Ist Teilhabe am Arbeitsmarkt (zu) teuer?

Die Planungen des Bundeshaushalts, insbesondere des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, für die Jahre 2024 und 2025 haben bei den Akteuren Jobcenter, Träger und Verbände zu lebhaften Diskussionen geführt. Die Jobcenter gehen davon aus, dass die Mittel für Eingliederungsleistungen gekürzt oder zumindest nicht erhöht werden (s. auch). In der Folge wurde und wird der Instrumenteneinsatz anders priorisiert. In diesem Zusammenhang ist immer wieder zu hören, dass das Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II zu teuer sei. Damit wird die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden gefördert, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahren sechs Jahre Arbeitslosengeld II/Bürgergeld bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht (s. Teilhabechancengesetz).

Weil dieses Instrument zu teuer sei, werden von Jobcentern Neubewilligungen ganz ausgesetzt oder nur noch Nachbesetzungen vorgenommen. Teams, die für die „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zuständig waren, wurden mancherorts aufgelöst.

Nun stellt sich die Frage, was „zu teuer“ konkret bedeutet. Die Antwort ist nur im Vergleich mit anderen Instrumenten möglich. Der nächste Vergleich bietet sich mit den Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II (s. Arbeitsgelegenheiten) an, da beide Instrumente zu den beschäftigungsschaffenden Instrumenten gezählt werden. Der Vergleich wird nachfolgend anhand einer Überschlagsrechnung vorgenommen.

Die Ausgaben für Arbeitsgelegenheiten pro Förderung und Monat betrugen im Jahr 2022 laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit 619 Euro (Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit).

Bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt lag dieser Betrag bei 1.371 Euro (Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit).

Bei der Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt kann jedoch der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) zum Tragen kommen. D. h. für jeden Fördermonat kann das Jobcenter für einen Alleinstehenden 800 Euro pro Monat und Förderung wieder „einnehmen“ und damit das Budget für Eingliederungsleistungen erhöhen. Für andere Konstellationen von Bedarfsgemeinschaften (z. B. mehr als eine Person) betragen die Pauschalen 1.000 Euro bzw. 1.100 Euro (Pauschalen ab 2023).

Beispielrechnung für den § 16i SGB II:

Ein Arbeitgeber beantragt für ein Beschäftigungsverhältnis von 20 Wochenstunden und einem Mindestlohn von rund 12,50 Euro eine 100 %-ige Förderung. Das ergibt für einen Monat einen Betrag von 1.310 Euro, einschließlich Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers. Dies ist vom Jobcenter aus dem Eingliederungstitel (EGT) zu finanzieren.

Nun kann das Jobcenter eine PAT-Pauschale geltend machen, die aus den Passivleistungen in den EGT gebucht wird. Wird diese Pauschale für die Finanzierung der Ausgaben von § 16i SGB II herangezogen, sinkt der Netto-Aufwand für § 16i SGB II. Bei einer PAT-Pauschale von 800 Euro beträgt der Aufwand für einen Monat Förderung des vorgenannten Beispiels auf 510 Euro. Ist die Stundenzahl höher als 20 Wochenstunden oder der Lohn höher als der Mindestlohn, dann ist der Netto-Aufwand entsprechend höher. Dabei wird kein EGT oder Ausgaben gespart, sondern die Einnahmen des Jobcenters werden erhöht (EGT+PAT).

In einem solchen Vergleich sind im durchschnittlichen Netto-Ausgaben für die Förderung von Teilhabe am Arbeitsmarkt geringer für als eine Arbeitsgelegenheit. Die Behauptung, dass Teilhabe am Arbeitsmarkt (zu) teuer sei, trifft nicht zu. Dieses Ergebnis könnte bei der Priorisierung des Instrumenteneinsatzes von den Jobcentern stärker berücksichtigt werden.

Rechnet man den PAT zu den Ausgaben dazu, dann liegt der Durchschnitt der Ist-Kosten für § 16i SGB II im Jahr 2022 bei rund 1.900 Euro im Monat und TeilnehmerIn bei den gemeinsamen Einrichtungen. Bei dieser Sichtweise ist § 16i SGB II rund drei mal so hoch als eine Arbeitsgelegenheit. Aber auch bei dieser Darstellungsweise lassen sich die Ausgaben senken, wenn man die Wochenstundenzahl reduzieren würde.

Die Förderdauer bei § 16i SGB II könnte noch als Argument gegen ihren Einsatz angeführt werden. Aber auch Arbeitsgelegenheiten und andere Instrumente können bis zu drei Jahre gefördert werden.

Aufgrund von Rückmeldungen wurde der Beitrag am 26.4.24 überarbeitet.

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