Das Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise in Verbindung mit dem Sicherstellungsauftrag (Sozialdienstleister-Einsatzgesetz – SodEG) ist am 28.03.2020 in Kraft getreten. Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Umsetzung im SGB II sind erst nach einem Monat an die gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter) gegangen. Sie sind seit dem 29.4.2020 rückwirkend zum 1.4.2020 gültig.
Bis jetzt haben die Jobcenter nur vage Auskünfte zu den SodEG-Leistungen gegeben, da die Weisungen nicht vorlagen. Die Sozialdienstleister haben teilweise auch Anträge gestellt, ohne dass diese bearbeitet oder beschieden worden wären.
Dies gilt auch für die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft. Der Bund hat angekündigt, dass die SodEG-Leistungen bei den kommunalen Jobcentern nach den gleichen Kriterien vom Prüfdienst geprüft werden wie die gemeinsamen Einrichtungen.
Ziel des SodEG ist u.a. sicherzustellen,
„dass der Bestand der sozialen Dienste und Einrichtungen in diesem Zeitraum nicht gefährdet sei.“ (Bundestags-Drucksache 19/18130)
Die Sozialdienstleister sollen im Gegenzug ihre Mittel zur Überwindung der Pandemie einsetzen.
Vor diesem Hintergrund scheint das SodEG und die bisherigen FAQ dazu nicht sehr vielversprechend die Gefährdung der Sozialdienstleister abzuwenden.
Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit regeln die Umsetzung in einer Art und Weise, die ebenfalls nicht die Gefährdung zu mindern scheint.
Der rote Faden in der Weisung lautet:
„Dennoch soll eine ungerechtfertigte Bereicherung der Empfänger von Zuschüssen vermieden werden.“ (Fachliche Weisung vom 29.4.2020, S. 12)
Im Folgenden werden einige wesentliche Punkte aus der Weisung und der Fachlichen Weisung zum SodEG für das SGB II vom 29.4.2020 angeführt. Aufgrund der Detailgenauigkeit der Weisung ist für eine ausführlichere Darstellung der Probleme hier nicht der Raum. Da das SodEG nochmals gesetzlich verändert werden soll,
Liquidität
Zunächst benötigen die Sozialdienstleister Liquidität. Zutreffend hat der Bundestag festgestellt:
Soziale Dienstleister seien infolge der Corona-Pandemie akut von schwerwiegenden finanziellen Einbußen bis hin zur Insolvenz bedroht. … Es gebe derzeit keine gesetzliche Grundlage, die es den Leistungsträgern ermögliche, ihre Zahlungen an die sozialen Dienstleister fortzusetzen. … Besonders schwer von finanziellen Einbußen betroffen seien zudem die freien Wohlfahrtsverbände. Denn diese dürften als gemeinnützige Träger – anders als kommerzielle Anbieter – kaum Risikorücklagen bilden und könnten oftmals keine Kredite aufnehmen. Sie würden daher nicht die für die Wirtschaft vom BMF geplanten finanziellen Hilfen in Anspruch nehmen können.“ (Bundestags-Drucksache 19/18130)
Seit dem 16.3.2020 sind die zahlreiche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausgesetzt. Bis jetzt sind gemäß SodEG keine Leistungen gewährt worden. Zum einen, weil die Jobcenter die Weisung abgewartet haben. Und zu zweiten, weil die Jobcenter keinen eigenen Bescheid formulieren sollen.
„Die Anträge werden erst bearbeitet, wenn den gemeinsamen Einrichtungen der zentral entwickelte, einheitliche Bewilligungs-/Ablehnungsbescheid zur Verfügung steht.“ (Zif. 2.3.2 der Weisung vom 29.4.2020))
Die Sozialdienstleister sollen also weiter warten bis ein einheitliches Formular zeitnah den Jobcentern bereitgestellt wird. Zeitnah ist bei Liquiditätsproblem existenziell. Zeitnah wäre eine vorläufige Bewilligung gewesen.
Die Fachliche Weisung zum SodEG regelt auch den Zahlungszeitpunkt
„Die Zuschüsse werden monatlich rückwirkend gezahlt.“ (Fachliche Weisung vom 29.4.2020, S. 13)
Obgleich die Sozialdienstleister z. B. ihre laufenden Mietzahlungen im Voraus zahlen müssen, bekommen sie den Zuschuß dafür erst im Nachhinein. Das trägt nicht zur Minderung von Liquiditätsengpässen bei. Da es sich um verlorene Zuschüsse handelt, wäre auch eine Zahlung zum Monatsbeginn möglich.
Verwaltungsaufwand
Auch ist ein vermeidbarer Verwaltungsaufwand in der Fachlichen Weisung vorgegeben. So muss der Sozialdienstleister dem Jobcenter, bei der SodEG beantragt, erklären, in welchem Rechtsverhältnis er zum Jobcenter steht, z. B. als Auftragnehmer im Rahmen einer Vergabe-Maßnahme.
Und er muss seine Vergütungen darstellen, die er vom Jobcenter erhalten hat.
Beide Angaben liegen den Jobcentern bereits vor. Und müssen dennoch erklärt und diese Erklärung vom Jobcenter geprüft werden.
Aber auch bei den Jobcentern ist mit einem hohen Aufwand bei der Prüfung der Anträge, Berechnung der Förderhöhe, Prüfung der Umsetzung und der Schlußabrechnung zu erwarten.
Förderhöhe
Die Komplexität der Regelungen zur Berechnung des SodEG wird durch die Weisung nicht reduziert. Es braucht deshalb Berechnungsbeispiele und mehr als zwei Seiten um die Berechnung verständlich zu machen.
Der Bund unterstellt, dass Räumlichkeiten, Sachmittel und Personal nicht vollständig zum Einsatz kommen. Und er unterstellt geminderte laufende Kosten bei den Sozialdienstleistern:
„Auch variable Kosten … werden bei wegbleibenden Klienten/Kursteilnehmern deutlich geringer ausfallen.“ (Gesetzesbegründung zu SodEG)
Laut Fachliche Weisung werden nun bei der Berechnung der Förderhöhe wegfallende Ausgaben für Honorarkräfte abgezogen, sodass die Förderquote auf 50% sinken kann.
Im Falle von durchlaufende Posten, die der Sozialdienstleister vom Jobcenter an die Teilnehmenden weiterreicht, z. B. teilnehmerbezogene Kosten, wie Fahrkosten oder Kinderbetreuungskosten, Mehraufwandsentschädigungen bei Arbeitsgelegenheiten oder Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen, werden diese mit einer Pauschale von 15% bei der Förderhöhe abgezogen.
Fehlanreize im SodEG
Kontraproduktiv für die Akquise von Arbeitgebern für das Teilhabechancengesetz ist vermutlich, dass z. B. 16i-Förderleistungen bei der Berechnung der Erstattung nach dem SodEG nicht berücksichtigen werden. Private Arbeitgeber erhalten kein Kurzarbeitergeld für diesen Personenkreis, keine Infektionsschutzleistungen, wenn der Mitarbeiter nicht selbst infiziert ist, und sollen dann noch über (nun wegfallende) Umsätze für die nicht förderfähigen Kosten selbst finanzieren. Es wird zu beobachten sein, wie viele Arbeitgeber künftig unter diesen Bedingungen bereit sein werden Benachteiligte im Rahmen von Teilhabe am Arbeitsmarkt zu beschäftigen.
Ein weiteres Problem ist die Nichtberücksichtigung von Umsätzen, die die Sozialdienstleister mit geförderter Beschäftigung erzielen und sich nun ggf. mindernd auf die Erstattung auswirken. Hätten sie keine Einnahmen kalkuliert, wäre in manchen Fällen die Maßnahmekostenpauschale bei den Arbeitsgelegenheiten höher. Eine marktnahe Beschäftigung wirkt sich somit nachteilig. Die Gleichbehandlung aller Sozialdienstleister im SodEG, z. B. einer Schuldnerberatungsstelle (üblicherweise ohne eigenen Einnahmen) mit einem Beschäftigungsträger (üblicherweise mit der Vorgabe Einnahmen über die geförderte Beschäftigung zu erzielen) ist nicht passend. Es sollten die Einnahmen, die mit den geförderten Beschäftigten erzielt werden zumindest anteilig berücksichtigt werden können.
Ausblick
Das SodEG und die damit verbundenen Weisungen erwecken den Eindruck, dass das Vorhaben gut gemeint ist, um die Existenz der Sozialdienstleister zu sichern und ihre Ressourcen für die Überwindung der Pandemie zu überwinden. Es sind neuartige und kreative Rechtswege dafür gegangen worden, und das in kurzer Zeit.
Die praktische Anwendung wird vermutlich eher eine zurückhaltende Inanspruchnahme bewirken (so auch die ersten Rückmeldung zur Einschätzung des SodEG im Rahmen einer noch laufenden Umfrage). Es wird zu sehen sein, wie das Ermessen in den Jobcentern ausgeübt wird, und wie transparent die Antragsteller ihre Informationen darstellen.
Das SodEG soll im Mai 2020 nochmals gesetzlich verändert werden soll (s. hier). Vorgesehen ist u. a. eine Ausweitung bzw. Konkretisierung der Pflichten der Sozialdienstleister. Danach werden die Weisungen überarbeitet oder ergänzt werden müssen. Bis dahin können die Rechtsgrundlagen auch durch externe Initiativen noch verbessert werden.