Welchen relativen Wert hat der Mindestlohn?

Der Mindestlohn hat nicht nur einen absoluten Wert, sondern auch einen relativen Wert. Der relative Wert zeigt an, wo der Mindestlohn im nationalen Lohngefüge steht. Wie ist der Stand in Deutschland?

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Der relative Wert lässt sich ausdrücken als Prozentsatz des Mindestlohns am nationalen Durchschnitts- oder am Medianlohn von Vollbeschäftigten (sog. Kaitz-Index).

Der relative Wert des Mindestlohns hat sich in Deutschland zwischen 2015 und 2021 gemessen am nationalen Durchschnittslohn geringfügig verbessert, von 41,1 Prozent, auf 45,1 Prozent.

Ähnlich war die Entwicklung für den Wert gemessen am Medianlohn. Für den Medianlohn lag der Wert bei 51,1 Prozent. Dieser ist 2022 deutlich auf 56,4 Prozent gestiegen, was mit der Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde zu erklären ist.

Nach der Richtlinie der EU über angemessene Mindestlöhne (siehe hier) sollen Referenzwerte wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns verwendet werden (Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022, Art. 5). Das Statistische Bundesamt hat für 2022 nur den Wert für den Medianlohn veröffentlicht, die Angaben für den Durchschnittslohn fehlen. Dabei sollten beide Werte als Referenzwerte herangezogen werden.

Beide Entwicklungen zeigen allerdings, dass Deutschland unter den EU-weit geltenden Werten liegt (gestrichelte Linien in der Grafik). Diese Werte werden mit der vorgesehenen Erhöhung für 2024 um 41 Cent auf 12,41 auch nicht erreicht werden.

Quelle der Daten: 2015-2021: OECD; 2022: Destatis; eigene Darstellung

Die Differenz zwischen Median- und Durchschnittslohn kann wie ein allgemeines Ungleichheitsmaß interpretiert werden. Je größer die Differenz, umso ungleicher die Einkommensverteilung. Von 2018 bis 2021 steigt dieser Wert von 5,5 auf 6,0 in 2021, dem höchsten Wert seit 2015; die Einkommensungleichheit hat zugenommen. Der Entwicklung des Mindestlohns hat somit den Trend der Einkommensungleichheit nicht umzukehren vermocht.

Die Analyse des Kaitz-Index zeigt weiter, dass der Mindestlohn immer unter der Niedriglohnschwelle liegt, die nach internationaler Konvention bei zwei Dritteln des Medianlohns liegt. Bis 2019 einschließlich liegt der Wert für den Medianlohn sogar unter 50 Prozent, was als Armutslohn kategorisiert werden kann.

Fazit

Die bisherigen Mindestlöhne in Deutschland sind nicht angemessen und erreichen die Referenzwerte der EU nicht. Es braucht deshalb ein anderes Verfahren zur Bestimmung der Mindestlöhne und weitere Anstrengungen (Hinweise hier) mit dem Ziel einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu verringern, den sozialen Zusammenhalt und die soziale Aufwärtskonvergenz zu fördern und das geschlechterspezifische Lohngefälle zu verringern.

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