Teilhabe am Arbeitsmarkt und vorzeitige Austritte

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Für dieses Instrument sind bisher nur wenige Daten zu den Teilnahmedauern und den (vorzeitigen) Austritten veröffentlicht gewesen. Für 2020 und 2019 – die ersten beiden Jahre seit Gesetzesgültigkeit – gibt es nun erste Austritts-Daten zur Orientierung. Diese werden im Folgenden zusammengefasst präsentiert.

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Teilhabestärkungsgesetz stärkt Menschen mit Behinderung und Rehabilitandinnen und Rehabilitanden

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz) wurde am 22. April 2021 vom Bundestag beschlossen. Es bringt einige Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und Rehabilitandinnen und Rehabilitanden.

Regelungsinhalte des Teilhabestärkungsgesetzes

1. Trägerbestimmung und digitale Pflegeanwendungen – Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)

2. Verbesserung der Betreuung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden – Zweites und Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB III)

3. Antragsverfahren zum Kurzarbeitergeld in der Datenübermittlung – Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)

4. Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe – § 99 SGB IX

5. Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen – SGB IX

6. Digitale Gesundheitsanwendung in der Rehabilitation – SGB IX

7. Ausweitung des Budgets für Ausbildung – SGB IX

8. Assistenzhunde – Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG)

Im Folgenden wird auf die Neuerungen von arbeitsmarktpolitischer Bedeutung eingegangen.

Arbeitsmarktpolitische Bedeutung

Vorgesehen sind verschiedene Anpassungen im Bereich der Leistungserbringung und -koordinierung für Rehabilitandinnen und Rehabilitanden, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; „Hartz IV“) beziehen. Ihre Betreuungssituation in den Jobcentern soll verbessert werden, indem den Jobcentern die Möglichkeit eingeräumt wird, Leistungen zur Eingliederung in Arbeit neben einem Rehabilitationsverfahren zu erbringen. Das sog. „Leistungsverbot“ der Jobcenter bei Rehabilitandinnen und Rehabilitanden (§ 22 Absatz 2 SGB III) wird somit gelockert.

Durch eine Änderung des § 5 SGB II (Verhältnis zu anderen Leistungen) können nun nach eigenem Ermessen Leistungen nach den §§ 16a und 16b, 16d sowie 16f bis 16i SGB II auch an erwerbsfähige Leistungsberechtigte erbracht werden, sofern ein Rehabilitationsträger im Sinne des Neunten Buches zuständig ist. Die §§ 16c (Eingliederung von Selbständigen) und 16e (Eingliederung von Langzeitarbeitslosen) sind aufgrund ihrer Leistungskongruenz mit dem Portfolio der Rehabilitationsleistungen nach dem SGB IX von der Öffnung ausgenommen.

Auch ist damit der Zugang zu Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung und zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe verbessert worden. Mit der Einfügung des § 116 Absatz 5 SGB III ist beispielsweise eine Verlängerung einer durch die Jobcenter finanzierten außerbetrieblichen Berufsausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus möglich, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann.

Das Leistungsverbot für die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter soll partiell aufgehoben werden in Bezug auf die Leistungen nach den §§ 44 und 45 SGB III bzw. nach § 16 Absatz 1 SGB II i. V. m. §§ 44 und 45 SGB III. Die Vermittlungstätigkeit kann nun unmittelbar mit vermittlungsunterstützenden Leistungen flankiert werden.

Es wird im Gesetz sichergestellt, dass die Rehabilitationsträger und die Jobcenter die von ihnen zu erbringenden Leistungen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen nach den §§ 16a ff. SGB II) verbindlich koordinieren und aufeinander abstimmen. Zugleich werden alle Kommunikationswege für die Abstimmung und für den Austausch von Sozialdaten bei Zusammentreffen von Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB III und Rehabilitationsleistungen in diesem Verfahren gebündelt. Deshalb werden die Mitwirkungsmöglichkeiten der Jobcenter im Rehabilitationsverfahren gestärkt, bspw. im Teilhabeplanverfahren.

Fazit

Das Gesetz stärkt Menschen mit Behinderung und Rehabilitandinnen und Rehabilitanden durch zahlreiche Verbesserungen. Ob diese auch geeignet sind die Eingliederung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden in den Arbeitsmarkt deutlich zu beschleunigen, wird auszuwerten sein.

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Arbeitsgelegenheiten auf dem Tiefstand

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Arbeitsgelegenheiten gibt es seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (sog. Hartz IV; SGB II). Arbeitsgelegenheiten sind zusätzliche Arbeiten im öffentlichen Interesse, die wettbewerbsneutral sind. Sie gehen auf die Hilfen zur Arbeit gemäß dem Bundessozialhilfegesetz zurück und davor bis hin zum Reichsarbeitsdienst in den 1920er Jahren. Sie wurden stark kritisiert, weil sie mit lock-in Effekten verbunden seien und somit kontraproduktiv zur Eingliederung in Arbeit stünden. Auch wurde angenommen, dass sie ungeförderte Arbeitsplätze gefährden (Hammer 2008). Deshalb wurde die Rechtsgrundlage der auch sog. 1-Euro-Jobs verschiedentlich verändert.

Mit dem sog. Rechtsvereinfachungsgesetz zum 1.8.2016 wurde die 2012 gestrichenen Möglichkeit der Kostenübernahme für sozialpädagogische Begleitung wieder eingeführt und die zwischen dem 1.4.2012 bis zum 1.8.2016 maximale Förderhöchstdauer von 24 innerhalb von 60 Monaten aufgeweicht, indem ein drittes Förderjahr möglich sein kann. Die sog. Instrumentenreform in 2012 wahr sehr restriktiv im Vergleich zur Vorgängerregelung. Abgeschafft wurden zeitlich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Arbeitsgelegenheit gegen Entgelt (also als versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis). Die aktuelle Fassung findet sich in §16 d SGB II.

Arbeitsgelegenheiten waren die ersten Jahre des SGB II schon von der Menge her ein bedeutendes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Von 2006 bis 2011 lag die Zahl der Teilnehmenden im Bestand im monatlichen Durchschnitt dieser Jahre jeweils über 300.000 geförderten Personen. Wähnend der Finanzkrise 2008/2009 stieg die Zahl nochmal an. Mit der sog. Instrumentenreform 2012 halbierte sich der Bestand in 2012. Danach fiel der Bestand immer weiter. Die teilweise Rücknahme der Restriktionen wirkte sich nicht weiter aus. Der Rückgang setzt sich im shutdown 2020 fort. Auch die Aufhebungen der Kontakteinschränkungen führte nicht zu einem Anstieg um zumindest mit diesem Instrument die Erwerbsfähigkeit von Arbeitslosen wieder herzustellen oder eine minimale soziale Teilhabe zu gewährleisten.

Im ersten Quartal 2021 lag die Bestandszahlen unter 50.000 Personen – so wenig wie noch nie seit dem Start des SGB II. Im April 2021 lag der vorläufige Wert bei fast 51.000 Personen.

Mit diesem starken Rückgang ist parallel auch die Bedeutung von gemeinnützigen Beschäftigungsträgern gesunken, die sehr stark auf diesen Instrument gesetzt haben und von seiner Nützlichkeit überzeugt waren. Arbeitslose in Arbeitsgelegenheiten haben den Vorteil gehabt, einen Mehraufwand bezahlt zu bekommen. Das waren pro Person im im deutschlandweiten monatlichen Durchschnitt 115 Euro in 2020 (130 Euro in 2019) zusätzlich zum Arbeitslosengeld II. Dieser Betrag fehlte in der Pandemie zahlreichen Arbeitslosen.

Hammer, Andreas: 2008: Erfahrungsaustausch zu Arbeitsgelegenheiten, Jobperspektive und SWL – aktuelle Rahmenbedingungen für Beschäftigungsgesellschaften. In: Forum Arbeit 2/2008, S. 27ff

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6 Millionen Menschen fehlt es an Arbeit

Wenn vom Bund und den Medien zur Darstellung der Arbeitsmarktsituation die Arbeitslosigkeit in Zahlen ausgedrückt wird, geht es meist um die registrierte Arbeitslosigkeit (gem. § 16 SGB III).

Arbeitslosigkeit

Bei der registrierten Arbeitslosigkeit müssen mindestens vier Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:

  • vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen,
  • eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen,
  • den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen,
  • sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben.

Ist eine einzige der Bedingungen nicht erfüllt, dann gilt die Person nicht als arbeitslos. So melden sich Berufsrückkehrerinnen nach der Elternzeit häufiger nicht bei der Agentur für Arbeit, wenn sie kein Arbeitslosengeld bekommen würden. Sie gelten dann nicht als arbeitslos. Nicht als arbeitslos zählen Teilnehmende an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (z. B. Sog. 1-Euro-Jobber, Teilnehmende in Bewerbungstrainings).

Die auf der registrierten Arbeitslosigkeit basierenden Indikatoren (Arbeitslosenquoten usw.) haben spätestens seit Einführung des SGB II (sog. „Hartz IV“) an Aussagekraft für eine Interpretation der Arbeitsmarktdynamik verloren, vor allem wenn man etwas gegen Arbeitslosigkeit tun möchte. Gründe sind die veränderten Definitionen und Zählweisen seit der ersten Regierungszeit von Helmut Kohl („geistig-moralische Wende“).

Unterbeschäftigung

Aussagekräftiger als die Arbeitslosigkeit ist das Maß der sog. Unterbeschäftigung – ein Begriff der wohl auch gewählt wurde, weil er nicht so schlimm klingt wie „Arbeitslosigkeit“. Für die Unterbeschäftigung gibt es Stufen der Definition der Bundesagentur für Arbeit, die verschiedene „Arbeitslose“ ein- oder ausschließen. In der Unterbeschäftigung werden in der engsten Definition zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne des SGB gelten, weil sie Teilnehmende an einer Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik oder in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind. In der weitesten Definition der Agentur für Arbeit sind auch die Kurzarbeiter/-innen berücksichtigt.

Nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit wird mit dem Konzept der Unterbeschäftigung zweierlei geleistet:

  1. Es wird ein möglichst umfassendes Bild vom Defizit an regulärer Beschäftigung in einer Volkswirtschaft gegeben.
  2. Realwirtschaftliche (insbesondere konjunkturell) bedingte Einflüsse auf den Arbeitsmarkt können besser erkannt werden, weil der Einsatz entlastender Arbeitsmarktpolitik zwar die Arbeitslosigkeit, nicht aber die Unterbeschäftigung verändert.

Die Funktion des Konzepts „Unterbeschäftigung“ zeigt bereits die Mängel der Definition von Arbeitslosigkeit. Aber auch bei der Unterbeschäftigung müssen die o. g. Vier Bedingungen gegeben sein. Zudem werden viele Arbeitslose in der Statistik auch nicht über die Unterbeschäftigung erfasst.

Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung

Die Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung seit Beginn des Jahres 2019 (für früheren Zeitraum siehe hier: https://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=1245) zeigt, einen relativ stabilen Verlauf der Zahl der registrierten Arbeitslosen um das Niveau von 2,3 Mio. Arbeitslosen bis zum Beginn der ersten politischen Anordnung von Einschränkungen von Aktivitäten im Frühjahr 2020. Die Unterbeschäftigung war ähnlich stabil bei etwa 3,3 Mio. Unterbeschäftigten („Arbeitslosen“). Die Unterbeschäftigung entsprach damit im Mittel etwa dem 1,4-fachen der registrieren Arbeitslosigkeit.

Quelle: Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung

Seit März 2020 (bis Februar 2021) stieg im Durchschnitt die Arbeitslosigkeit auf 2,8 Mio. Personen. Der Anstieg in diesen 12 Monaten beträgt im Vergleich zu den 14 Monaten davor 21,4 %.

Die Unterbeschäftigung stieg in stärkerem Umfang und zwar um 56,2 % auf durchschnittlich 5,1 Mio. Personen. Der Wert liegt somit um das 1,8-fache über dem der registrierten Arbeitslosigkeit.

Die Unterbeschäftigung nimmt seit Oktober 2020 sehr stark zu, wobei die Arbeitslosigkeit auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vormonaten bleibt.

Der minimale Rückgang der Arbeitslosigkeit im Herbst 2020 zeigt insofern keine Trendwende am Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: der große und deutlich gestiegene Umfang der Unterbeschäftigung zeigt weiteren arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf an.

Im Februar 2021 waren 2,9 Mio. Menschen arbeitslos und 5,9 Mio. unterbeschäftigt – also rund 2,9 Mio. mehr als registrierte Arbeitslose.

Eine Konzentration auf das Instrument Kurzarbeitergeld – übrigens standardmäßig aus Beiträgen der Sozialversicherung finanziert – dämpft den Anstieg der Arbeitslosenzahlen, verbessert aber dadurch nicht die Arbeitsmarktsituation. Es stellt angesichts des Anstiegs der Langzeitarbeitslosigkeit (https://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=1501) für diese auch keine Problemlösung dar.

Entgegen der Redeweise von einem „stabilen“ Arbeitsmarkt oder einem Arbeitsmarkt, der durch die Pandemie nicht wesentlich beeinträchtigt wurde, geht das Defizit an regulärer Beschäftigung in die Hunderttausende. Im Frühjahr 2021 gibt es rund 6 Mio. Menschen, die mehr arbeiten wollen oder müssen als sie dürfen. Und gleichzeitig will die Bundesregierung die Mittel aus dem EU-Next-Generation-Instrument (s. hier) nutzen um vorhandene Programm wie „Ausbildungsplätze sichern“ (s. hier) zu refinanzieren oder um den Anreiz (!) zur Ausweitung (!) der Arbeitszeit zu erhöhen.

Anders formuliert: sollte es keinen Unwillen beim Bund geben Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftfigung abzubauen, dann ist ein Unvermögen festzustellen, innovative Interventionen des Staates für eine nachhaltige Beschäftigung zu entwickeln und dafür die EU- und andere Mittel zu nutzen.

Es braucht deutlich mehr (Vorschläge z. B. hier oder hier) um während und nach der Pandemie Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung abzubauen als die bisherigen Instrumente, Finanzmittel, Rechtssetzung und mediale Präsentation.

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Teilhabe am Arbeitsmarkt am Maximum?

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Im April 2021 waren 42.077 Förderfälle im Bestand (Zahl vorläufig; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit), die Zahl der Eintritte lag bei 763.

Der anfänglich schnelle Anstieg der Fallzahlen, lag auch daran, dass Teilnehmende aus vorangegangenen Förderprogramm mit §16 i SGB II weiter gefördert werden konnten.

Seit August 2019 (wenn man von den Ausnahmen August und September 2019 absieht, sogar seit April 2019) gehen die monatlichen Zugänge bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt im Trend zurück (siehe auch hier und hier). Diese Entwicklung hat bereits deutlich vor Beginn der Corona-Pandemie eingesetzt. Dieser Hinweis ist wichtig, damit nicht mit der Begründung „Pandemie“ auf die Analyse der Probleme des Instruments vezichtet wird.

Seit Dezember 2020 gehen zudem die Bestandszahlen zurück – allerdings sind diese Daten vorläufig, sodass sich schließlich noch eine Steigerung gegenüber dem Februar 2020 ergeben kann.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Der zeitweise Rücknahme von Pandemie-bedingten Einschränkungen hat sich beim Teilhabechancengesetz nicht wesentlich ausgewirkt. Solange zahlreiche Arbeitgeber Kurzarbeit nutzen (s. hier), werden sie eher nicht Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsberechtigte einstellen.

Bislang sind rund 59.700 Personen gefördert worden. Die Zahl der Austritte bzw. des Förderendes beträgt rund 17.600, was etwa 29,5 Prozent entspricht. Das Förderende mit einer ngativen Auswirkung auf den Bestand kann im übrigen auch dadurch entstehen, dass geförderte Arbeitsverträge von den Arbeitgebern nicht verlängert wurden.

In der Corona-Krise zeigt sich nun auch ein bereits im Gesetzgebungsverfahren festgestellter Mangel: die Arbeitsverhältnisse nach § 16i SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt – sind nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Deshalb kann für diese Beschäftigten keine Kurzarbeit beantragt werden. Dies wäre sicherlich für Arbeitgeber ein Anreiz, auch in Krisenzeiten öffentlich-geförderte Beschäftigung zu nutzen.

Der Entwurf zum 11. Änderungsgesetz zum SGB II, hat für dieses Instrument keine Änderungen vorgesehen. Eine Änderung des SGB II ist vor der Bundestagswahl im September 2021 eher unwahrscheinlich. Erleichterungen könnten untergesetzlich erfolgen. So könnte kurzfristig der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen.

Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – darf nicht dauerhaft eingeschränkt werden, auch nicht in Zeiten von Krisen. Die vorhandenen Rechtsgrundlagen und Konzepte zur Teilhabe müssen entsprechend angepasst und krisentauglich werden.

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Eingliederung von Langzeitarbeitslosen – noch keine Trendwende

Als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes soll der § 16e SGB II seit 1.1.20219 die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fördern (siehe auch hier und hier).

Im April 2021 betrug der Fallbestand 11.582 (vorläufige Zahl; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit), die Zahl der Eintritte lag bei 378.

Seit September 2019 gehen die monatlichen Zugänge im Trend zurück (siehe auch hier). Diese Entwicklung setzt also bereits deutlich vor der Corona-Pandemie ein.

Seit Januar 2021 gehen außerdem die Bestandszahlen zurück – das kann sich allerdings noch ändern, sobald die Zahlen nicht mehr vorläufig sind.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Insgesamt sind bislang rund 18.980 Personen über das Instrument gefördert worden. Andererseits sind rund 7.400 bereits wieder ausgeschieden, was deutlich mehr als jeden Dritten betrifft (38,9 Prozent).

Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Bund mit dem Instrument sein Ziel erreicht. Denn die maximale Förderdauer eines Arbeitsvertrags beträgt 24 Monate und nach und nach läuft die Förderung aus.

Pessimistisch stimmen der hohe Anteil des vorzeitiges negativen Endes der geförderten Arbeitsverträge – hauptsächlich in Folge von Kündigungen der Arbeitgeber – und die teilweise kurze Teilnahmedauer der Geförderten (s. hier).

Es scheint sich bereits jetzt ein Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung der Förderung abzuzeichnen. Vor der anstehenden Bundestagswahl im September 2001 scheint dies nur untergesetzlich durch einen größeren örtlichen Ermessensspielraum der Jobcenter möglich.

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Gemeinnützigkeit für eine gesamte Branche als Voraussetzung für staatliche Förderung

Die Burgenländische Landesregierung (in Österreich) hat 2019 einen „Zukunftsplan Pflege – Bedarfs- und Entwicklungsplanung 2018 – 2030“ veröffentlicht. Neben einer Bedarfsanalyse sind Vorschläge zur weiteren Entwicklung im Bereich der Betreuung und Pflege enthalten. Danach wurde dieses Plan – ebenfalls 2019 – auf eine gesetztliche Basis gestellt – im Gesetz über den Betrieb und die Organisation von Sozialeinrichtungen zur Betreuung pflegebedürftiger und behinderter Menschen (Burgenländisches Sozialeinrichtungsgesetz – SEG).

Das SEG hat unter anderem die Gemeinnützigkeit als Erfordernis für die
Tätigkeit als Betreiberin oder Betreiber einer Pflegeeinrichtung oder eines mobilen Pflegedienstes zum Inhalt. Das heißt, dass für diese Branche im Burgenland vollständig die Gemeinnützigkeit als Voraussetzung für den Erhalt von Finanzmitteln gilt. Erzielte Gewinne, die aus der Pflege- und Betreuungstätigkeit entstehen, sind zweckbestimmt ausschließlich und unmittelbar wieder für die Pflege, die Betreuung und die Verbesserung der Infrastruktur sowie die Qualität der Pflegeeinrichtungen und der Pflegeangebote der Träger im Burgenland zu verwenden.

Das Gesetz wurde zum 1.1.2021 novelliert. Die Gemeinnützigkeit als Bewilligungsvoraussetzung ist weiterhin im Gesetz verankert. Offensichtlich gibt es von keiner Seite aus, weder von gewinnorientierten Trägern noch von der EU-Kommission, ein Klageverfahren gegen diese Vorgabe. Insofern ist das im Vergleich zur Marktorientierung in Deutschland eine interessante und offensichtlich auch rechtlich tragfähige Alternative. Dann wäre auch weitere Branchen denkbar.

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Eingliederungserfolge bei Langzeitarbeitslosen im Instrumentenvergleich

Arbeitsmarktpoltisch wird immer wieder das Instrumentarium verändert, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu integrieren. Insbesondere Programme, die vor allem durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert sind, kommen und gehen. Im SGB II werden in der Regel Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber gezahlt, mit wechselnden Bezeichnungen und Förderkonditionen. Für einen Erfolgsvergleich kann die jeweilige Eingliederungsquote herangezogen werden.

Wie schneiden die wesentlichen Eingliederungsinstrumente für Langzeitarbeitslose im Vergleich ab?

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Deutscher Aufbau- und Resilienzplan – Beitrag zur Überwindung der Corona-Krise?

Die Bundesregierung hat im Dezember 2020 den Entwurf für den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) veröffentlicht. Mit dem Deutschen Aufbau- und Resilienzplan will die Bundesregierung zur Überwindung der Corona-Krise und zur Zukunftssicherung in Deutschland und Europa beitragen. Ein solcher Plan ist Voraussetzung um Mittel aus dem Aufbauinstrument Next Generation EU in Höhe von 750 Mrd. € (EU-weit) und dessen größtem Ausgabeninstrument – der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) mit einem Volumen von 672,5 Mrd. € (EU-weit) – zu bekommen.

Darin kommt ein Kapitel mit der Überschrift „Schwerpunkt 3: Digitalisierung der Bildung“. Dieser Schwerpunkt kommt mit weniger als 2 Seiten aus. Mit dem „Schwerpunkt“ sollen gefördert werden

  • Lehrer-Endgeräte
  • Bildungsplattform (i. V. m. digitalem Bildungsraum)
  • Bildungskompetenzzentren
  • Modernisierung der Bildungseinrichtungen der Bundeswehr

Nach einem Jahr Pandemie ist man beim Bund noch nicht viel weiter gekommen.

Erst mit dem Sozialschutz-Paket III (März 2021 verabschiedet) wurde eine unzureichende Finanzlösung für Schüler*innen für digitale Lernmittel gefunden, unter denen die finanziell armen Kinder seit einem Jahr home schooling ohne diese Geräte machen.

Die Serverkapazitäten für Schulen sind teilweise immer noch nicht ausreichend, die Datenverbindungen nicht dauerhaft stabil und schnell, die IT-Sicherheit nicht vollständig (s. Verschiedene „Angriffe“ auf die Lernplattformen). In kaum einer Gemeinde sieht man Arbeiter*innen die Breitbandverkabelung auszubauen.

Im „Schwerpunkt 4: Stärkung der  sozialen Teilhabe“ sind aufgeführt:

  • Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ – Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2020/21
  • Sozialgarantie 2021
  • Unterstützung Auszubildende
  • Digitale Rentenübersicht

Auf das hier verwiesene Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ wirkt bis heute noch nicht richtig (siehe hier und hier).

Die aufgeführte „Sozialgarantie 2021“ soll unter anderem Fehlanreize, die der Aufstockung der Arbeitszeit entgegenstehen, vermeiden – das angesichts zunehmender Langzeitarbeitslosigkeit (siehe hier) und einem weiter großen Umfang an Kurzarbeit.

Weitergehende arbeitsmarktpolitische Impulse: Fehlanzeige.

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Mit oder ohne Corona-Krise: Arbeitszeitverkürzung kann Arbeitslosigkeit abbauen

Mit oder ohne Corona-Krise: die Unterbeschäftigung (Arbeitslosigkeit, Stille Reserve, Kurzarbeit, Teilnahme in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung) und damit die Teilhabe an und durch Arbeit ist seit Jahrzehnten ein Problem, welches nicht grundsätzlich gelöst wurde. Die Pandemie verschärft dieses Problem (s. hier).

Im Trend nimmt die Zahl der Erwerbstätigen (abhängig Beschäftigte, Selbständige und andere Formen) zu. Auch das Arbeitsvolumen nimmt parallel zu. Allerdings ist die Zahl der Erwerbstätigen schneller gestiegen als das entsprechende Arbeitsvolumen.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Das bedeutet, dass die Zahl der Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen über die Zeit gesunken ist.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Nimmt man die gesunkene Zahl der registrierten Arbeitslosen dazu, wird klar, dass dies vor allem mit einer Zuwachs an Teilzeiterwerbstätigkeit zu tun hat. Eine individuelle Teilzeittätigkeit ist könnte gesellschaftlich unproblematisch sein, wenn sie existenzsichernd entgolten werden würde. Die Armutsgefährdungsquoten zeigen (s. hier), dass dies häufig nicht der Fall ist. Weitere Daten zeigen, dass der deutsche Arbeitsmarkt durch einen großen Niedriglohnsektor geprägt ist (s. hier).

Wenn man nun die Unterbeschäftigung in einem größeren Umfang als bisher abbauen möchte, wäre eine Steigerung des Produktionsvolumen (das Produktionsniveau bestimmt das Beschäftigungsniveau bei gegebener Technik) nötig. Das würde eine Erhöhung der Wachstumsrate über den Produktivitätsanstieg hinaus erfordern, beispielsweise durch Stimulierung der Investitionstätigkeit. Allerdings ist eine Erhöhung der Wachstumsrate mit ökologische Problemen verbunden (Stichworte: globale Erwärmung, Biodiversität, Wasserknappheit u. a.). Die Senkung der durchschnittlichen Produktivität würde den Niedriglohnsektor noch mehr ausweiten und ist dauerhaft auch nicht realistisch oder von Vorteil (s. hier).

Kurzfristig ist eher eine Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeiten zielführend, wenn also das Arbeitsvolumen auf mehr Personen verteilt werden könnte. Das bedeutet eine andere Verteilung der Arbeit, indem die Zahl der Vollzeitbeschäftigten sinkt und die der Teilzeitbeschäftigten steigt, und zwar bei einen vollem Lohn- und Finanzierungsausgleich an dem die Arbeitgeber beteiligt sind.

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