CDU fordert Arbeitspflicht

Der CDU-Vizevorsitzende Carsten Linnemann plädiert dafür, Arbeitslose zur Annahme von Jobangeboten zu verpflichten, wenn sie gesundheitlich arbeitsfähig sind und Bürgergeld beziehen. Linnemann befürwortet ein Modell, bei dem Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten erneut eine Anstellung finden müssen oder Jobs durch Kommunen zugeteilt bekommen. „Zur Konsequenz einer Nichtannahme befragt, wies Linnemann auf das Bundesverfassungsgericht hin, das entschieden habe, dass Bürgergeldempfängern die Mittel bis zu 30 Prozent gekürzt werden dürften. „Dieser Spielraum muss genutzt werden, ebenso die Möglichkeit, Sach- statt Geldleistungen zu vergeben.“ Linnemann erläuterte: „Jeder, der Sozialleistungen in Deutschland erhält und arbeiten kann, hat auch eine Bringschuld. Ansonsten werden wir die Akzeptanz unseres Sozialsystems verlieren.““ (https://www.fr.de/politik/empfaenger-cdu-arbeitspflicht-linnemann-union-buergergeld-zr-92345965.html) (Hervorhebungen: AH)

Diese Vorschläge könnten sowohl dem Grundgesetz wie dem Völkerrecht widersprechen.

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So bestimmt das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957, der Internationalen Arbeitsorganisation in Artikel 1:

„Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und in keiner Form zu verwenden

a) als Mittel politischen Zwanges oder politischer Erziehung oder als Strafe gegenüber Personen, die gewisse politische Ansichten haben oder äußern oder die ihre ideologische Gegnerschaft gegen die bestehende politische, soziale oder wirtschaftliche Ordnung bekunden;

b) als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung;

c) als Maßnahme der Arbeitsdisziplin;

d) als Strafe für die Teilnahme an Streiks;

e) als Maßnahme rassischer, sozialer, nationaler oder religiöser Diskriminierung.“

Demnach ist eine von der CDU gewünschte Pflichtarbeit völkerrechtlich ausgeschlossen.

Auch nach dem Grundgesetz. In Art. 12 steht:

„(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“

Mit dem Grundgesetz (Art 12.) ist auch eine Arbeit, die durch Kommunen zugeteilt werden soll, möglicherweise grundgesetzwidrig (Grundrecht, Arbeitsplatz frei zu wählen:

„(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“

Schließlich ist eine in diesem Zusammenhang genannten Durchsetzung einer Pflicht zur kommunalen oder gemeinnützigen Arbeit ordnungspolitisch fragwürdig, wenn auch rechtlich machbar. So könnten beispielsweise Heime oder Klinken in kommunaler Trägerschaft wirtschaftliche Vorteile durch Arbeitsverpflichtete im Vergleich zu Heimen oder Kliniken in privater Trägerschaft bekommen.

Obgleich die Rechtslage eine Arbeitspflicht eher ausschließt, gibt es in Deutschland schon lange eine Pflicht, zumutbare Arbeit aufzunehmen. Das obige Zitat von Linnemann stellt die gegenwärtige Rechtslage entgegen den Fakten so dar, als dass es keine Pflichtarbeit gebe. Sie besteht beispielsweise im SGB II (Bürgergeld) und im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 Arbeitsgelegenheiten).

Wer eine zumutbare Arbeit nicht aufnimmt, dem kann im SGB II das Bürgergeld gemindert werden (Sanktion). Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 waren die bis dahin geltende Rechtslage verfassungswidrig. Eine Sanktion ist nur unter engen Bedingungen möglich. Nun suggeriert die CDU, dass die vom Bundesverfassungsgericht genannte Möglichkeiten von den Jobcentern nicht genutzt werden. Der von Linnemann erwähnte „Spielraum“ besteht aber nicht, wenn die Jobcenter rechtskonform arbeiten. Eine Leistungsminderung ist beispielsweise bei Härtefällen ausgeschlossen. Ob ein Härtefall vorliegt oder nicht, ist kein „Spielraum“, sondern eine Frage des Ermessens, also einer Entscheidung des Jobcenters, die gerichtsfest nachprüfbar sein muss.

Umgekehrt gibt es in der Erklärung der Menschenrechte, die auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde, ein Recht auf Arbeit, das noch von keiner Bundesregierung umgesetzt wurde, und wofür sich weder die CDU noch eine andere aktuelle Bundesregierungspartei einsetzt. Im Gegenteil hat Herr Linnemann 2018 sicher behauptet, dass wer zwei Jahre und länger arbeitslos ist, dies auch nach fünf Jahren trotz Förderung ist. Soviel zur Bringschuld der Arbeitslosen.

Vielleicht sollten die Jobcenter dazu übergehen, Arbeitsgelegenheiten für Bürgergeld-BezieherInnen bei den Bundestagsabgeordneten einzurichten.

Und die Medien sollten nicht nur die Arbeitspflicht-Forderung der CDU unter die Leute bringen, sondern Hinweise auf deren rechtliche Fragwürdigkeit.

Selbstverständlich ist die Rechtslage auch der CDU bekannt. Es handelt sich hier vermutlich um Populismus auf Kosten von Arbeitslosen. Solche Forderungen tragen dazu bei, dass das Sozialleistungssystem an Akzeptanz verliert.

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