Arbeitsgelegenheiten 2022: Bestand, Teilaktivierungsquoten und Maßnahmekosten

Arbeitsgelegenheiten gem. § 16d SGB II existieren seit 2005. Sie gehen auf die Hilfen zur Arbeit gemäß dem Bundessozialhilfegesetz zurück und davor bis hin zum Reichsarbeitsdienst. Sie wurden stark kritisiert, weil sie mit lock-in Effekten verbunden seien und somit kontraproduktiv zur Eingliederung in Arbeit stünden. Auch wurde angenommen, dass sie ungeförderte Arbeitsplätze gefährden (Hammer 2008, siehe auch hier). Deshalb wurde der Paragraf verschiedentlich verändert, was vor allem 2012 einen Einbruch der Bestandszahlen bewirkte. Arbeitsgelegenheiten (AGH) sind zusätzliche Arbeiten im öffentlichen Interesse, die wettbewerbsneutral sind.

Bestand 2006 bis 2022

Die Zahl der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II wird seit Jahren kontinuierlich zurückgefahren (s. Hier und hier). Bis 2010 lagen die Bestandszahlen bei über 300.000 Teilnehmenden (bis 2012 einschließlich der Entgeltvariante), bis 2013 noch bei über 100.000. Seither nähert sie sich der 50.000-Grenze. Der Bestand lag 2022 bei 51.023 (2021: 54.265).

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Teil-Aktivierungsquoten

Die Intensität der Nutzung durch die Jobcenter streut regional sehr stark. Erkennbar wird dies durch die sog. Teil-Aktivierungsquote (Anteil der Teilnehmenden in Arbeitsgelegenheiten an den Arbeitslosen und den Teilnehmenden an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Rechtskreis SGB II).

Die AGH-Teil-Aktivierungsquote betrug 2022 2,6 % in Deutschland (2021: 2,7 %, 2020: 3,1 %). Das ist ein deutlicher Rückgang, was den Trend eines sinkenden AGH-Einsatzes widerspiegelt. Die niedrigsten Quoten wiesen Hessen mit 1,4 % und Niedersachsen mit 1,5 % auf. An der Spitze lag Sachsen-Anhalt mit 7,0 (2021: 8,2 %, 2020: 9,3 %), dem sechsfachen Wert des Bundeslandes mit der niedrigsten Quote. Dieser hohe Wert ist wie in den Vorjahren auffällig.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Die ostdeutschen Bundesländer weisen durchweg hohe Quoten auf – sowohl 2022 als auch 2021 und 2020. Für Ostdeutschland, insbesondere für Brandenburg, sowie Rheinland-Pfalz lässt sich darüber hinaus sagen, dass in 2022 die zugelassenen kommunalen Jobcenter daran einen relevanten Anteil ausmachen. Ohne die zugelassenen kommunalen Jobcenter beträgt beispielsweise in Brandenburg die Teil-Aktivierungsquote 2,9 % (mit: 4,6 %). In Westdeutschland hat das Saarland gleichfalls eine hohe Aktivierungsquote. Die regionalen Unterschiede lassen sich vermutlich mit einer entsprechend unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit des jeweiligen Arbeitsmarktes erklären.

AGH-Maßnahmekosten

Die durchschnittlichen Kosten für eine Arbeitsgelegenheit pro Teilnahme und Monat ohne Mehraufwandsentschädigung für Teilnehmende lag im bundesweiten Durchschnitt bei 527 Euro (2021: 477 Euro, 2020: 406 Euro; Zahlen nur für Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen).

Auch bei den Maßnahmekosten gibt es regionale Unterschiede. Der Kostensatz lag am niedrigsten in Baden-Württemberg mit 301 Euro (2021: 285 Euro, 2020: 260 Euro), gefolgt vom Saarland (319 Euro). In 2021 war Mecklenburg-Vorpommern mit 264 Euro am niedrigsten, 2020 Sachsen-Anhalt mit 254 Euro. Am meisten wurden in 2022 wie 2021 und 2020 in Hamburg und Bremen pro Teilnahme im Monat gezahlt. Im Hamburg lag der Kostensatz bei 1.319 Euro (2021: 986 Euro, 2020: 957 Euro) und in Bremen bei 897 Euro (2021: 847 Euro, 2020: 823 Euro). Die Maßnahmevergütung war in Hamburg 4,3-fach so hoch wie in Baden-Württemberg. Der große Abstand der Stadtstaaten Hamburg und Bremen von den anderen Bundesländern sticht heraus. Es kann vermutet werden, dass die Maßnahmeträger vermutlich für eine vergleichbare Leistung unterschiedlich vergütet werden.

nur gE; Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Dabei hat sich in Hamburg der Kostensatz 2022 um 33,7 % gegenüber 2021 (2021 rund 33 % gegenüber 2020) erhöht. Die größte Steigerung in 2022 gegenüber dem Vorjahr ist in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen mit einem Plus von 35 %. In Deutschland gesamt betrug die Steigerung 2022 gegenüber 2021 10,5 %. In allen Bundesländern wurde der Kostensatz gesteigert, wenn auch im Saarland nur in sehr geringem Umfang mit 0,2 % und Nordrhien-Westfalen mit 1,0 %.

Statistisch gesehen besteht kein aussagekräftiger Zusammenhang zwischen Maßnahmekosten pro Teilnahme und Monat und der Teilaktivierungsquote. Es ist also nicht so, dass eine hohe Aktivierung mit AGH nur mit geringen Maßnahmekosten möglich wäre.

Welchen Einfluss die politisch angeordneten pandemiebedingten Einschränkungen auf die Veränderungen 2021 gegenüber 2020 hatten, lässt sich aus den Daten nicht erschließen. Es ist bei den Teilnahmezahlen eher von regionalen Besonderheiten auszugehen. Die deutliche Steigerung der Maßnahmekosten in 2021 ggü. dem Vorjahr könnte aber auch damit erklärt werden, dass die Jobcenter den AGH-Trägern bei geringeren Teilnehmerzahlen (wegen der Pandemie) eine vergleichbare Summe wie bisher gezahlt haben, und so die Kosten pro Teilnahme gestiegen sind. Ergänzend oder alternativ könnten Jobcenter auch die Maßnahmekosten erhöht haben und dadurch eine SodEG-Beantragung durch die Träger überflüssig machten (s. hier).

Nach dem Ende der Pandemie sind die AGH-Kosten pro Monat und Teilnahme 2022 im Vergleich zu 2021 erneut gestiegen. Die vorgenannten Gründe sind hierfür kaum zur Erklärung geeignet. Die gestiegenen Energiekosten werden vermutlich nur einen Teil ausmachen. Möglicherweise erhöhen die Jobcenter mit einem AGH-Bedarf die Vergütungen bei den Trägern, um ein Minimum an AGH-Angeboten aufrechtzuerhalten. Bei geringeren Teilnahmezahlen steigen die Kosten pro Teilnahme. So muss ein Träger eine Grundausstattung mit Räumlichkeiten, Anleitung und Sozialpädagogik bereithalten, ob nun 5, 10 oder 15 AGH-TeilnehmerInnen laufend gefördert werden. Würde diese Vermutung zutreffen, wäre bei gleichem Eingliederungsbudget eine Stabilisierung der Teilnahmezahlen auf dem Niveau von 50.000 für 2023 anzunehmen.

Literatur

Hammer 1999: Die Implementation von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz durch die Träger aus Sicht der Maßnahmeträger. Östringen, 1999

Hammer 2008: Erfahrungsaustausch zu Arbeitsgelegenheiten, Jobperspektive und SWL – aktuelle Hammer 2011: Rahmenbedingungen für Beschäftigungsgesellschaften. In: Forum Arbeit 2/2008, S. 27ff

Ein Jahr Bürgerarbeit – Überblick über den aktuellen Stand. In: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit., Nr. 6/2011, S. 415-425

Hammer 2016: Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität und öffentliches Interesse. In: Forum Arbeit, Nr. 4/2016, S. 16-19

Dieser Beitrag wurde unter Arbeitsgelegenheit, SGB II abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Arbeitsgelegenheiten 2022: Bestand, Teilaktivierungsquoten und Maßnahmekosten

  1. Pingback: Arbeitsgelegenheiten 2022: Bestand, Teilaktivierungsquoten und Maßnahmekosten – bag arbeit e.V.

Kommentare sind geschlossen.