Zusätzlichkeit der Arbeitsgelegenheiten wurde gestrichen

Mit dem sog. Rückführungsverbesserungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rückführung) wurde die Zusätzlichkeit einer Arbeit als Voraussetzung für eine Förderung bei Asyl-Arbeitsgelegenheiten (Asyl-AGH) gestrichen.

Das Gesetz wurde am 26.2.2042 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 27.2.204 in Kraft.

Die Streichung der Zusätzlichkeit war im Gesetzesentwurf noch nicht vorgesehen (s. Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge). Sie kam erst aufgrund einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat (Drucksache 20/10090, 17.01.2024 ) zur Beschlussfassung.

Bisher war bei Asyl-AGH Zusätzlichkeit erforderlich und § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) besagte, dass die zu leistende Arbeit, zu der AsylbLG-Berechtigte verpflichtet werden konnten, sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden durfte (s. Pflichtarbeit für Asylbewerber? Gibt es schon und 25 Jahre Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – Entwicklung 1994 bis 2019 )

Neu eingefügt in die Rechtsgrundlage wurde stattdessen das schwächere Kriterium, dass das Ergebnis Arbeit der Allgemeinheit zukommen sollte.

Entgegen der Berichterstattung in den Medien handelt es sich weder bisher noch künftig um eine gemeinnützige Arbeit. Eine solche gibt es bereits mit dem Ende des Bundessozialhilfegesetzes nicht mehr. Dass eine Arbeit der Allgemeinheit zukommen sollte, ist unter anderem bei Zivildiensttätigkeiten als Ersatzdienst ein Kriterium. Das Kriterium der Allgemeinheit bedingt nicht, dass die Organisation gemeinnützig sein muss.

Die neue Fassung des Absatz 1 des § 5 AsylbLG lautet

(1) In Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und in vergleichbaren Einrichtungen sollen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden; von der Bereitstellung dieser Arbeitsgelegenheiten unberührt bleibt die Verpflichtung der Leistungsberechtigten, Tätigkeiten der Selbstversorgung zu erledigen. Im Übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.

In der Beschlussempfehlung des Ausschusses steht, dass mit dem neu aufgenommenen Kriterium, dass das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dienen muss, eine Abgrenzung der Arbeitsgelegenheit von einem regulären Arbeit- und Beschäftigungsverhältnis sichergestellt wird.

Weiter wird hervorgehoben, dass privatwirtschaftliche Unternehmen von der Umsetzung der AGH ausgeschlossen wären („Der Einsatz von Arbeitsgelegenheiten bei privatwirtschaftlichen Unternehmen bleibt ausgeschlossen.“). Allerdings zählen auch gemeinnützige Wohlfahrtsverbände zu privatwirtschaftlichen Unternehmungen. Der Ausschluss von privatwirtschaftliche Unternehmungen, die gewinnorientiert arbeiten, ergibt sich nur aus der Aufzählung „staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern“.

Diese bisherige Fördervoraussetzung Zusätzlichkeit wurde bereits vor rund 100 Jahren eingeführt (s. Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge). Hintergrund war enordnungspolitische Befürchtungen von negativen Effekten auf Unternehmen (Wettbewerbsverzerrung, Subsistenz- und Mitnahmeeffekte; s. Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge). In diesem Kontext wunden auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), für die dieses Kriterium auch galt, abgeschafft. Mit der neuen Formulierung werden diese Probleme nicht vermieden, sie werden mit dem Verzicht auf die Zusätzlichkeit eher größer.

Wurde von der Bundesregierung und den Bundesländern im November 2024 die Streichung noch mit der Reduzierung des Prüfwands (der ja auf den Schutzmechanismus hinweist) der AGH erklärt, so ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses hier offener: „Die Anpassung soll den das AsylbLG durchführenden Ländern und Kommunen ermöglichen, die nach dem AsylbLG bestehenden Regelungen zu Arbeitsgelegenheiten in breiterem Maße zu nutzen.“ Die Änderungen wurden also vorgenommen um eine größere Zahl von AsylbLG-Berechtigten zur Arbeit zu verpflichten zu können.

Dies wäre mit dem strengeren Knierum der Zusätzlichkeit schwierig geworden. Dabei ist auch bei der Frage der Allgemeinheit ein Prüfaufwand gegeben.

Die Bundesregierung hat möglicherweise zusammen mit den Bundesländern populistischer Meinungsmache nachgegeben und selbst übernommen. Die alten Probleme bleiben, lediglich die Schläuche sind neu.

Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis Firmen, z. B. aus dem Bereich Garten-Landschaftsbau, sich beschweren, dass sie bestimmte Aufträge im Grünflächenbereich der Kommunen nicht mehr bekommen, da diese Asyl-AGH kostengünstig einsetzen. Dann kommt der Vorwurf, dass Flüchtlinge den hiesigen Arbeitenden oder Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Darauf ist vermutlich wieder mit einer populistischen Reaktion zu rechnen.

Das Kriterium der Zusätzlichkeit bei AGH im SGB II existiert im übrigen im SGB II weiter fort. Es wird konsequenterweise auch hier gestrichen werden müssen. Oder es ist auch dies dem Populismus folgend gewollt, um mehr als bisher Bürgergeldbeziehende zur Arbeit zu verpflichten (so z. B. CDU fordert Arbeitspflicht). Dagegen hat es viele Studien gegeben, die den AGH im SGB II eine Wettbewerbsverzerrung und einen sog. Lock-in-Effekt zuschrieben. Mit lock in-Effekt ist gemeint, dass sich die AGH-Teilnehmende nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewerben, wenn sie länger in AGH sind, was dann die Reduktion der Transferleistungen behindern soll. Und bis jetzt gibt es auch keine Überlegungen, ob und wie gut die AGH im AsylbLG eine Arbeitsintegration fördern.

Das Problem ist weniger, ob die AsylbLG-Berechtigten arbeiten oder nicht – wenn man will, dass sie arbeiten, gibt man ihnen einfachsten die Arbeitserlaubnis. Das Problem ist eher, das der Demokratie verpflichtete Parteien nationalvölkische Narrative übernehmen.

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