Das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierte Förderprogramm des Bundes zugunsten langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter läuft nun seit fast zwei Jahren.
Am 31.3.2017 waren 16.186 Teilnehmende1 (30.9.2016: 10.939; 31.5.2016: 6.893) in 305 Jobcentern im Programm (bei weiteren acht Jobcentern gab es einen Widerruf; zum 30.9.2016: 303, zum 31.12.2015: 312, zum 31.5.2016: 305;). In zwei Jobcentern waren noch keine Teilnehmenden gebucht.
Die Bundesregierung beabsichtigt mit diesem Programm, arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Leistungsbezieher im SGB II nachhaltig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Jobcenter als einziger Typ von Antragsteller konnten eine Förderung nach dem ESF beantragen für
- die Akquisition von Arbeitsplätzen in Betrieben (Betriebsakquisiteure)
- das Coaching von MaßnahmeteilnehmerInnen und ihren Arbeitgebern (welches auch durch Dritte durchgeführt werden kann) sowie
- Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber.
Welchen Stand hat das Programm bis zum 31.3.2017 und einer Programmlaufzeit von über 20 Monaten erreicht?
Zur Struktur der Teilnehmenden
Unter den 16.186 Teilnehmenden waren zum Stichtag 31.3.2017 10.523 Männer mit einem Anteil von 65% (30.9.2016: 67,3% 31.5.2015: 67,78%). Die Frauen sind unter den Programmteilnehmenden mit einem Anteil von 35% offensichtlich deutlich unterrepräsentiert. Im Durchschnitt sind 34,5 Männer (30.9.2016: 24,3; 31.5.2016: 15,3) und 18,6 Frauen (30.9.2016 : 11,9; 31.5.2016: 7,2 ) eines Jobcenters Teilnehmende. 6,9% der Jobcenter haben einen Frauenanteil von mehr als 50%, 2,6% der Jobcenter einen Frauenanteil von 10% und weniger. Seit dem 31.12.2015 ( siehe auch ESF-Programm Ergebnisse 2015) hat sich der Frauenanteil wenig verändert. Er hat sich seitdem lediglich um 3,8 Prozentpunkte erhöht. Die Frage stellt sich, ob die Frauen weiterhin so stark unterrepräsentiert bleiben.
Von der Gesamtteilnehmerzahl sind 15.784 Langzeitarbeitslose (97,5%; 30.9.2016: 98,3%). Von den Teilnehmenden sind 3.572 über 54 Jahre alt (22,1%; 30.9.2016 :20,6%, 31.5.2016: 21,12%). Einen Migrationshintergrund oder Angehörige anerkannten Minderheiten haben 3.252 Personen (20,1%; 30.9.2016: 17,4%, zum 31.5.2016: 18,53%; zum 31.12.2015: 17,98%). Üblicherweise liegt der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eines Jobcenters deutlich über diesem Wert, sodass hier vermutlich von einer nicht zufälligen Abweichung ausgegangen werden muss. Im Mittel sind es 6 Teilnehmende mit Migrationshintergrund pro Jobcenter (30.9.2016: 6,8 Teilnehmende).
Während die absoluten Zahlen mit der jeweiligen Teilnahmedauer der Jobcenter im Programm zusammenhängen und noch steigen werden, wird es interessant bleiben, wie sich Anteile der Frauen und der Teilnehmenden mit Migrationshintergrund entwickeln. Bei unveränderten Programmbedingungen ist allerdings hier keine Trendänderung mehr zu erwarten.
Struktur der Jobcenter-inputs
Die Jobcenter setzen vor allem Betriebsakquisiteure und Coaching sowie Lohnkostenzuschüsse ein um die Förderziele zu erreichen.
Zum Stichtag wurden 490 Betriebsakquisiteure beschäftigt (zum 30.9.2016: 500,8 ; 31.5.2016:488,06; zum 31.12.2015: 483,84). Pro Jobcenter sind es im Durchschnitt 1,6 Betriebsakquisiteure.
An Coaching (normale Förderung) wurden 373.599Stunden gezählt (zum 30.9.2016: 172.138 ; 31.5.2016: 92.374; zum 31.12.2015: 26.355,24). Im Durchschnitt entfallen pro Jobcenter 1.225 Coaching-Stunden (Median 873 ; zum 30.9.2016: 567; 31.5.2016: 302,87; zum 31.12.2015: 86,98;). Hinzu kommen Intensiv-Coaching-Stunden im Umfang von 234.763 Stunden (zum 30.9.2016: 95.293; 31.5.2016: 52.231). Der Mittelwert je Jobcenter von 769,7 Stunden weicht jedoch erheblich vom Median von 337 Stunden ab. Die Abweichungen kommen dadurch zustande, dass einige Jobcenter im Unterschied zu anderen mit dem Coaching noch nicht begonnen hatten. Ein mittleres Jobcenter hat insgesamt 1994,6 Coaching-Stunden bei insgesamt 608.362 Stunden in allen Jobcentern. Die Intensiv-Coaching-Stunden haben einen Anteil an den Coaching-Stunden von insgesamt 38,6% (30.9.2016: 35,5%).
Der Umfang der Betriebsakquisiteure und der Coaching-Stunden hängt allerdings vom Start des jeweiligen Jobcenters im Programm statt.
Struktur der outputs
Verfügbar waren zum Stichtag 31.3.2017 9.398 befristete Stellen (30.9.2016: 6.490, zum 31.5.2016: 4.298; zum 31.12.2015: 1.752). Im Durchschnitt sind es 30,8 Stellen pro Jobcenter. Der Umfang der unbefristeten Stellen liegt deutlich niedriger bei 6.888 Stellen (30.9.2016: 4.467, zum 31.5.2016: 2.544; zum 31.12.2015: 945), was einen Mittelwert von 22,6 Stellen ausmacht. In der Summe bestanden 15.629 Stellen (30.9.2016: 10.957, zum 31.5.2016: 6.842; zum 31.12.2015: 2.697). Es gibt eine Abweichung zwischen eingebuchten Stellen und Teilnehmenden (557), was möglicherweise durch den Zeitpunkt der Datenerfassung erklärt werden kann.
Bei den Stellen handelt es sich bei 8.741 (53,6%) der Fälle um Vollzeitbeschäftigungen (30.9.2016:6.079 (59,2%); zum 31.5.2016: 3.856 Fällen; zum 31.12.2015: 1.599) mit 28,7 Vollzeitstellen je Jobcenter. Der Rest von 7.556 (46,4%) sind Teilzeitbeschäftigungen.
Bei Personaldienstleistern (Zeitarbeit) waren 445 Stellen vermerkt (2,7%; 30.9.2016 : 2,7% zum 31.5.2016: 2,3%).
Es gab 12.441 normal geförderte Stellen (76,3%; 30.9.2016:9.495, 77,3%; zum 31.5.2106: 5.224, 76,35%; zum 31.12.2015: 2.088 ), mit einem Durchschnitt von 40,8 Stellen pro Jobcenter. Die übrigen 3.857 (23,7%) waren Intensiv-Förderfälle. Die Förderung beinhaltet die Lohnkostenzuschüsse an die Arbeitgeber, die je nach Typ (normal, intensiv) unterschiedlich in der Höhe ausfallen.
Die zeitliche Entwicklung zeigt, dass das Programm offensichtlich schleppend anlief. Im Mai 2015 waren erst 6 Teilnehmende im Bestand. Die Hälfte der Teilnehmenden im Mai 2015 kamen aus Rheinland-Pfalz. Im Juni 2015 waren dann mindestens 6 Bundesländer involviert und erst im Januar 2016 waren alle Bundesländer beteiligt.
Im bisherigen Monatsdurchschnitt erhöht sich jeden Monat der Bestand um rund 738 Teilnehmende. Allerdings hat sich der Zuwachs seit Mai 2016 verlangsamt.
Die politisch vorgesehene Größenordnung von 30.000 Teilnehmenden ist unter den bisherigen Bedingungen bei einer unveränderten Entwicklung eher unwahrscheinlich zu erreichen. Im Gegensatz dazu hat das Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt deutlich schneller Teilnehmende aufgenommen. Im Februar 2016 habe ich die Lockerung der Förderbedingungen prognostiziert, damit das Programm den nötigen Schub zu verleihen (zum Programmdesign: Entwicklung ESF-LZA-Programm).
Zum 1.2.2017 wurden nun verschiedene Änderungen vorgenommen:
Folgende Änderungen wurden vorgenommen:
- „Erweiterung der förderfähigen Zielgruppe: Zeiten der Unzumutbarkeit von Arbeit nach § 10 Absatz 1 Nr. 3 SGB II wegen der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren, eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Elternzeiten werden der Arbeitslosigkeit gleichgestellt.
- Verlängerung des zeitlichen Rahmens für Eintritte in die geförderte Beschäftigung [Anm. AH: nun bis zum 31.12.2017 statt 31.7.2017]
- Wegfall der Förderhöchstgrenze von 1 500 Euro pro Teilnehmer für Qualifizierungsmaßnahmen
- Erweiterung des zeitlichen Rahmens für das Coaching bei Langzeiterkrankung von Teilnehmern
- Klarstellung zum (nicht erforderlichen) Nachholen des Coachings bei Kurzzeiterkrankung von Teilnehmern
- Flexibilisierung des situativen Coachings von maximal drei Monaten in der Leistungs- und Nachbeschäftigungsphase
- Anpassungen der Qualifikationsanforderungen für Coaches an den Deutschen Qualifikationsrahmen – DQR
- Instandsetzung eines vorhandenen fahruntüchtigen Fahrzeugs
- Streichung der Berichtspflicht zu eingeworbenen Stellen“ (aus dem LZA-Newsletter 1/2017)
Trotz dieser Änderungen sind die Teilnahmezahlen bisher nicht schneller gestiegen. Die Gleichstellung der Zeiten der Unzumutbarkeit von Arbeit nach § 10 Absatz 1 Nr. 3 SGB II mit der Arbeitslosigkeit sollte die Programmbeteiligung der Frauen verbessern. Dies scheint bisher ebenfalls noch nicht gelungen. Diese Änderung kommt für eine Trendänderung wohl zu spät.
Struktur der outcomes
Geplant waren durch die Jobcenter zum 31.3.2017 18.403 Normalförderfälle (30.9.2016 18.251, zum 31.5.2016: 20.956; zum 31.12.2015: 21.152 ) und 4.550 Intensivförderfälle (30.0.2016: 4.495, zum 31.5.2016: 3.057; zum 31.12.2015: 3.187), zusammen 22.953 Förderfälle (30.9.2016: 22.746, zum 31.5.2016: 24.013; zum 31.12.2015: 24.239). Der Planwert der Normalförderfälle wurde seit Dezember 2015 um 2.749 Plätze deutlich reduziert und gleichzeitig wurde der geplante Anteil der Intensivförderfälle im gleichen Zeitraum um 1.363 Fälle erhöht.
Die Zielerreichung bei den Normalförderfällen lag zum Stichtag 31.5.2017 somit bei 67,6%% (30.9.2016 : 52%, 31.5.2016: 24,93%) und bei den Intensivförderfällen bei 84,8% (30.9.2016: 57,2%, zum 31.5.2016: 52,4%). Der Intensiv-Programmteil kommt offensichtlich besser zum Tragen als die Normalförderfälle. Möglicherweise handelt es sich um einen Personenkreis wie er auch für das Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt geeignet wäre. Für die über 54-Jährigen wurde eine Zielerreichungsquote von 62,3% (30.9.2016: 38,4%, zum 31.5.2016: 25,2%) ausgewiesen. Für die Teilnehmenden mit Migrationshintergrund wurde eine Quote von 70,5% (30.9.2016: 58,3%, zum 31.5.2016: 34,4%) erreicht. Der Zielerreichungswert liegt insgesamt bei 62,6%.
Am 31.3.2017 gab es bis dahin 2.832 Abbrüche durch den Arbeitgeber (30.9.2016. 1.462, zum 31.5.2016: 649; zum 31.12.2015: 174). Bezogen auf die 16.298 Stellen beträgt diese Abbruchquote 17,4% (30.9.2016: 13,3% zum 31.5.2016: 9,5%). Die Zahl der Abbrüche durch die Beschäftigten liegt deutlich niedriger, bei 785 (Abbruchquote 4,8%; 30.9.2016: 4,3%, zum 31.5.2016: 261, 3,81%). Zusammengefasst ergaben sich 3.617 Abbrüche (30.9.2016: 1.923, zum 31.5.2016: 910). Die Gesamt-Abbruchquote liegt zum Stichtag bei 22,2% (30.9.2016: 17,6%, zum 31.5.2916; 13,3%) und hat sich gegenüber dem 31.12.2015 (8,71%) deutlich erhöht. In vier Jobcentern beträgt die Abbruchquote 50% und mehr. Es ist zu hoffen, dass es sich hier lediglich um eine fehlerhafte Dateneingabe handelt. Bei 5,61% der beteiligten Jobcenter liegt die Abbruchquote bei 40% und mehr.
Bei Jobcentern, bei denen Arbeitgeber Teilnehmenden gekündigt haben, sind Teilnehmende mit Migrationshintergrund mit einer größeren Wahrscheinlichkeit betroffen (r=0,70; p=0,000). Bei den Älteren über 54 Jahren ist der Zusammenhang ebenfalls signifikant (p=0,000), und etwas stärker (r=0,74). Frauen sind noch stärker einer Kündigung ausgesetzt (r=,84).
Ein/e Betriebsakquisiteur/in-Stelle hat im Durchschnitt 33,3 Stellen im Zeitraum Mai 2015 bis März 2017 (23,3 Stellen m Zeitraum Mai 2015 bis September 2016, 14,02 Stellen im Zeitraum Mai 2015 bis Mai 2016) akquiriert.
Vorläufiges Fazit
Die Zahl der von den Jobcentern geplanten Förderfälle liegt unter der politischen Absichtserklärung ( 22.953 geplant, 30.000 vom BMAS angekündigt). Dabei wurden die Planzahlen im Programmverlauf nach unten korrigiert.
Der Zielerreichungswert von 62,6% (gemessen an der Planzahl von 22.953) liegt immer noch relativ niedrig, vor allem im Vergleich mit dem Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt und das trotz des früheren Programmstarts. Das lässt auf Probleme im Programmdesign oder in der Umsetzung schließen (hier wird von Jobcenter-Mitarbeitenden häufiger der Verwaltungsaufwand genannt). Die zum 1.2.2017 vorgenommenen Änderungen im Programmdesign (größere Flexibilisierung) und die bis zum 31.12.2017 verlängerte Eintrittsmöglichkeit in das Programm, werden wohl keine Trendänderung mehr bewirken.
Die Beobachtung, dass der geplante Anteil der Intensivförderfälle zu Lasten der Normalförderfälle ausgeweitet wurde, zeigt, dass für Teilnehmende mit größeren Vermittlungsschwierigkeiten ein größerer Bedarf besteht. Da der Zielerreichungsgrad bei den Intensivförderfällen höher als bei den Normalförderfällen liegt, ist davon auszugehen, dass mit Intensiv-Coaching und höheren Arbeitgeberzuschüssen auch Personen mit größeren Vermittlungsschwierigkeiten in Arbeit einmünden können.
Die kontinuierlich steigende Abbruchquote, vor allem auf Seiten der Arbeitgeber, könnte ebenfalls darauf verweisen, dass die Teilnehmenden die Erwartungen nicht so gut erfüllt haben wie bei der Platzbesetzung gedacht oder das leistungsschwächere Leistungsberechtigte in das Programm aufgenommen wurden. Es stellt sich die Frage, welche Einflüsse das matching von Person und Stelle (Betriebsakquisiteur/in) und das Coaching (Coaches) haben. Noch wichtiger ist die Anschlussperspektive: Was machen Jobcenter vermittlerisch mit jenen über 2.800 Teilnehmenden, denen vom Arbeitgeber gekündigt wurde?
Frauen und Personen mit Migrationshintergrund sind im Programm deutlich unterrepräsentiert, was möglicherweise auf ihre Benachteiligung schließen lässt.
Alle Daten: Bundesverwaltungsamt, soweit nicht anders angegeben.
Aktualisiert am 6.5.2017
1Quelle: Bundesverwaltungsamt; bereinigt um unplausible Werte und Widerrufe