„In Deutschland wird es für viele, viele Jahre, vielleicht für mehr als ein Jahrzehnt nicht das Problem geben, dass wir gegen Arbeitslosigkeit kämpfen müssen. Was vor uns liegt, ist, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass die Betriebe genügend Arbeitskräfte finden, …“
Rede von Bundeskanzler Scholz am 1.5.2023 in Koblenz, zit. Nach https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzler-scholz-anlaesslich-der-kundgebung-des-dgb-am-1-mai-2023-in-koblenz-2187254
Von registrierter Arbeitslosigkeit sind nicht allein 2,62 Mio. Personen betroffen, sondern 3,49 Mio. Menschen (s. hier).
Offensichtlich sind rund 3,5 Mio. Menschen ohne Arbeit nicht genug, als dass sich die Bundesregierung weiterhin den Kampf gegen Arbeitslosigkeit zur Aufgabe macht. Möglicherweise deutet sich mit der Aussage des Bundeskanzlers eine Weichenstellung an, Betriebe mehr zu unterstützen, um Arbeitskräfte zu finden, als Arbeitslosigkeit abzubauen.
In der Konsequenz könnte dies bedeuten, dass die Fördermittel für Arbeitslose gesenkt werden und die Subventionen für Betriebe erhöht werden. Es könnte auch mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt werden („Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass alle ihre Chance nutzen.“ BK Scholz, a.a.O.)
Gespaltener Arbeitsmarkt
Dagegen bleibt festzuhalten, dass es einen gespaltenen Arbeitsmarkt gibt: zum einen wird seit Jahren ein Fachkräftemangel beklagt, und gleichzeitig sind viele arbeitslos. Das lässt sich damit erklären, dass wachsende (z. B. Erneuerbare Energien) und schrumpfende Branchen (z. B. jene, die stark der Digitalisierung ausgesetzt sind wie Logistik) und Regionen nebeneinander stehen. Da, wo Arbeitsplätze wegen der Umstellung von Verbrenner- auf Elektromotoren konzentriert entfallen, werden nicht in gleichem Umfang gut bezahlte Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen und gleicher Qualifikation entstehen.
Es geht also nicht um den Wechsel des Kampffeldes im Sinne eines entweder/oder, sondern von parallelen Herausforderungen des sowohl als auch. Die Förderung von beruflicher Weiterbildung (s. z. B. hier) alleine wird nicht reichen. Das hat bereits von der Umschulung der „Schlecker“-Frauen zu Erzieherinnen nicht geklappt (z. B. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/folgen-der-schlecker-insolvenz-von-der-leyen-will-schlecker-frauen-als-erzieherinnen-1.1376492). Auch sind erfahrungsgemäß Appelle mehr auszubilden oder Tariflöhne zu zahlen zu wenig („Deshalb hier und an dieser Stelle der Appell: Es sollen sich alle noch einmal zusammenreißen und alles dafür tun, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in Deutschland weiter steigt.“ und „Ich fahre gerne Fahrrad. Deshalb wünsche ich mir auch Tarifverträge in der Fahrradindustrie!“ BK Scholz, a.a.O.)
Solange es einen gespaltenen Arbeitsmarkt gibt, der droht noch größer zu werden, braucht es Ressourcen und gesetzliche Vorgaben zum Abbau der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungssicherung.