Der 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflegenden, in Erinnerung an Florence Nightingale.
Bei Pflegenden denken die meisten an Pflegebedürftige und Pflegefachkräfte und die Engpässe in Pflegeheimen. Schließlich wird auch an die pflegenden Angehörigen gedacht. Unter ihnen ist eine relevante Gruppe von sog. Hartz-IV-Empfänger/innen. Zu den pflegenden Angehörigen im Leistungsbezug Arbeitslosengeld II werden bis heute keine Statistiken veröffentlicht. Man ist deshalb auf Befragungen angewiesen.
Was ist die Besonderheit bei pflegenden Angehörigen mit Leistungsbezug Arbeitslosengeld II?
Einer Untersuchung des IAB (2012) zufolge, pflegen 7,45% der Befragten mit Leistungsbezug Arbeitslosengeld II Verwandte oder Bekannte (im folgenden als Angehörige zusammengefasst). Davon sind 60% – also der überwiegende Teil – Frauen, was einem Anteil von 4,48% entspricht. In einer Evaluation des Projektes „Beratungszentrum Frau und Beruf – Fabé“ (s. http://social-support.info/41788/41606.html) von social support GmbH liegt der Anteil bei 3,6% (n=533).
Eine Besonderheit von Arbeitslosengeld-II-Beziehenden ist die Zumutbarkeit von Arbeit nach § 10 SGB II. Eine Arbeit ist erst dann nicht mehr zumutbar, wenn der Pflegeaufwand mindestens fünf Stunden am Tag beträgt. Liegt der tägliche Pflegeaufwand unter fünf Stunden, kann das Jobcenter die Aufnahme einer Beschäftigung verlangen und ggf. sanktionieren (Leistungskürzung). Andererseits ist das Jobcenter nach §16a SGB II verpflichtet Leistungsberechtigten Leistungen zur häuslichen Pflege von Angehörigen zu gewähren, wenn die Pflege ein Hindernis bei der Beschäftigungsaufnahme darstellt.
Einer weiteren Untersuchung (2011) zufolge kann eine Pflegetätigkeit von 10 Stunden und mehr ein Hindernis beim Eintritt in Erwerbsarbeit sowie eine geringere Wahrscheinlichkeit den Leistungsbezug Arbeitslosengeld II zu verlassen bedeuten (Achatz und Trappmann 2011). Außerdem kann eine solche Pflegetätigkeit ein Hindernis bei der Ausweitung von Minijobs oder Teilzeitbeschäftigung mit sich bringen.
Es geben nur 2,5% der Pflegenden (IAB 2012) an, dass sie eine Unterstützung durch ihr Jobcenter erhalten haben. Es ist demnach von einem Bedarf an Beratung und Unterstützung durch die Jobcenter auszugehen. Es ist darüber hinaus anzunehmen, dass Pflegende im Leistungsbezug Arbeitslosengeld II zusätzliche Vermittlungshemmnisse haben (z.B. eigene gesundheitliche Situation, Langzeitarbeitslosigkeit). Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung müssten alle Vermittlungshemmnisse beseitigt werden, was von den Jobcentern mehr als die Unterstützung bei der Pflege erfordert.
Dem IAB (2012) zufolge sind Pflegende in einem geringeren Umfang erwerbstätig als Nicht-Pflegende mit Leistungsbezug (20% gegenüber 26%). Es ist noch ungeklärt, ob die Pflegetätigkeit bzw. Pflegezeit ursächlich für die Nicht-Erwerbstätigkeit ist oder ob umgekehrt, die erfolglosen Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit zur Aufnahme der Pflegetätigkeit geführt haben. Unabhängig von der Richtung der Kausalität kann von einem Problem der Vereinbarkeit Beruf und Pflegearbeit ausgegangen werden. Da Frauen häufiger als Männer pflegen sind die Frauen von dieser Problematik häufiger betroffen.
In der Fabé-Projektevaluation sind pflegende Frauen im Mittel signifikant (p = 0,006) älter als Nicht-Pflegende (45,8 Jahre gegenüber 38,8 Jahren). Es ist plausibel, dass mit höherem Alter die Eltern pflegebedürftiger sind. Pflegende haben im Mittel auch mehr Kinder.
Auffällig ist aber vor allem, dass 31,6% der pflegenden Frauen alleinerziehend sind. Aus Interviews mit den Fabé-Maßnahmeteilnehmerinnen hat sich ergeben, dass bei ihnen oft ein nur von kurzen Zeiten unterbrochener, ansonsten nahtloser Übergang aus der Betreuung der Kinder als Alleinerziehende in die Pflege von Angehörigen wie Eltern oder Großeltern von Statten geht. Bleibt bei diesen Langzeit-Pflegenden das Problem der Vereinbarkeit Beruf und Pflegearbeit unbearbeitet, droht eine Verfestigung des Leistungsbezugs, die Entwertung erworbener formaler Bildungsabschlüsse und eine zunehmende Arbeitsmarktferne.
Beim Internationalen Tag der Pflegenden sollte deshalb auch jenen Alg-II Empfängerinnen gedacht werden, die Angehörige pflegen und im Leistungsbezug sind. Sie sind keine, die sich in einer sozialen Hängematte ausruhen, sondern kostenlos eine wertvolle Arbeit leisten. Sie benötigen die Unterstützung aller Beteiligten.
Achatz, Juliane; Trappmann, Mark (2011): Arbeitsmarktvermittelte Abgänge aus der Grundsicherung. Der Einfluss von personen- und haushaltsgebundenen Arbeitsmarktbarrieren. IAB-Discussion Paper 2/2011. Nürnberg: IAB
Hohmeyer, Katrin; Kopf, Eva; Fiebig, Mareike; Grüttner, Michael (2012) :Pflegetätigkeiten von Personen in Haushalten mit Arbeitslosengeld-II-Bezug: Eine deskriptive Betrachtung, IAB-Forschungsbericht, No. 10/2012
social support: Projekt-Evaluation Fabé (http://social-support.info/41788/41606.html).