der Jobcenter aufsuchend und sozialraumorientiert erfolgen kann.
In einem Beitrag gehe ich auf Outreach, die aufsuchende Arbeit in Stadtteilen und Sozialräumen, ein.

Weitere Literatur in diesem Zusammenhang (siehe auch Rubrik Publikationen für downloads):

Hammer, A. 2024. Ein Jahr ganzheitliche Betreuung im SGB II. info also – Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht 2024, S. 217-221

Hammer, A. 2024. Zur Ökonomie der Ganzheitlichen Betreuung im SGB II. Forum Arbeit 3/2024. S. 12-16

Hammer, A. 2024. Aufsuchende Beratung bei Arbeitslosen im Kontext SGB II. In: Matthias Rübner | Matthias Schulze-Böing [Hrsg.] 2024: Gut beraten im Jobcenter – Beratungsqualität als Herausforderung für Führung und Praxis, S. 283-293. Baden-Baden.

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Staatsausgaben und Sozialleistungen – zu hoch?

Die Kritik an den zu hohen Staatsausgaben und den Sozialleistungen, besteht seit dem es eine Demokratie und einen Sozialstaat gibt. Sie hat nun erneut Eingang in einen Koalitionsvertrag gefunden, diesmal in den von CDU, CSU und SPD.

Wie sehen die Fakten zu Staatsausgaben und Sozialleistungen aus?

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Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland ist seit 1960 kontinuierlich sehr stark gewachsen – lediglich während der Eurokrise um 2009 und der Corona-Pandemie gab es kurze, geringe Rückgänge.

Im Gegensatz zum BIP hat sich der Anteil der gesamten öffentlichen Ausgaben (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung) am Bruttoinlandsprodukt (Staatsquote) entwickelt. Der langfristiger Trend ist abwärts gerichtet . Ausnahmen sind bei der Übernahme des Treuhandververmögens (1995; Folge des Beitritts der DDR), der Eurokrise und der Corona-Pandemie zu beobachten. Der Spitzenwert von 1995 wurde seitdem nie mehr erreicht.

Quelle der Daten: Bundesministerium für Arbeit und Soziales; und eigene Berechnungen

Die Sozialleistungen sind seit 1960 absolut ebenfalls gestiegen, allerdings deutlich geringer als die gesamten öffentlichen Ausgaben.

Die Sozialleistungsquote in Deutschland, also der Anteil der Sozialleistungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), hat sich ähnlich wie die Staatsquote – deren Teil sie ist – entwickelt: in Krisenphasen wie der Erdölkrise in der ersten Hälfte der 1970er Jahre, der Eurokrise und der Corona-Pandemie bildeten sich Ausschläge nach oben. Zwischen 2004 und der Eurokrise ist die Sozialleistungsquote sogar gefallen, möglicherweise anteilig ein Ergebnis der sog. Hartz-Reformen. Der Spitzenwert in der Zeitreihe lag im Jahr 2020 (Pandemie) und seitdem geht die Sozialleistungsquote wieder zurück. Selbst im Jahr der Zuwanderung von Flüchtlingen aus der Ukraine war keine Steigerung zu erkennen. Der geschätzte Werte für 2023 liegt unter dem Niveau der Vor-Pandemiejahr.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Ausgaben der Sozialversicherung in den volkswirtschaftlichen Rechnungen zur Staatsquote und der Sozialleistungsquote hinzu gerechnet werden. Dies ist irreführend. Die Sozialversicherungsbeiträge gelten als „Lohnnebenkosten“, die der Arbeitgeber für die leistungsberechtigten Beschäftigten bezahlt. Der Staat tätigt diese Ausgaben nicht und hat auch nicht den unmittelbaren Nutzen des Verbrauchs, sondern koordiniert lediglich das Sozialversicherungssystem.

Rechnet man die Ausgaben für die Sozialversicherung aus der Staatsquote heraus, dann verändert sich zwar nicht die Entwicklung (Abwärtstrend seit 1995, krisenbedingte Erhöhungen), aber das Niveau der unverfälschten Staatsquote liegt deutlich niedriger (um 18,7 Prozentpunkte im Mittel seit 1960). Statt 48,5 Prozent beträgt sie im Jahr 2023 nun noch 29 Prozent. Das entspricht rund 60 Prozent des ursprünglichen Wertes für dieses Jahr.

Kürzungen bei den Sozialleistungsausgaben werden in der Regel mit den hohen Staatsausgaben begründet. Wie gezeigt, ist der Trend abwärts gerichtet und insofern die Kritik an diesen Ausgaben nicht gut belegt. Eine positive Veränderung der Sozialleistungsquote gegenüber dem Vorjahr wirkt sich nicht signifikant auf das Wachstum des BIP aus. Außerdem zeigt das Wachstum des BIP (trotz steigender Sozialleistungen), dass die Mittel für öffentliche und Sozialleistungsausgaben vorhanden sind, wenn die Bundesregierung das BIP-Wachstum anders verteilen würde.

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