Das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierte Förderprogramm des Bundes zugunsten langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter läuft nun schon seit mehr als 16 Monaten.
Am 30.9.2016 waren 10.939 Teilnehmende1 (31.5.2016: 6.893) in 303 Jobcentern im Programm (zum 31.12.2015: 312, zum 31.5.2016: 305). In drei Jobcentern waren noch keine Teilnehmenden gebucht.
Die Bundesregierung beabsichtigt mit diesem Programm, arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Leistungsbezieher im SGB II nachhaltig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Jobcenter als einziger Typ von Antragsteller konnten eine Förderung nach dem ESF beantragen für
- die Akquisition von Arbeitsplätzen in Betrieben (Betriebsakquisiteure)
- das Coaching von MaßnahmeteilnehmerInnen und ihren Arbeitgebern (welches auch durch Dritte durchgeführt werden kann) sowie
- Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber.
Welchen Stand hat das Programm bis zum 30.9.2016 und einer Programmlaufzeit von 16 Monaten erreicht?
Zur Struktur der Teilnehmenden
Unter den 10.939 Teilnehmenden waren zum Stichtag 30.9.2016 7.358 Männer mit einem Anteil von 67,3% (31.5.2015: 67,78%). Die Frauen sind unter den Programmteilnehmenden mit einem Anteil von 31,4% offensichtlich deutlich unterrepräsentiert. Im Durchschnitt sind 24,3 Männer (31.5.2016: 15,3) und 11,9 Frauen (31.5.2016: 7,2 ) eines Jobcenters Teilnehmende. 5,6% der Jobcenter haben einen Frauenanteil von mehr als 50%, 1,7% der Jobcenter einen Frauenanteil von 10% und weniger. Seit dem 31.12.2015 ( siehe auch ESF-Programm Ergebnisse 2015) hat sich der Frauenanteil wenig verändert. Er hat sich seitdem lediglich um 1,2 Prozentpunkte erhöht. Die Frage stellt sich, ob die Frauen weiterhin so stark unterrepräsentiert bleiben.
Von der Gesamtteilnehmerzahl sind 10.754 Langzeitarbeitslose (98,3%; 31.5.2016: 6.701 ). Von den Teilnehmenden sind 2.183 über 54 Jahre alt (20,6%; 31.5.2016: 21,12%). Einen Migrationshintergrund oder Angehörige anerkannten Minderheiten haben 2.061 Personen (17,4%; zum 31.5.2016: 18,53%; zum 31.12.2015: 17,98%). Üblicherweise liegt der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eines Jobcenters deutlich über diesem Wert, sodass hier vermutlich von einer nicht zufälligen Abweichung ausgegangen werden muss. Im Mittel sind es 6,8 Teilnehmende mit Migrationshintergrund pro Jobcenter.
Während die absoluten Zahlen mit der jeweiligen Teilnahmedauer der Jobcenter im Programm zusammenhängen und noch steigen werden, wird es interessant bleiben, wie sich Anteile der Frauen und der Teilnehmenden mit Migrationshintergrund entwickeln.
Struktur der Jobcenter-inputs
Die Jobcenter setzen vor allem Betriebsakquisiteure und Coaching sowie Lohnkostenzuschüsse ein um die Förderziele zu erreichen.
Zum Stichtag wurden 500,8 Betriebsakquisiteure beschäftigt (zum 30.9.2016: 488,06; zum 31.12.2015: 483,84). Pro Jobcenter sind es im Durchschnitt 1,6 Betriebsakquisiteure.
An Coaching (normale Förderung) wurden 172.138 Stunden gezählt (zum 30.9.2016: 92.374; zum 31.12.2015: 26.355,24). Im Durchschnitt entfallen pro Jobcenter 567 Coaching-Stunden (zum 30.9.2016: 302,87; zum 31.12.2015: 86,98; Median 200). Hinzu kommen Intensiv-Coaching-Stunden im Umfang von 95.293 Stunden (zum 30.9.2016: 52.231). Der Mittelwert je Jobcenter von 312 Stunden weicht jedoch erheblich vom Median von 125 Stunden ab. Die Abweichungen kommen dadurch zustande, dass einige Jobcenter im Unterschied zu anderen mit dem Coaching noch nicht begonnen hatten. Ein mittleres Jobcenter hat insgesamt 879,4 Coaching-Stunden bei insgesamt 268.231 Stunden in allen Jobcentern. Die Intensiv-Coaching-Stunden haben einen Anteil an den Coaching-Stunden von insgesamt 35,5%.
Der Umfang der BetriebsakquisiteurInnen und der Coaching-Stunden hängt allerdings vom Start des jeweiligen Jobcenters im Programm statt.
Struktur der outputs
Verfügbar waren zum Stichtag 30.9.2016 6.490 befristete Stellen (zum 31.5.2016: 4.298; zum 31.12.2015: 1.752). Im Durchschnitt sind es 21,4 Stellen pro Jobcenter. Der Umfang der unbefristeten Stellen liegt deutlich niedriger bei 4.467 Stellen (zum 31.5.2016: 2.544; zum 31.12.2015: 945), was einen Mittelwert von 14,6 Stellen ausmacht. In der Summe bestanden 10.957 Stellen (zum 30.9.2016: 6.842; zum 31.12.2015: 2.697). Es gibt eine Abweichung zwischen eingebuchten Stellen und Teilnehmenden (203), was möglicherweise allein durch den Zeitpunkt der Datenerfassung zu erklären ist.
Bei den Stellen handelt es sich bei 6.079 (59,2%) der Fälle um Vollzeitbeschäftigungen (zum 30.9.2016: 3.856 Fällen; zum 31.12.2015: 1.599) mit 19,9 Vollzeitstellen je Jobcenter. Der Rest von 4.877 (40,8%) sind Teilzeitbeschäftigungen.
Bei Personaldienstleistern (Zeitarbeit) waren 295 Stellen vermerkt (2,7%; zum 31.5.2016: 2,34%).
Es gab 9.495 normal geförderte Stellen (77,3%; zum 30.9.2106: 5.224, 76,35%; zum 31.12.2015: 2.088 ), mit einem Durchschnitt von 31,1 Stellen pro Jobcenter. Die übrigen 2.570 (22,7%) waren Intensiv-Förderfälle. Die Förderung beinhaltet die Lohnkostenzuschüsse an die Arbeitgeber, die je nach Typ (normal, intensiv) unterschiedlich in der Höhe ausfallen.
Die zeitliche Entwicklung zeigt, dass das Programm offensichtlich schleppend anlief. Im Mai 2015 waren erst 6 Teilnehmende im Bestand. Die Hälfte der Teilnehmenden im Mai 2015 kamen aus Rheinland-Pfalz. Im Juni 2015 waren dann mindestens 6 Bundesländer involviert und erst im Januar 2016 waren alle Bundesländer beteiligt.
Im bisherigen Monatsdurchschnitt erhöht sich jeden Monat der Bestand um rund 683 Teilnehmende. Allerdings hat sich der Zuwachs seit Mai 2016 verlangsamt.
Die politisch vorgesehene Größenordnung von 30.000 Teilnehmenden ist unter den bisherigen Bedingungen bei einer unveränderten Entwicklung eher unwahrscheinlich zu erreichen. Im Jahr des Bundestagswahlkampf ist mit einer weiteren Lockerung der Förderbedingungen zu rechnen, um dem Programm den nötigen Schub zu verleihen (zum Programmdesign: Entwicklung ESF-LZA-Programm). Im Gegensatz dazu hat das Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt deutlich schneller eine höhere Teilnehmerzahl erreicht.
Struktur der outcomes
Geplant waren durch die Jobcenter zum 30.9.2016 18.251 Normalförderfälle (zum 31.5.2016: 20.956; zum 31.12.2015: 21.152 ) und 4.495 Intensivförderfälle (zum 31.5.2016: 3.057; zum 31.12.2015: 3.187), zusammen 22.746 Förderfälle (zum 31.5.2016: 24.013; zum 31.12.2015: 24.239). Der Planwert hat sich seit Dezember 2015 um 1.493 Plätze deutlich reduziert und gleichzeitig hat sich der geplante Anteil der Intensivförderfälle erhöht.
Die Zielerreichung bei den Normalförderfällen lag zum Stichtag 30.9.2016 somit bei 52% (31.5.2016: 24,93%) und bei den Intensivförderfällen bei 57,2% (zum 31.5.2016: 52,4%). Der Intensiv-Programmteil kommt offensichtlich besser zum Tragen als die Normalförderfälle. Möglicherweise handelt es sich um einen Personenkreis wie er auch für das Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt geeignet wäre. Für die über 54-Jährigen wurde eine Zielerreichungsquote von 38,35% (zum 31.5.2016: 25,19%) ausgewiesen. Für die Teilnehmenden mit Migrationshintergrund wurde eine Quote von 34,4% (zum 31.5.2016: 20,97%) erreicht. Der Zielerreichungswert liegt insgesamt bei 48,2%.
Am 30.9.2016 gab es bis dahin 1.462 Abbrüche durch den Arbeitgeber (zum 31.5.2016: 649; zum 31.12.2015: 174). Bezogen auf die 10.957 Stellen beträgt diese Abbruchquote 13,34% (zum 31.5.2016: 9,49%). Die Zahl der Abbrüche durch die Beschäftigten liegt deutlich niedriger, bei 470 (Abbruchquote 4,3%; zum 31.5.2016: 261, 3,81%; zum 31.12.2015: 61). Zusammengefasst ergaben sich 1.932 Abbrüche (zum 31.5.2016: 910). Die Gesamt-Abbruchquote liegt zum Stichtag bei 17,63% (zum 31.5.2916; 13,3%) und hat sich gegenüber dem 31.12.2015 (8,71%) deutlich erhöht. In sechs Jobcentern beträgt die Abbruchquote 60% und mehr. Es ist zu hoffen, dass es sich hier lediglich um eine fehlerhafte Dateneingabe handelt. Bei 3,6% der beteiligten Jobcenter liegt die Abbruchquote bei 40% und mehr.
Bei Jobcentern, bei denen Arbeitgeber Teilnehmenden gekündigt haben, sind Teilnehmende mit Migrationshintergrund mit einer größeren Wahrscheinlichkeit betroffen (r=0,71; p=0,000). Bei den Älteren über 54 Jahren ist der Zusammenhang ebenfalls signifikant (p=0,000), wenngleich auch nicht so stark (r=0,35). Bei Jobcentern, die pro Stelle einen höheren Coaching-Aufwand betreiben ist die Zahl der Abbrüche geringer; dies gilt besonders für das Intensiv-Coaching. Zugleich haben Jobcenter mit einer hohen Zahl an Intensiv-Förderfällen auch mehr Abbrüche durch Arbeitgeber.
Ein/e Betriebsakquisiteur/in hat im Durchschnitt 23,3 Stellen im Zeitraum Mai 2015 bis September 2016 (14,02 Stelen im Zeitraum Mai 2015 bis Mai 2016) akquiriert.
Vorläufiges Fazit
Die Zahl der von den Jobcentern geplanten Förderfälle liegt unter der politischen Absichtserklärung (22.746 geplant, 30.000 vom BMAS angekündigt). Dabei korrigieren sie die Planzahlen im Programmverlauf nach unten.
Der Zielerreichungswert liegt immer noch relativ niedrig, vor allem im Vergleich mit dem Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt (48,2% vs. 91,37%) und das trotz des früheren Programmstarts. Das lässt auf Probleme im Programmdesign oder in der Umsetzung schließen (hier wird von Jobcenter-Mitarbeitenden häufiger der Verwaltungsaufwand genannt).
Die Beobachtung, dass der geplante Anteil der Intensivförderfälle zu Lasten der Normalförderfälle ausgeweitet wurde, zeigt, dass für Teilnehmende mit größeren Vermittlungsschwierigkeiten ein größererBedarf besteht. Da die Zielerreichung bei den Intensivförderfällen höher als bei den Normalförderfällen liegt, ist davon auszugehen, dass mit Intensiv-Coaching und höheren Arbeitgeberzuschüssen auch Personen mit größeren Vermittlungsschwierigkeiten in Arbeit einmünden können.
Die gestiegende Abbruchquote, vor allem auf Seiten der Arbeitgeber, könnte ebenfalls darauf verweisen, dass die Teilnehmenden die Erwartungen nicht so gut erfüllt haben wie bei der Platzbesetzung gedacht. Es stellt sich die Frage, welche Einflüsse das matching von Person und Stelle (Betriebsakquisiteur/in) und das Coaching (Coaches) haben. Noch wichtiger ist die Anschlussperspektive: Was machen Jobcenter vermittlerisch mit jenen Teilnehmenden, denen vom Arbeitgeber gekündigt wurde?
Frauen und Personen mit Migrationshintergrund sind im Programm deutlich unterrepräsentiert, was möglicherweise auf ihre Benachteiligung schließen lässt.
1Alle Daten: Bundesverwaltungsamt