Nachfolgend sind einige Themen aus dem Ergebnispapier der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD zur Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgeführt.
Krankenkassenkosten
Konsens in den Koalitionsverhandlungen ist die vollständige Übernahme der Krankenkassenkosten der Bürgergeld-Leistungsberechtigten aus Steuermitteln. Das ist positiv zu bewerten.
Seit 20 Jahren zahlen die Jobcenter nur eine unzureichende Pauschale an die Krankenversicherungen. Den Rest zahlen die BeitragszahlerInnen mit ihren Löhnen und finanzieren damit eine gesellschaftliche Aufgabe. Nicht-Beitragspflichtige (z. B. Minijob, Nichterwerbstätige) wurden geschont.
Dabei geht um es enorme Summen: Schätzungen für das Jahr 2022 gehen von einer Finanzierungslücke von 9,3 Mrd. Euro aus.
Die Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen kalkuliert mit zusätzlichen 10 Mrd. Euro pro Jahr zu der bisherigen Kostenübernahme und zwar konstant für die gesamte Legislaturperiode. Dabei wird offenbar unterstellt, dass die Kosten der Krankenkassen für die Bürgergeldberechtigten über vier Jahre konstant bleiben und/oder die Zahl der Berechtigten nicht steigt.
Eine Folge der geplanten Änderung ist, dass der SGB II-Ansatz im Bundeshaushalt bereits für 2025 allein dafür um 10 Mrd. Euro steigen muss. Da die Union deutliche Kürzungen beim Bürgergeld angekündigt hat, steht eine Erhöhung in dieser Größenordnung im Widerspruch dazu.
Es wird bis zum Haushaltsbeschluss darauf zu achten sein, dass 1. nicht nur Beitragszahlende, sondern alle Steuerpflichtigen die Krankenkassenleistungen für Bürgergeld-Leistungsberechtigten schultern, und 2. die für diesen Zweck nötige Summe von 10 Mrd. Euro pro Jahr zweckgebunden in den Bundeshaushalten zusätzlich eingestellt wird.
Dann bleibt zu prüfen, ob eine Erhöhung der SGB II-Haushaltsposition nur dafür da ist, oder ob auch mehr Mittel für Eingliederung in Arbeit und personal vorgesehen wird.
Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt
Im Ergebnispapier der Koalitionsgruppe „Arbeit und Soziales“ ist „die schnelle und nachhaltige Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt mit einer Verbindung aus früher Arbeitserfahrung, berufsbegleitendem Spracherwerb und berufsbegleitender Weiterbildung/Qualifizierung“ Konsens.
Was beim Job-Turbo für Flüchtlinge nur bedingt funktioniert hat (https://kurzlinks.de/crzo), soll nun „dauerhaft vorangebracht“ werden. Frühe Arbeitserfahrung heißt schnelle Vermittlung in Arbeit und nicht bestes matching; berufsbegleitender Spracherwerb oder Weiterbildung setzt die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit sowie entsprechende Finanzmittel voraus.
Wenn die „Koalitionäre“ das tatsächlich umsetzen wollen, dann erfordert das eine erhebliche Ausweitung gegenüber dem bisherigen Status quo.
Die Umsetzung erfolgt aktuell aus drei Zuständigkeiten:
– Vermittlung durch Jobcenter,
– Spracherwerb über BAMF und
– Qualifizierung über die Agentur für Arbeit (SGB III).
Wenn an anderer Stelle mehrfach die „Leistung aus einer Hand“ postuliert wird, dann sollten die drei genannten Elemente beim Jobcenter gebündelt werden.
Hinzuverdienstregeln und Transferentzugsraten
Die CDU, CSU und SPD sind einem Ergebnispapier der Koalitionsverhandlungen nach einig, die Anreize für Sozialleistungsberechtigte ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen, zu stärken und dazu die Hinzuverdienstregeln und Transferentzugsraten anzupassen. Das hatte die Ampel-Regierung auch zum Ziel (s. https://kurzlinks.de/4mv0).
Damit wird den Wählerinnen und Wählern deutlich gemacht, dass Arbeitslose wegen unzureichende Arbeitsanreizwirkungen keine Beschäftigung aufnehmen.
Durch die Verbesserung des Hinzuverdienstes und der Transferentzugsraten würde die Zahl der Leistungsberechtigten unter sonst gleichen Bedingungen erhöht werden. Das SGB II würde demnach teurer werden als das bisherige System. Deshalb sind einer faktischen Erhöhung der Anreize auch Grenzen gesetzt.
Es soll auch lediglich der Zuverdienst verbessert werden, statt Schritte auf dem Weg zur existenzsichernden Beschäftigung einzuschlagen.
Im Übrigen würde es für alle Arbeitslosen, gesetzt den Fall, alle würden arbeiten wollen, gar nicht genügend offene Stellen.
Die vorgeschlagenen Lösungen scheinen wie bei den bisherigen Regierungen eher Teil des Problems zu sein und werden weder Massenarbeitslosigkeit noch prekäre Arbeit wirksam abbauen.
Strittige, haushaltsrelevante Punkte
Im Ergebnispapier der Koalitionsgruppe „Arbeit und Soziales“ ist seitens der SPD mindestens 1 Mrd. € zusätzlich für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit für die Jobcenter erwähnt. Und seitens der CDU/CSU ist die Rückverlagerung der Zuständigkeit für FbW und Reha an die Jobcenter eingebracht. Käme beides, hätten die Jobcenter nicht mehr Mittel zur Verfügung, da die 1. Mrd. € für FbW und Reha benötigt werden würden.