Lohnquote – seit 30 Jahren keine Besserung

Die Lohnquote kann einen Hinweis geben auf die Einkommensverteilung. Sie ist definiert als Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen (Bruttolohnquote bei Bruttoentgelten incl. Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung).

Trotz steigendem Volkseinkommen in den letzten 30 Jahren konnten abhängig Beschäftigte ihren Anteil daran nicht erhöhen. Die Bruttolohnquote zeigt seit 1991 eine leicht sinkende Tendenz. Als wesentlicher Faktor für Verteilungsverluste kann die Schwäche der Gewerkschaften bei der Durchsetzung höherer Löhne gelten (s. hier).

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18; eigene Berechnung und Darstellung

Das 30-jährige Mittel der Lohnquote liegt bei 69,7 Prozent. Der Höchstwert seit 1946 wurde im Jahre 1981 mit 73,6 % erreicht. Einen starken Rückgang gab es zwischen 2003 und 2008. Seit 2021 sinkt die Lohnquote wieder. Eine Erklärung dafür könnten steigende (Energie-) Preise sein.

Die Bundesregierung sollte es als ihre Aufgabe sehen, die breiten Masse der abhängig Beschäftigten bei einer Verbesserung der Einkommenssituation zu unterstützen.

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Eingliederung von Langzeitarbeitslosen – 25.000 Eintritte erreicht

Als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes soll der § 16e SGB II seit 1.1.2019 die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fördern (siehe auch hier und hier).

Im Mai 2022 betrug der Fallbestand 8.343 (vorläufige Zahl; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit). Das entspricht etwa dem Niveau vom Dezember 2019, also einem Jahr nach Einführung. Die Zahl der Eintritte lag bei 306. Sie liegt so niedrig wie nur beim Start des Instrumentes Januar 2019.

Seit September 2019 gehen die monatlichen Zugänge im Trend zurück (siehe auch hier und hier). Diese Entwicklung setzt also bereits deutlich vor der Corona-Pandemie ein. Die niedrigen Eintrittszahlen in den letzten Monaten sind insoweit bedenklich, als in der Pandemie die Zahl und der Anteil der Langzeitarbeitslosen besonders stark gestiegen ist (s. Anteil der Langzeitarbeitslosen an Arbeitslosen hat 10-Jahres-Hoch überschritten). Hier besteht großer Förder- und Handlungsbedarf, bei dem das dafür geschaffene Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ offensichtlich nicht wirkt oder nicht genutzt wird.

Seit Januar 2021 gehen außerdem die kontinuierlich Bestandszahlen zurück.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.

Insgesamt sind bislang rund 25.700 Personen über das Instrument gefördert worden. Andererseits sind rund 17.300 bereits wieder ausgeschieden, was deutlich mehr etwa zwei von drei Geförderten betrifft (67,6 Prozent).

Damit verbunden sind Teilnahmedauern von deutlich unter der Förderdauer von zwei Jahren. Der Jahresfortschrittswert November 2021 bezogen auf die Austritte mit abgeschlossener Teilnahmedauer liegt bei 568 Tagen (max. möglich 720; ohne Bayern). Die tatsächliche durchschnittliche Teilnahmedauer beträgt 252 Tage in Hessen, am anderen Ende steht das Saarland mit 667 Tagen (also mehr als das Doppelte als in Hessen). Diese regionale Bandbreite zeigt, dass die Pandemie alleine nicht den großen Umfang von vorzeitigen Förderenden bewirkt (s. hier).

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.

Der Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung der Förderung ist offensichtlich. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird vage von einer Weiterentwicklung gesprochen. Diese wird vermutlich erst 2023 gesetzlich geregelt. Bis dahin wäre es möglich, den Jobcentern untergesetzlich einen größeren örtlichen Ermessensspielraum zu geben.

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Arbeitslose ukrainische Staatsangehörige in Deutschland: Siedlungsstruktur

Die Zahl der Arbeitsuchenden in Deutschland hat im Juni 2022 zugenommen. Das liegt vor allem darin begründet, dass Flüchtlinge aus der Ukraine unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.6. 2022 Leistungen von den Jobcentern erhalten können und dadurch erst als arbeitsuchend (oder arbeitslos, eine Teilmenge davon) gezählt werden.

Somit kam es im Juni 2022 zu einem starken Anstieg. Im Juni (Stichtag 13.6.2022) waren rund 204.000 ukrainische Staatsangehörige (die Datenbeziehen sich nur auf sie und nicht auf andere Flüchtlinge aus der Ukraine) in Deutschland arbeitsuchend und 125.000 arbeitslos. Die Zahl der Arbeitsuchenden war im Juni ungefähr achtmal so hoch wie im Durchschnitt in 2021 (ca. 17.500 Personen).

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.

Die Daten werden sicherlich noch Ungenauigkeiten in der Erfassung erhalten – die Tendenz wird sich nicht ändern.

Siedlungsstruktur

Interessant ist die Siedlungsstruktur, in dem die arbeitslosen ukrainischen Staatsangehörigen wohnen.

Für die Typenbildung werden folgende Siedlungsstrukturmerkmale vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung herangezogen:

  • Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten
  • Einwohnerdichte der Kreisregion
  • Einwohnerdichte der Kreisregion ohne Berücksichtigung der Groß- und Mittelstädte

Auf diese Weise werden vier Gruppen unterschieden werden:

  • Kreisfreie Großstädte: Kreisfreie Städte mit mind. 100.000 Einwohnern
  • Städtische Kreise: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten von mind. 50% und einer Einwohnerdichte von mind. 150 E./km²; sowie Kreise mit einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte von mind. 150 E./km²
  • Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten von mind. 50%, aber einer Einwohnerdichte unter 150 E./km², sowie Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten unter 50% mit einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte von mind. 100 E./km²
  • Dünn besiedelte ländliche Kreise: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten unter 50% und Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte unter 100 E./km²

Von den rund 125.000 arbeitslosen ukrainischen Staatsangehörigen sind nur rund 3.000 im Rechtskreis SGB III, entsprechend beziehen 97,7 % Leistungen aus dem Rechtskreis SGB II von den Jobcentern.

Die arbeitslosen ukrainischen Staatsangehörigen im SGB III leben zu mehr als der Hälfte (relativ, nicht absolut) in Großstädten. Im SGB II ist das weniger häufig, hier sind es 30 %. Der größte Siedlungstyp sind im SGB II die städtischen Kreise. Deutlich häufiger kommen hier auch die ländlichen Räume vor.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.

Die städtischen Räume dominieren bei der Gruppe der arbeitslosen ukrainischen Staatsangehörigen, das liegt sicher an den Zugangswegen nach der Flucht nach Deutschland.

Die Verteilung der ausländischen Arbeitslosen im Jahr 2019 nach Siedlungsstruktur (als Anteil der ausländischen Arbeitslosen an den Arbeitslosen in %) zeigt, dass sie zu einem Drittel in Großstädten wohnen und zu einem höheren Anteil im ländlichen Raum als die ukrainischen Arbeitslosen.

Quelle der Daten: Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung

Mit besser abgesicherten Daten wird sich zeigen, ob es hier eine nach Rechtskreis verschiedene Entwicklung geben wird und ob sich die Verteilung der ukrainischen Arbeitslosen auf die Kreistypen jenen der AusländerInnen angleicht.

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Teilhabe am Arbeitsmarkt – Zugang nimmt ab

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Die Nutzung des Instruments stagniert seit über einem Jahr (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt am Maximum?). Sowohl für die Eintritte (bereits seit 5/2019, also vor der Pandemie) als auch für den Bestand (seit 1/2021) ist ein Rückgang zu beobachten (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt im Sinkflug 2021? und Teilhabe am Arbeitsmarkt – nur für 40.000?). Im Mai 2022 wurde 41.736 Personen gefördert (vorläufige Zahl); das entspricht dem Niveau vom Oktober 2020.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.

Ohne Vorförderung – also über die Überleitung von Geförderten aus anderen Förderinstrumenten in § 16i SGB II – von 14,5 % (März 2022) wären die Eintritte sicherlich noch niedriger. Die hohe Zahl an vorzeitigen Austritten (45,2 % ,gleitende 12-Monatssumme 3 /2022) trägt zum Bestandsabbau bei.

Erleichterungen im Zugang hätten untergesetzlich erfolgen können. So könnte der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen. Da solche Anpassungen nicht vorgenommen wurden, ist davon auszugehen, dass das erreichte Volumen das politisch gewünschte Maß erreicht hat.

Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – wird somit nicht dauerhaft und nur begrenzt eingelöst. Die im Koalitionsvertrag 2021-2025 angekündigte Entfristung des § 16i SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt – wird selbst nicht ausreichen, um den Bestand zu halten oder zu erhöhen. Das Instrument sollte in seinem Design geändert werden und der Bund mehr Mittel als bisher dafür bereitstellen.

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Gefangen zwischen der Covid-19 Krise und dem Krieg in der Ukraine

„Gefangen zwischen der Covid-19 Krise und dem Krieg in der Ukraine: die EU im Jahr 2022“ ist der Titel des neu erschienen EuroMemorandum 2022. Es wurde veröffentlicht von der EuroMemo Group, einer Gruppe europäischer Ökonomen für eine alternative Wirtschaftspolitik in Europa.

Download in englischer Sprache und als Kurzfassung in deutscher Sprache

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Leitfaden für Arbeitslose

Der nützliche „Leitfaden für Arbeitslose – Der Rechtsratgeber zum SGB III“ ist in der 36. Auflage 2022 beim Fachhochschulverlag erschienen. Darin auch ein Beitrag von mir zu den Förderprogrammen des Europäischen Sozialfonds in der neuen Förderperiode 2021-2028. https://www.fhverlag.de/produkt/leitfaden-fuer-arbeitslose-kopie/

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Arbeitsgelegenheiten 2021: Bestand, Teilaktivierungsquoten und Maßnahmekosten

Die Zahl der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II wird seit Jahren kontinuierlich zurückgefahren (s. Hier). Bis 2010 lagen die Bestandszahlen bei über 300.000 Teilnehmenden, bis 2013 noch bei über 100.000. Seither nähert sie sich der 50.000-Grenze.

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Die Intensität der Nutzung durch die Jobcenter streut regional sehr stark. Erkennbar wird dies durch die sog. Teil-Aktivierungsquote (Anteil der Teilnehmenden in Arbeitsgelegenheiten an den Arbeitslosen und den Teilnehmenden an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Rechtskreis SGB II).

Die AGH-Teil-Aktivierungsquote betrug 2021 2,7 % in Deutschland (2020: 3,1 %). Das ist ein deutlicher Rückgang, was den Trend eines sinkenden AGH-Einsatzes widerspeigelt. Die niedrigsten Quoten wiesen Hessen mit 1,6 % und Rheinland-Pfalz mit 1,3 % auf (beide jeweils 1,8 % in 2020). An der Spitze lag Sachsen-Anhalt mit 8,2 % (2020: 9,3 %), dem sechsfachen Wert des Bundeslandes mit der niedrigsten Quote. Dieser hohe Wert ist wie im Vorjahr auffällig.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Die ostdeutschen Bundesländer weisen durchweg hohe Quoten auf – sowohl 2021 wie auch 2020. Für Brandenburg lässt sich darüber hinaus sagen, dass die zugelassenen kommunalen Jobcenter daran einen relevanten Anteil ausmachen. In Westdeutschland hat das Saarland gleichfalls eine hohe Aktivierungsquote. Die regionalen Unterschiede lassen sich vermutlich mit einer entsprechend unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit des jeweiligen Arbeitsmarktes erklären.

Die durchschnittlichen Kosten für eine Arbeitsgelegenheit pro Teilnahme und Monat ohne Mehraufwandsentschädigung für Teilnehmende lag im bundesweiten Durchschnitt bei 477 Euro in 2021 (2020: 406 Euro; Zahlen nur für Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen). Auch hier gibt es regionale Unterschiede. Der Kostensatz lag in Mecklenburg-Vorpommern mit 264 Euro am niedrigsten (2020 am niedrigsten: Sachsen-Anhalt mit 254 Euro), gefolgt von Baden-Württemberg mit 285 Euro (2020: 260 Euro). Am meisten wurden in 2021 wie in 2020 in Hamburg und Bremen pro Teilnahme im Monat gezahlt. Im Hamburg lag der Kostensatz bei 986 Euro (2020: 957 Euro) und 847 Euro in Bremen (2020: 823 Euro). Die Maßnahmevergütung war in Hamburg 3,7-fach so hoch wie in Mecklenburg-Vorpommern. Der große Abstand der Stadtstaaten Hamburg und Bremen von den anderen Bundesländern sticht heraus. Deutlich wird, dass die Maßnahmeträger vermutlich für eine vergleichbare Leistung unterschiedlich vergütet werden.

nur gE; Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
nur gE; Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Dabei hat sich in Hamburg der Kostensatz um rund 33 % gegenüber 2019 erhöht und 2021 gegenüber 2020 um 3 % (Bremen: 2020 ggü. 2019 rd. 30 %, 2021 ggü. 2020 2,8 %). In Deutschland gesamt betrug die Steigerung 2020 ggü. 2019 2,6 % und 2021 ggü. 2020 17,5 %). Mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern (2021 ggü. 202: Minus 13,2 %), das sowohl 2020 wie auch 2021 einen unterdurchschnittlichen Kostensatz zeigt, stiegen die Kosten in 2021 ggü. dem Vorjahr an. Die größte Steigerung wiesen Berlin mit 32,5 % und Sachsen-Anhalt mit 32,2 % auf.

Statistisch gesehen besteht kein aussagekräftiger Zusammenhang zwischen Maßnahmekosten pro Teilnahme und Monat und der Teilaktivierungsquote.

Welchen Einfluss die politisch angeordneten pandemiebedingten Einschränkungen auf die Veränderungen hatten, lässt sich aus den Daten nicht erschließen. Es ist bei den Teilnahmezahlen eher von regionalen Besonderheiten auszugehen. Die deutliche Steigerung der Maßnahmekosten in 2021 ggü. dem Vorjahr könnte aber auch damit erklärt werden, dass die Jobcenter den AGH-Trägern bei geringeren Teilnehmerzahlen (wegen der Pandemie) eine vergleichbare Summe wie bisher gezahlt haben, und so die Kosten pro Teilnahme gestiegen sind. Ergänzend oder alternativ könnten Jobcenter auch die Maßnahmekosten erhöht haben und dadurch eine SodEG-Beantragung durch die Träger überflüssig machten (s. hier).

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Arbeitslosigkeit bei Jobcentern reduziert

Die registrierte Arbeitslosigkeit verteilt sich seit 2005 auf zwei Rechtskreise: das SGB III, zuständig die Bundesagentur für Arbeit, und das SGB II, zuständig die Jobcenter.

Die Gesamtarbeitslosenquote ist im Trend seit 2007 gesunken (die Jahre 2005 und 2006 sind statistisch nicht sehr belastbar). Nach Rechtskreisen differenziert ist die Arbeitslosenquote des SGB II höher als die des SGB III, allerdings ist die Arbeitslosenquote im SGB II deutlicher gesunken als im SGB III.

In der langen Zeitreihe sind saisonale Muster erkennbar, die vor allem im SGB III ausgeprägt sind. Die Zuwanderung von Flüchtlingen in 2015 und 2016 ist nur in geringem Umfang auffällig. Wesentlicher Anstieg der Arbeitslosenquoten erfolgte durch die SARS-CoV-2-Pandemie. Durch den geplanten Rechtskreiswechsel der Flüchtlinge aus der Ukraine in das SGB II zum 1.6.2022 wird sich die Arbeitslosenquote des SGB II weiter erhöhen. Sie wird dann trotzdem vermutlich noch unter den Werten von 2007 oder 2008 liegen.

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Förderung von Arbeitslosen durch Maßnahmen gesunken

Arbeitslose werden neben der Beratung vor allem durch Maßnahmen gefördert. Im Folgenden wird die Entwicklung der Jahre 2018 bis 2021 verglichen, also etwa zwei Jahre vor und zwei Jahre in der Sars-CoV-2-Pandemie (1/2018 bis 2/2020; 3/2020-3/2022).

Die Pandemie hat erwartbar die Zahl der Einritte in Maßnahmen gesenkt. Im Rechtskreis SGB III im Mittel um rund 5.000 Einritte gesenkt, etwa 6 %. Im Rechtskreis SGB II ist der Rückgang deutlicher: etwa 30.500 Einritte weniger, was rund 27 % ausmacht. Dieser große Unterschied ist erklärungsbedürftig. Denn pandemiebedingte Einschränkungen waren regional gleich und nicht vom Rechtskreis abhängig. Die für den Rechtskreis SGB II zuständigen Jobcenter haben offensichtlich ihre Förderverhalten verändert. Eine andere Erklärung wäre, dass die Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II weniger gut gefördert werden konnten, weil sie beispielsweise stärker von der Pandemie betroffen waren (beeinflusst durch Branchen, Gesundheitszustand usw.)

Der Anteil des Rechtskreises SGB II an allen Eintritten ist folglich über die gesamte Zeit gefallen. Vor der Pandemie lag der Durchschnittswerte bei 57,2 %, während der Pandemie bei 54,5 %. Die durchschnittliche Förderung in der gesamten Zeit ist im SGB II stärker gefallen als im SGB III.

Bisherige saisonale Muster sind erhalten geblieben: hohe Werte im September, dem Monat für Ausbildungsbeginn, niedrige Werte im Dezember, dem Monat, wo das Haushaltsjahr der Arbeitsverwaltung endet.

Auffällig sind bei den Anteilen der Rechtskreise die Septemberwerte. Jeweils im September hat der Rechtskreis SGB II einen sehr niedrigen Anteil an den Förderungen. Dann liegen die Anteile um die 45 %. Das lässt darauf schließen, dass im Rechtskreis SGB III hier verstärkt die Ausbildungsaufnahme gefördert wird.

Das erste Quartal 2022 zeigt noch keine Rückkehr zum Fördervolumen, wie es vor der Pandemie zu beobachten war. Die bisherigen Lockerungen haben noch keine Wende eingeleitet. Diese wäre aber nötig, da die Arbeitslosigkeit in der Pandemie angestiegen ist.

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Überstunden und 1 Mio. vermiedene Arbeitsplätze

In den letzten 30 Jahren lag die Zahl der Überstunden im jährlichen Mittel bei rund 2 Milliarden Stunden, davon zu fast gleichen Teilen bezahlte und unbezahlte Überstunden. Diese Überstunden fallen an, obgleich etwa 2,3 Mio. Menschen in 2022 arbeitslos waren und weitere unterbeschäftigt sind (d. h. Sie befinden sich beispielsweise in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung).

Quelle der Daten: IAB vom Februar 2022

Bereits vor über 100 Jahren wurde von Gewerkschaften angesichts der Zahl der Überstunden und gleichzeitigen Arbeitslosigkeit eine Überstundenkontrolle gefordert. Erwähnenswert ist hier die Amalgamated Engineering Union (AEU) der Metallindustrie im Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland. Sie bestand darauf, dass es keine Überstunden geben sollte, solange Arbeitslose beschäftigt werden könnten, und dass den Arbeitenden ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird.

1922 starteten die Arbeitgeber im Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch die Engineering Employers‘ Federation, eine branchenweite Aussperrung, um die von der Vorgängergewerkschaft der AEU während des Ersten Weltkriegs und in der Zeit danach erzielten Erfolge rückgängig zu machen. Sie nutzten den wirtschaftlichen Abschwung in der Maschinenbaubranche aus und verlangten von der Gewerkschaft, die Kontrolle über die Überstunden aufzugeben. Die Aussperrung dauerte vom 11. März bis zum 13. Juni und betraf 260.000 Arbeitnehmer, von denen 90.000 von der AEU vertreten wurden (Wikipedia, Eintrag AEU). Parallel fand im Übrigen ein Streik der Werftarbeiter statt. Beides wurde vor 100 Jahren in Deutschland beobachtet und ebenfalls eine Überstundenkontrolle gefordert.

Bei der Aussperrung handelte es sich um einen Prinzipienkonflikt:

  • die „Herr im Haus“-Position der Arbeitgeber wider die Solidarität der Arbeitenden und Arbeitslosen
  • der 8-Stundentag wider den 10-Stundentag
  • das Recht auf Arbeit wider eine große Zahl lohndrückender Arbeitsloser

Würde man die seit 1991 anfallenden Überstunden in Deutschland auf eine 39-Stunden-Woche verteilen, könnten im jährlichen Durchschnitt rund 1 Million Menschen zusätzlich beschäftigt werden, auf Arbeitsplätzen, die bisher vermieden wurden. Und selbst, wenn man nur die Hälfte der Überstunden umverteilen würde, könnten eine halbe Million Arbeitslose beschäftigt werden. Damit bleiben intern-zeitliche Anpassungen der Beschäftigung eines Betriebs weiterhin möglich. Bei einer Teilzeitbeschäftigung wären es entsprechend mehr Arbeitsplätze.

Insofern ist es widersprüchlich, wenn der Staat einerseits ein derart großes Volumen an Überstunden zulässt und andererseits Arbeitgebern Zuschüsse zahlt, wenn sie Arbeitslose einstellen (verschiedene Formen der Lohnkostenzuschüsse im SGB II und SGB III).

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