Als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes soll der § 16e SGB II seit 1.1.2019 die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fördern (siehe auch hier und hier).
Im Oktober 2022 betrug der Fallbestand 7.844 Förderungen (vorläufige Zahl; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit). Das entspricht etwa dem Niveau vom November 2019, also rund einem Jahr nach Einführung. Die Zahl der Eintritte lag im Oktober 2022 bei 268. Sie liegt so niedrig wie noch nie und stellt somit den Tiefstwert seit Start des Instrumentes Januar 2019 dar.
Seit September 2019 gehen die monatlichen Zugänge im Trend zurück (siehe auch hier und hier und hier). Diese Entwicklung setzt also bereits deutlich vor der Corona-Pandemie ein. Die niedrigen Eintrittszahlen in den letzten Monaten sind insoweit bedenklich, als in der Pandemie die Zahl und der Anteil der Langzeitarbeitslosen besonders stark gestiegen ist (s. Anteil der Langzeitarbeitslosen an Arbeitslosen hat 10-Jahres-Hoch überschritten). Hier besteht großer Förder- und Handlungsbedarf, bei dem das dafür geschaffene Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ offensichtlich nicht wirkt oder nicht genutzt wird.
Seit Januar 2021 gehen außerdem die kontinuierlich Bestandszahlen zurück.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.
Insgesamt sind bislang rund 27.800 Personen über das Instrument gefördert worden. Andererseits sind rund 19.900 bereits wieder ausgeschieden, was deutlich mehr etwa 71 Prozent der Geförderten betrifft.
Damit verbunden sind Teilnahmedauern von deutlich unter der Förderdauer von zwei Jahren. Die sinkenden Einritte kompensieren nicht die vorzeitigen Austritte, sodass der Bestand sinkt.
Der Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung der Förderung ist offensichtlich. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird vage von einer Weiterentwicklung gesprochen. Das Bürgergeld-Gesetz lässt das Instrument unverändert. Diese wird vermutlich erst 2023 gesetzlich geregelt. Bis dahin wäre es möglich, den Jobcentern untergesetzlich einen größeren örtlichen Ermessensspielraum zu geben.
Der Bund hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zu einem inklusiven Arbeitsmarkt erarbeitet. Die Kernelemente wurden im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigt.
Um den Arbeitsmarkt inklusiver zu machen, sind folgende gesetzliche Änderungen vorgesehen:
Erhöhte Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen („vierte Staffel“), für kleinere Arbeitgeber sollen wie bisher Sonderregelungen gelten,
Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,
Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes,
Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit,
Neuausrichtung des Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizinische Begutachtung.
Damit sollen Menschen mit Behinderung besser eine Erwerbsarbeit aufnehmen und nachgehen können.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden diese Änderungen einen Beitrag leisten, und dennoch werden weitere Schritte notwendig bleiben.
Die bisherigen Vorhaben, auch gesetzlicher Art, zur Inklusion, waren nicht ausreichend. Dazu gehören das Bundesteilhabegesetz, das Teilhabestärkungsgesetz, die Einführung eines neuen Typs von anderen Leistungsanbietern nach § 60 SGB IX. Darüber hinaus sehen sich Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben diskriminiert (hier).
An der Zielverfehlung hat die Kritik in Deutschland am stetigen Anwachsen der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sowie ein deutlicher Mangel an Übergängen aus den WfbM zum allgemeinen Arbeitsmarkt nichts geändert. Besonders deutliche Kritik hatte der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK-Ausschuss) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geübt und 2015 gerügt, „dass segregierte Werkstätten für behinderte Menschen weder auf den Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten noch diesen Übergang fördern.“ Deshalb fordert der UN-BRK-Ausschuss die Bundesregierung auf, einen inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen, der im Einklang mit den Menschenrechten steht. Der Fokus soll dabei auf der Schaffung von zugänglichen Arbeitsplätzen bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern im allgemeinen Arbeitsmarkt liegen.
Auch nach dieser Rüge wurde zuletzt sowohl die Zahl der Werkstätten für Menschen mit Behinderung ausgeweitet als auch die Zahl der Menschen in diesen Werkstätten, zumindest was die in der BAG WfbM organisierten betrifft: In 2022 waren 684 Werkstätten (2017 ca. 680) dort organisiert mit rd. 316.000 Werkstattbeschäftigten (2017 rd. 310.000)
In der UN-BRK, die Deutschland unterzeichnet hat, sind keine „Sonderwelten“ für Menschen mit Behinderung vorgesehen, sondern das Recht auf Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.
Im Oktober 2022 wurden 40.107 Personen gefördert (vorläufige Zahl); das entspricht dem Niveau vom Juli 2020.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung; eigene Darstellung
Ohne Vorförderung – also über die Überleitung von Geförderten aus anderen Förderinstrumenten in § 16i SGB II – von 13 % (Oktober 2022), wären die Eintritte in 2019 sicherlich noch so hoch gewesen und der Bestandsaufbau wesentlich langsamer erfolgt.
Die Neueintritte bzw. Nachbesetzungen von Arbeitsplätzen sind geringer als der Abbau. Die hohe Zahl an vorzeitigen Austritten (42,6 %, gleitende 12-Monatssumme 7 /2022) trägt zum Bestandsabbau bei.
Erleichterungen im Zugang hätten untergesetzlich erfolgen können. So könnte der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen. Da solche Anpassungen nicht vorgenommen wurden, ist davon auszugehen, dass das erreichte Volumen das politisch gewünschte Maß erreicht hat.
Im Gesetzesentwurf für das Bürgergeldgesetz wird langfristig mit maximal 40.000 Förderfällen für § 16i SGB II kalkuliert. Folglich wird hier von Nachbesetzungen von Austritten ausgegangen, aber nicht mit einer Ausweitung der Teilhabe an Arbeit. Passend wurde das Budget der Jobcenter für 2023 gekürzt.
Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – wird somit nicht dauerhaft und nur begrenzt eingelöst. Die mit dem Bürgergeldgesetz beschlossene Entfristung des Eintritts in die Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt wird selbst nicht ausreichen, um den Bestand zu halten oder zu erhöhen.
Das Instrument sollte in seinem Design geändert werden und der Bund mehr Mittel (und Verpflichtungsermächtigungen) als bisher dafür bereitstellen. Dann könnten die bisher in der Förderung unterrepräsentierten Frauen, AusländerInnnen und Personen ohne Berufsabschluss angemessener Teilhabe erfahren. Für eine Änderung der Umsetzung spricht zudem, dass eine hohe Zahl von 40,4 % drei Monate nach Austritt (gleitende Jahressumme 1/2022; Daten der gemeinsamen Einrichtungen) erneut leistungsberechtigt und arbeitslos ist (und nicht in einer anderen Maßnahme, also ohne Anschlussperspektive).
Nach der beschlossenen Entfristung des Instruments im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes nimmt gegenwärtig die Argumentation zu, dass es sich beim § 16i SGB II um ein teures Förderinstrument handele im Vergleich zu anderen. Die meisten Vergleiche hinken allerdings. Wenn man die Kosten des Instruments ins Feld führt, sollte genau gesagt werden, welche Alternative zum § 16i SGB II günstiger die Teilhabe an Arbeit für Personen herstellt, die in sechs Jahren von sieben Jahren im Leistungsbezugs sind und nur geringe Unterbrechungszeiten durch Erwerbstätigkeit haben.
Über- oder Untergewicht ist kein anerkanntes Diskriminierungsmerkmal. Und dennoch fühlen sich zahlreiche Menschen aufgrund ihres Gewichts diskriminiert.
Dazu gab es 2019 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage* ((Strukturelle) Diskriminierung, Mai 2019. Eine Studie von Kantar, Public Division im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA)). Aus diesen Datensätzen lässt sich das Ausmaß von Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Gewichts genauer bestimmen.
An der Befragung haben 1.060 Personen im Alter von über 18 Jahren teilgenommen**. Von den Befragten erklärten 10,4 %, dass sie persönlich eine Diskriminierung aufgrund ihres Gewichts in den letzten drei Jahren erlebt haben. Dabei sind Frauen (63,4 %) häufiger als Männer (36,6 %) betroffen.
Im Folgenden werden Ergebnisse dieser Befragten genauer betrachtet, die Zahlen wurden vom Autor selbst berechnet.
In zahlreichen Bereichen wird die Diskriminierung erlebt. Als Antwortmöglichkeiten waren möglich: Häufig, Gelegentlich, Selten, Nie, Weiß nicht. Für die nachfolgende Darstellung wurden die Antworten „Häufig, Gelegentlich, Selten“ zusammengefasst. Die Antwortkategorie „Weiß nicht“ kam zweimal zu 7,8 % bzw. 7,7 % vor, ansonsten lagen sie zwischen 0,3 % und 4,9 %, die übrigen Angaben sind demnach „Nie“.
Etwa vier Fünftel der Betroffenen wurden in der Öffentlichkeit, in Geschäften oder im Dienstleistungsbereich oder im Arbeitsleben diskriminiert. Mehr als zwei Drittel fühlten sich nach eigenen Angaben auch schon im Gesundheits- und Pflegebereich, in der Freizeit und bei Ämtern und Behörden diskriminiert. Die Diskriminierung findet in vielen verschiedenen Bereichen im großen Umfang statt.
Lediglich zwei Bereiche wurden von weniger als der Hälfte genannt: der Bildungsbereich und bei der Polizei.
Wenn man lediglich die Antwort „häufig“ heranzieht, dann steht die Diskriminierung im Arbeitsleben an erster Stelle (26,8 % der Betroffenen) und auf dem Wohnungsmarkt an zweiter Stelle (23,9 % der Betroffenen). Offensichtlich gibt es hier wiederholte Benachteiligungen aufgrund des Gewichts.
Bei verschiedenen Dimensionen von Diskriminierungen waren die Antwortmöglichkeiten Ja, Nein, Weiß nicht. Nachfolgend werden die wesentlichen Ja-Antworten zusammengefasst.
Unter den materiellen Benachteiligungen berichtet mehr als die Hälfte der Personen mit Diskriminierungserfahrung, dass ihre Leistungen vergleichsweise schlechter bewertet wurden (61,9 %) und ihnen ein Antrag abgelehnt oder eine Leistung verwehrt wurde, die sie aus subjektiver Sicht hätte bekommen müssen. Annähernd die Hälfte (47,9 %) meint, dass sie weniger Gehalt als andere bei vergleichbarer Tätigkeit erhielten weniger (41,7 %). Rund 18 % der Betroffenen gibt an, wegen des Diskriminierungsmerkmals gekündigt worden zu sein und 34,8 % aufgrund ihres Gewichts nicht eingestellt worden zu sein. Da Gewicht kein Diskriminierungsmerkmal gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist, können die Betroffen hier nicht dagegen vorgehen,
Im Rahmen sozialer Herabwürdigungberichten drei Viertel der Betroffenen von Ausgrenzung, Opfer abwertender Witze und Kommentare und unangebrachten Fragen zum Privatleben. Mehr als der Hälfte wurden Rechte aberkannt, die andere Personen haben (55,3 %) und außerhalb des Internets beleidigt oder beschimpft (62,6 %).
Eine extreme Form von Diskriminierung stellen körperliche Übergriffe und Bedrohungen dar. Drei Zehntel der Betroffenen wurde bereits körperlich bedroht und haben körperliche sexualisierte Übergriffe, wie z.B. ungewollte Berührungen, erlebt. Jede/r sechste Befragte wurde schon einmal körperlich angegriffen (15,9 %).
Weitere Folgen für die Betroffenen sind neben anderen
seelische Belastungen (84,7 %),
größeres Misstrauen (91,6 %)
Frustration (88,0 %)
Wenn man den Anteil der Menschen, die nach der Befragung persönlich eine Diskriminierung aufgrund des Gewichts in den letzten drei Jahren erlebt haben, auf die Bevölkerung Deutschlands im Alter von 18 bis 85 Jahren hochrechnet, dann waren 2019 geschätzt 6,9 Mio. Menschen von einer Diskriminierungserfahrung aufgrund des Gewichts betroffen.
Die Erwartungen an die Politik, etwas gegen Diskriminierung aufgrund des Gewichts zu ändern, sind bei den Betroffenen sehr groß. Aber auch rund 83 % aller Befragten (1.060) meinen, dass die bestehenden Gesetze gegen Diskriminierung besser durchgesetzt werden müssen. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist zum Thema Gewicht gar nichts zu finden. Für die Betroffenen kann allenfalls der folgende Satz herangezogen werden: „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.“ Über- und Untergewicht stellen eine Lücke bei der Antidiskriminierung dar, die sehr bald geschlossen werden sollte. Bislang gibt es keine Schutzrechte für Menschen, die aufgrund ihres Gewichtes diskriminiert werden.
*GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6735 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.13402
**Die absoluten Zahlen sind zur Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit gewichtet.
Die ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme hat in ihrem Abschlussbericht auch Überlegungen angestellt, ob und wie soziale Dienstleister von Energie- und Wärmekosten entlastet werden können.
Die ExpertInnen-Kommission sieht hier Handlungsbedarf:
„Die Gaspreisbremse führt in ihrer Mechanik dazu, dass die Energiekosten auch für die sozialen Dienstleister (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Reha-Kliniken, Sozialkaufhäuser etc.) 2023 weiter spürbar über den Werten liegen, die Vergütungs- und Kostenerstattungsregelungen der Refinanzierung zugrunde gelegt wurden. Die kostensenkenden Gaseinsparungen könnten kurzfristig nicht notwendigerweise ohne Angebotseinschränkungen erreicht werden, die gesellschaftlich als nicht vertretbar einzuschätzen sind. Die soziale Infrastruktur, insbesondere auch der Gesundheitseinrichtungen, ist ein zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge und muss in der Krise abgesichert werden, um die Versorgung der Bevölkerung und insbesondere der vulnerablen Personengruppen sicherzustellen. Langwierige Verhandlungen und Schiedsstellenverfahren um Refinanzierungsmöglichkeiten zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern sollten vermieden werden, um Liquiditätsengpässe, Insolvenzen und Leistungseinschränkungen wirksam zu verhindern.“
ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme, Abschlussbericht, 31.10.2022, S. 11
Die ExpertInnen-Kommission schlägt zur Problemlösung einen Hilfsfonds soziale Dienstleister vor.
„Der Fonds sollte von den Sozialversicherungsträgern implementiert werden und angemessen ausgestattet sein. Der genaue Betrag ergibt sich aus den Belastungsermittlungen der Sozialversicherungsträger. Aus dem Fonds werden Kostenträgern der sozialen Daseinsvorsorge die Gaskosten erstattet, abzüglich eines Energiesparbeitrags, die über dem Niveau liegen, das der Leistungsvereinbarung zugrunde lag. Soziale Dienstleister nehmen verpflichtend an einer kostenlosen Energieberatungsmaßnahme teil, um Möglichkeiten des Energiesparens ohne Leistungseinschränkung zu prüfen. Auszahlungen aus dem Fonds sollen spätestens ab 1. Januar 2023 erfolgen und die Kostensteigerungen des Winters 2022/2023 (bis April 2024) abdecken. Dabei ist ein realistischer Energiesparbeitrag in Höhe von in der Regel fünf Prozent zu berücksichtigen. Gemeinnützige soziale Einrichtungen können darüber hinaus für die entstandenen Kostensteigerungen des Jahres 2022 einen Jahreszuschuss beantragen, der sich in einfacher und leicht überprüfbarer Weise an der Betriebskostendifferenz zum Vorjahr, abzüglich eines Energiesparbeitrags, orientiert und Mehrbelastungen über die Einmalzahlung hinaus ausgleicht. Antragsverfahren und Voraussetzungen sind rechtskonform und dabei so schlank wie möglich zu gestalten. Die Möglichkeit nachträglicher Prüfungen und der Verweis auf allgemeine Regeln der sozialrechtlichen Finanzierung sowie des Haushaltsrechts sichern das Verfahren ab. Die Ausgestaltung des Hilfsfonds erfolgt in einer Verordnung auf der Grundlage von § 26a Abs. 1 Nummer 3 des Gesetzes zur Änderung des Stabilisierungsfondgesetzes zur Reaktivierung und Neuausrichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Für einen Kostenausgleich muss gegeben sein: (1) die Eigenschaft des sozialen Trägers als öffentlich zugelassener und finanzierter Sozialleistungserbringer; (2) die trägerspezifischen Betriebskostenvergleichszahlen des Vorjahres. Es ist auf ein niedrigschwelliges Antragsverfahren zu achten. Dieses ist auf die digitale Übersendung des Zulassungs- und Leistungsdokuments (z.B. Zuwendungsverträge oder Entgeltverträge) sowie der belegten Betriebskosten des jeweiligen Vorjahres zu reduzieren. Der Antrag sollte formlos unter Angabe der Kostenausgleichssumme möglich sein. Für soziale Einrichtungen und Dienste, deren Leistungsträger Kommunen und Länder sind, wie z.B. Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder der Kinder- und Jugendhilfe empfiehlt die Kommission, dass Länder und Kommunen vergleichbare Fonds einrichten.“
ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme, Abschlussbericht, 31.10.2022, S. 11
Problem bei dieser Vorgehensweise
Das Problem bei diesem Vorschlag ist eine Regelungslücke: Träger des SGB II partizipieren nicht, da das SGB II (im Unterschied zum SGB III) steuerfinanziert und nicht über Sozialversicherungsbeiträge finanziert wird. Bildungs- und Beschäftigungsträger können dann entlastet werden, soweit sie Maßnahmen für die Arbeitsagenturen (Rechtskreis SGB III) umsetzen. Sie werden aber nicht entlastet, wenn sie für die Jobcenter tätig werden – selbst dann nicht, wenn es um rechtlich identische Förderinstrumente geht (z. B. Weiterbildung).
Vorschlag zur Schließung der Regelungslücke Der Bund hat ein Eckpunkte-Papier erarbeitet, dass diese Vorschläge überwiegend übernimmt. Der Hinweis auf die Länder und Kommunen, führt nicht weiter, da diese Träger beim SGB II Leistungen für den Bund erbringen. Damit bleibt die Lücke erhalten.
Wichtig wäre deshalb zu prüfen, wie die Regelungslücke für Träger, die für das SGB II aktiv sind, geschlossen werden kann.
Vorschlag: Jobcenter werden den Arbeitsagenturen gleich gestellt und erhalten die Möglichkeit über den gleichen Abrechnungsweg (oder einen eigenen) die Bildungs- und Beschäftigungsträger bei Energie- und Wärmekosten zu entlasten, wenn sie für das SGB II Leistungen erbringen.
Die Einstiegsqualifizierung ist ein Förderinstrument der Arbeitsförderung (einsetzbar für Arbeitsagenturen und Jobcenter; § 54a SGB III). Arbeitgeber werden bezuschusst, wenn sie ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum vergüten. Sie kann für die Dauer von sechs bis zwölf Monaten gefördert werden. Die betriebliche Einstiegsqualifizierung dient der Vermittlung und Vertiefung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit. Die vermittelten Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten sind vom Betrieb zu bescheinigen. Die zuständige Stelle stellt über die erfolgreich durchgeführte betriebliche Einstiegsqualifizierung ein Zertifikat aus. Mit dem Zertifikat können TeilnehmerInnen bei der zuständigen Kammer beantragen, dass sich die Dauer der angestrebten Ausbildung verkürzt.
Förderungsfähig sind
bei der Agentur für Arbeit gemeldete Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber mit aus individuellen Gründen eingeschränkten Vermittlungsperspektiven, die auch nach den bundesweiten Nachvermittlungsaktionen keine Ausbildungsstelle haben,
Ausbildungsuchende, die noch nicht in vollem Maße über die erforderliche Ausbildungsreife verfügen, und
lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Ausbildungsuchende.
Entgegen häufiger Darstellungen ist die Einstiegsqualifizierung nicht auf junge Menschen beschränkt – es gibt keine Altersbegrenzung.
Die Entwicklung der geförderten Teilnehmenden zeigt, dass die Zugänge zur Einstiegsqualifizierung seit Jahren abnehmen. Zugangszahlen über 30.000 wurden lediglich in den Jahren 2008 bis 2010 und seitdem nie mehr erzielt (SGB III und SGB II zusammengefasst). In 2021 wurde der Tiefststand erreicht – weniger als 10.000 Personen wurden gefördert (Jahressummen). Für 2022 zeichnet sich ein noch niedrigerer Wert ab (Stand September: rd. 3.300 Zugänge). Seit 2017 gehen die Zahlen kontinuierlich zurück, im Trend seit 2009.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (Jahressummen); eigene Darstellung
Die Zunahme um 2017 könnte mit einer Förderung von 2015 ff Zugewanderten zusammenhängen.
Erstaunlich ist, dass Betriebe seit Jahren einen Fachkräftemangel beklagen. Es stellt sich die Frage, weshalb sie die Förderung der Einstiegsqualifizierung immer weniger nutzen.
Durch die Verkürzung der Ausbildungszeit kommen Betriebe schneller an ihre Fachkräfte, wenn sie die Zielgruppe in Betracht ziehen.
„Als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber lernen Sie durch die Einstiegsqualifizierung potenzielle Auszubildende kennen und können sich zukünftige Fachkräfte sichern.“
Seit dem 1.1.2009 gibt es im SGB III eine Rechtsgrundlage zur Erprobung innovativer Ansätze. Diese ist seit dem 1.4.2012 in § 135 geregelt, davor in § 421h SGB III (noch weiter zurück gab es ein zunächst ein 250-Mio-Programm, danach ein 750-Mio-Programm, das dann in § 62d AFG auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde).
Wie die Überschrift des Paragrafen schon sagt, geht es um die Erprobung innovative Ansätze der aktiven Arbeitsförderung – eine Strategie, die angesichts verfestigter Massenarbeitslosigkeit zielführend sein kann.
§ 135 SGB III Erprobung innovativer Ansätze
(1) Die Zentrale der Bundesagentur kann bis zu einem Prozent der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel einsetzen, um innovative Ansätze der aktiven Arbeitsförderung zu erproben. Die einzelnen Projekte dürfen den Höchstbetrag von 2 Millionen Euro jährlich und eine Dauer von 24 Monaten nicht übersteigen.
(2) Die Umsetzung und die Wirkung der Projekte sind zu beobachten und auszuwerten. Über die Ergebnisse der Projekte ist dem Verwaltungsrat nach deren Beendigung ein Bericht vorzulegen. Zu Beginn jedes Jahres übermittelt die Bundesagentur dem Verwaltungsrat eine Übersicht über die laufenden Projekte.
Allerdings berichtet der Bundesagentur für Arbeit nur spärlich über die erprobten Innovationen und ihre Ergebnisse. Das ist verwunderlich, denn solche Innovationen sollten in den Mainstream übergehen und von den Akteuren am Arbeitsmarkt umgesetzt werden. Offensichtlich reicht es auch der Bundesregierung, wenn lediglich der Verwaltungsrat einen (nicht-öffentlichen) Bericht bekommt.
In den Geschäftsberichten seit 2015 der Bundesagentur für Arbeit findet sich entgegen der sonst üblichen Mitteilsamkeit nichts Erhellendes.
Das statistische Material erlaubt lediglich eine oberflächliche Einschätzung über die Größenordnung, in der die Erprobung innovativer Ansätze umgesetzt wird. Nimmt man die Durchschnitte der Jahre 2015 bis 2021, so wurden etwa 400.000 Euro im Jahr verausgabt (2015: Restabwicklung) für rund 100 Geförderte bei etwa 11 Monaten Förderdauer.
Es handelt sich angesichts des BA-Budgets eher um marginale Summen. Das mögliche Fördervolumen wird bei weitem nicht ausgeschöpft.
Im SGB II bietet der § 16f SGB II eine sog. freie Förderung, der ebenfalls kaum angewandt wird. Denn die Formulierung erschwert eine rechtssichere Förderung. Die restriktive Handhabung ist nach der Kreativität der Jobcenter bei der Nutzung der sog. Sonstigen Weiteren Leistungen (früher § 16 Abs. 2 SGB II), die deshalb abgeschafft wurden, gewollt. Den Jobcentern sollte die Förderung von Prozess-, Produkt- und Strukturinnovationen sowie eine weniger restriktive freie Förderung erlaubt werden.
Fazit:
Mehr Transparenz!
Mehr Innovation wagen!
Analoge Regelung – aber ohne Deckelung des Fördervolumens – im SGB II, die § 16f SGB II ablösen könnte.
Margaret Thatcher – frühere Tory-Premierministerin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, Vorbild von Liz Truss, aktuelle Tory-Premierministerin, hatte mit Beginn ihrer Amtszeit als Premierministerin (Mai 1979 bis November 1990) Gewerkschaften entmachtet, staatliche Sozialleistungen eingeschränkt und gekürzt sowie Deregulierungen und Privatisierungen durchgesetzt.
Eine Folge war ein steiler Anstieg der Arbeitslosigkeit von 5,3 % im 2. Quartal 1979 auf 11,9 % im 2. Quartal 1984 (Männer 12,2 %; Frauen 11,8 %) – also innerhalb von 5 Jahren eine Verdoppelung. Werte um 12 Prozent wurden seitdem nie wieder erreicht.
Quelle: Office for National Statistics, UK; die Amtszeit von M. Thatcher ist durch die roten Balken markiert
Die Arbeitslosigkeit der Frauen lag in der Regel unter der der Männer und sank auch schneller. Die Arbeitslosigkeit ging nach der Amtszeit Thatchers insbesondere durch den Ausbau der Kinderbetreuung unter den Labour-Regierungen (1997-2005: > 500.000 neue Kinderbetreuungsplätze) zurück, was Frauen eine bessere Erwerbsbeteiligung ermöglichte.