NEET meint „Not in Education, Employment or Training“, zu deutsch: nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung. Der Begriff NEET erfasst also nicht nur nur Arbeitslosigkeit, sondern auch dass insbesondere junge Menschen nicht aktiv in einer Ausbildung oder Qualifizierung oder in einer staatlich organisierten Umschulungs- oder Aktivierungmaßnahme sind. Er beschreibt somit die soziale Situation von Menschen, die von sozialer Exklusion bedroht sind, breiter als Arbeitslosigkeit. Die EU hat sich die Reduzierung der Zahl der NEETs zum Ziel gesetzt. Wie ist die Entwicklung in Deutschland, insbesondere im ersten Sars-CoV-2-Pandemie-Jahr?
Die Zahl der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II wird seit Jahren zurückgefahren (s. Hier). Die Intensität der Nutzung durch die Jobcenter streut regional sehr stark. Erkennbar wird dies durch die sog. Teil-Aktivierungsquote (Anteil der Teilnehmenden in Arbeitsgelegenheiten an den Arbeitslosen und den Teilnehmenden an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Rechtskreis SGB II).
Die AGH-Teil-Aktivierungsquote betrug 2020 in Deutschland 3,1 %. Die niedrigsten Quoten wiesen Hessen und Rheinland-Pfalz mit jeweils 1,8 % auf. An der Spitze lag Sachsen-Anhalt mit 9,3 %, dem fünffachen Wert der Bundesländer mit der niedrigsten Quote. Dieser hohe Wert ist auffällig.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Neben den ostdeutschen Bundesländern weist auch das Saarland eine hohe Quote auf. Für Brandenburg lässt sich darüber hinaus sagen, dass die zugelassenen kommunalen Jobcenter daran einen relevanten Anteil ausmachen. Die regionalen Unterschiede lassen sich vermutlich mit einer entsprechend unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit des jeweiligen Arbeitsmarktes erklären.
Die durchschnittlichen Kosten für eine Arbeitsgelegenheit pro Teilnahme und Monat ohne Mehraufwandsentschädigung für Teilnehmende lag im bundesweiten Durchschnitt bei 406 Euro in 2020 (Zahlen nur für Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen). Auch hier gibt es regionale Unterschiede. Der Kostensatz lag in Sachsen-Anhalt mit 254 Euro am niedrigsten, gefolgt von Baden-Württemberg mit 260 Euro. Am meisten wurden in Hamburg und Bremen pro Teilnahme im Monat gezahlt. Im Hamburg lag der Kostensatz bei 957 Euro (Bremen: 823 Euro), was dem 3,7-fachen von Sachsen-Anhalt entspricht. Der große Abstand der Stadtstaaten Hamburg und Bremen von den anderen Bundesländern sticht heraus. Deutlich wird, dass die Maßnahmeträger für die gleiche Leistung vermutlich unterschiedlich vergütet werden.
nur gE; Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Dabei hat sich in Hamburg der Kostensatz um rund 33 % gegenüber 2019 erhöht (Bremen: rd. 30 %; Deutschland: 2,6 % ). Im Saarland wurde er in 2020 gegenüber dem Vorjahr um über 17 % gekürzt. Welchen Einfluss die politisch angeordneten Einschränkungen auf die Veränderungen hatten, läßt sich aus den Daten nicht erschließen. Es ist eher von regionalen Besonderheiten auszugehen.
„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.
Für dieses Instrument sind bisher nur wenige Daten zu den Teilnahmedauern und den (vorzeitigen) Austritten veröffentlicht gewesen. Für 2020 und 2019 – die ersten beiden Jahre seit Gesetzesgültigkeit – gibt es nun erste Austritts-Daten zur Orientierung. Diese werden im Folgenden zusammengefasst präsentiert.
Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz) wurde am 22. April 2021 vom Bundestag beschlossen. Es bringt einige Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und Rehabilitandinnen und Rehabilitanden.
Regelungsinhalte des Teilhabestärkungsgesetzes
1. Trägerbestimmung und digitale Pflegeanwendungen – Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)
2. Verbesserung der Betreuung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden – Zweites und Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB III)
3. Antragsverfahren zum Kurzarbeitergeld in der Datenübermittlung – Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)
4. Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe – § 99 SGB IX
5. Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen – SGB IX
6. Digitale Gesundheitsanwendung in der Rehabilitation – SGB IX
7. Ausweitung des Budgets für Ausbildung – SGB IX
8. Assistenzhunde – Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG)
Im Folgenden wird auf die Neuerungen von arbeitsmarktpolitischer Bedeutung eingegangen.
Arbeitsmarktpolitische Bedeutung
Vorgesehen sind verschiedene Anpassungen im Bereich der Leistungserbringung und -koordinierung für Rehabilitandinnen und Rehabilitanden, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; „Hartz IV“) beziehen. Ihre Betreuungssituation in den Jobcentern soll verbessert werden, indem den Jobcentern die Möglichkeit eingeräumt wird, Leistungen zur Eingliederung in Arbeit neben einem Rehabilitationsverfahren zu erbringen. Das sog. „Leistungsverbot“ der Jobcenter bei Rehabilitandinnen und Rehabilitanden (§ 22 Absatz 2 SGB III) wird somit gelockert.
Durch eine Änderung des § 5 SGB II (Verhältnis zu anderen Leistungen) können nun nach eigenem Ermessen Leistungen nach den §§ 16a und 16b, 16d sowie 16f bis 16i SGB II auch an erwerbsfähige Leistungsberechtigte erbracht werden, sofern ein Rehabilitationsträger im Sinne des Neunten Buches zuständig ist. Die §§ 16c (Eingliederung von Selbständigen) und 16e (Eingliederung von Langzeitarbeitslosen) sind aufgrund ihrer Leistungskongruenz mit dem Portfolio der Rehabilitationsleistungen nach dem SGB IX von der Öffnung ausgenommen.
Auch ist damit der Zugang zu Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung und zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe verbessert worden. Mit der Einfügung des § 116 Absatz 5 SGB III ist beispielsweise eine Verlängerung einer durch die Jobcenter finanzierten außerbetrieblichen Berufsausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus möglich, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann.
Das Leistungsverbot für die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter soll partiell aufgehoben werden in Bezug auf die Leistungen nach den §§ 44 und 45 SGB III bzw. nach § 16 Absatz 1 SGB II i. V. m. §§ 44 und 45 SGB III. Die Vermittlungstätigkeit kann nun unmittelbar mit vermittlungsunterstützenden Leistungen flankiert werden.
Es wird im Gesetz sichergestellt, dass die Rehabilitationsträger und die Jobcenter die von ihnen zu erbringenden Leistungen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen nach den §§ 16a ff. SGB II) verbindlich koordinieren und aufeinander abstimmen. Zugleich werden alle Kommunikationswege für die Abstimmung und für den Austausch von Sozialdaten bei Zusammentreffen von Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB III und Rehabilitationsleistungen in diesem Verfahren gebündelt. Deshalb werden die Mitwirkungsmöglichkeiten der Jobcenter im Rehabilitationsverfahren gestärkt, bspw. im Teilhabeplanverfahren.
Fazit
Das Gesetz stärkt Menschen mit Behinderung und Rehabilitandinnen und Rehabilitanden durch zahlreiche Verbesserungen. Ob diese auch geeignet sind die Eingliederung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden in den Arbeitsmarkt deutlich zu beschleunigen, wird auszuwerten sein.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Arbeitsgelegenheiten gibt es seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (sog. Hartz IV; SGB II). Arbeitsgelegenheiten sind zusätzliche Arbeiten im öffentlichen Interesse, die wettbewerbsneutral sind. Sie gehen auf die Hilfen zur Arbeit gemäß dem Bundessozialhilfegesetz zurück und davor bis hin zum Reichsarbeitsdienst in den 1920er Jahren. Sie wurden stark kritisiert, weil sie mit lock-in Effekten verbunden seien und somit kontraproduktiv zur Eingliederung in Arbeit stünden. Auch wurde angenommen, dass sie ungeförderte Arbeitsplätze gefährden (Hammer 2008). Deshalb wurde die Rechtsgrundlage der auch sog. 1-Euro-Jobs verschiedentlich verändert.
Mit dem sog. Rechtsvereinfachungsgesetz zum 1.8.2016 wurde die 2012 gestrichenen Möglichkeit der Kostenübernahme für sozialpädagogische Begleitung wieder eingeführt und die zwischen dem 1.4.2012 bis zum 1.8.2016 maximale Förderhöchstdauer von 24 innerhalb von 60 Monaten aufgeweicht, indem ein drittes Förderjahr möglich sein kann. Die sog. Instrumentenreform in 2012 wahr sehr restriktiv im Vergleich zur Vorgängerregelung. Abgeschafft wurden zeitlich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Arbeitsgelegenheit gegen Entgelt (also als versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis). Die aktuelle Fassung findet sich in §16 d SGB II.
Arbeitsgelegenheiten waren die ersten Jahre des SGB II schon von der Menge her ein bedeutendes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Von 2006 bis 2011 lag die Zahl der Teilnehmenden im Bestand im monatlichen Durchschnitt dieser Jahre jeweils über 300.000 geförderten Personen. Wähnend der Finanzkrise 2008/2009 stieg die Zahl nochmal an. Mit der sog. Instrumentenreform 2012 halbierte sich der Bestand in 2012. Danach fiel der Bestand immer weiter. Die teilweise Rücknahme der Restriktionen wirkte sich nicht weiter aus. Der Rückgang setzt sich im shutdown 2020 fort. Auch die Aufhebungen der Kontakteinschränkungen führte nicht zu einem Anstieg um zumindest mit diesem Instrument die Erwerbsfähigkeit von Arbeitslosen wieder herzustellen oder eine minimale soziale Teilhabe zu gewährleisten.
Im ersten Quartal 2021 lag die Bestandszahlen unter 50.000 Personen – so wenig wie noch nie seit dem Start des SGB II. Im April 2021 lag der vorläufige Wert bei fast 51.000 Personen.
Mit diesem starken Rückgang ist parallel auch die Bedeutung von gemeinnützigen Beschäftigungsträgern gesunken, die sehr stark auf diesen Instrument gesetzt haben und von seiner Nützlichkeit überzeugt waren. Arbeitslose in Arbeitsgelegenheiten haben den Vorteil gehabt, einen Mehraufwand bezahlt zu bekommen. Das waren pro Person im im deutschlandweiten monatlichen Durchschnitt 115 Euro in 2020 (130 Euro in 2019) zusätzlich zum Arbeitslosengeld II. Dieser Betrag fehlte in der Pandemie zahlreichen Arbeitslosen.
Hammer, Andreas: 2008: Erfahrungsaustausch zu Arbeitsgelegenheiten, Jobperspektive und SWL – aktuelle Rahmenbedingungen für Beschäftigungsgesellschaften. In: Forum Arbeit 2/2008, S. 27ff
Wenn vom Bund und den Medien zur Darstellung der Arbeitsmarktsituation die Arbeitslosigkeit in Zahlen ausgedrückt wird, geht es meist um die registrierte Arbeitslosigkeit (gem. § 16 SGB III).
Arbeitslosigkeit
Bei der registrierten Arbeitslosigkeit müssen mindestens vier Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:
vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen,
eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen,
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen,
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben.
Ist eine einzige der Bedingungen nicht erfüllt, dann gilt die Person nicht als arbeitslos. So melden sich Berufsrückkehrerinnen nach der Elternzeit häufiger nicht bei der Agentur für Arbeit, wenn sie kein Arbeitslosengeld bekommen würden. Sie gelten dann nicht als arbeitslos. Nicht als arbeitslos zählen Teilnehmende an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (z. B. Sog. 1-Euro-Jobber, Teilnehmende in Bewerbungstrainings).
Die auf der registrierten Arbeitslosigkeit basierenden Indikatoren (Arbeitslosenquoten usw.) haben spätestens seit Einführung des SGB II (sog. „Hartz IV“) an Aussagekraft für eine Interpretation der Arbeitsmarktdynamik verloren, vor allem wenn man etwas gegen Arbeitslosigkeit tun möchte. Gründe sind die veränderten Definitionen und Zählweisen seit der ersten Regierungszeit von Helmut Kohl („geistig-moralische Wende“).
Unterbeschäftigung
Aussagekräftiger als die Arbeitslosigkeit ist das Maß der sog. Unterbeschäftigung – ein Begriff der wohl auch gewählt wurde, weil er nicht so schlimm klingt wie „Arbeitslosigkeit“. Für die Unterbeschäftigung gibt es Stufen der Definition der Bundesagentur für Arbeit, die verschiedene „Arbeitslose“ ein- oder ausschließen. In der Unterbeschäftigung werden in der engsten Definition zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne des SGB gelten, weil sie Teilnehmende an einer Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik oder in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind. In der weitesten Definition der Agentur für Arbeit sind auch die Kurzarbeiter/-innen berücksichtigt.
Nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit wird mit dem Konzept der Unterbeschäftigung zweierlei geleistet:
Es wird ein möglichst umfassendes Bild vom Defizit an regulärer Beschäftigung in einer Volkswirtschaft gegeben.
Realwirtschaftliche (insbesondere konjunkturell) bedingte Einflüsse auf den Arbeitsmarkt können besser erkannt werden, weil der Einsatz entlastender Arbeitsmarktpolitik zwar die Arbeitslosigkeit, nicht aber die Unterbeschäftigung verändert.
Die Funktion des Konzepts „Unterbeschäftigung“ zeigt bereits die Mängel der Definition von Arbeitslosigkeit. Aber auch bei der Unterbeschäftigung müssen die o. g. Vier Bedingungen gegeben sein. Zudem werden viele Arbeitslose in der Statistik auch nicht über die Unterbeschäftigung erfasst.
Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
Die Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung seit Beginn des Jahres 2019 (für früheren Zeitraum siehe hier: https://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=1245) zeigt, einen relativ stabilen Verlauf der Zahl der registrierten Arbeitslosen um das Niveau von 2,3 Mio. Arbeitslosen bis zum Beginn der ersten politischen Anordnung von Einschränkungen von Aktivitäten im Frühjahr 2020. Die Unterbeschäftigung war ähnlich stabil bei etwa 3,3 Mio. Unterbeschäftigten („Arbeitslosen“). Die Unterbeschäftigung entsprach damit im Mittel etwa dem 1,4-fachen der registrieren Arbeitslosigkeit.
Quelle: Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung
Seit März 2020 (bis Februar 2021) stieg im Durchschnitt die Arbeitslosigkeit auf 2,8 Mio. Personen. Der Anstieg in diesen 12 Monaten beträgt im Vergleich zu den 14 Monaten davor 21,4 %.
Die Unterbeschäftigung stieg in stärkerem Umfang und zwar um 56,2 % auf durchschnittlich 5,1 Mio. Personen. Der Wert liegt somit um das 1,8-fache über dem der registrierten Arbeitslosigkeit.
Die Unterbeschäftigung nimmt seit Oktober 2020 sehr stark zu, wobei die Arbeitslosigkeit auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vormonaten bleibt.
Der minimale Rückgang der Arbeitslosigkeit im Herbst 2020 zeigt insofern keine Trendwende am Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: der große und deutlich gestiegene Umfang der Unterbeschäftigung zeigt weiteren arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf an.
Im Februar 2021 waren 2,9 Mio. Menschen arbeitslos und 5,9 Mio. unterbeschäftigt – also rund 2,9 Mio. mehr als registrierte Arbeitslose.
Eine Konzentration auf das Instrument Kurzarbeitergeld – übrigens standardmäßig aus Beiträgen der Sozialversicherung finanziert – dämpft den Anstieg der Arbeitslosenzahlen, verbessert aber dadurch nicht die Arbeitsmarktsituation. Es stellt angesichts des Anstiegs der Langzeitarbeitslosigkeit (https://w9eg9znx6.homepage.t-online.de/hammer-eu/wordpress/?p=1501) für diese auch keine Problemlösung dar.
Entgegen der Redeweise von einem „stabilen“ Arbeitsmarkt oder einem Arbeitsmarkt, der durch die Pandemie nicht wesentlich beeinträchtigt wurde, geht das Defizit an regulärer Beschäftigung in die Hunderttausende. Im Frühjahr 2021 gibt es rund 6 Mio. Menschen, die mehr arbeiten wollen oder müssen als sie dürfen. Und gleichzeitig will die Bundesregierung die Mittel aus dem EU-Next-Generation-Instrument (s. hier) nutzen um vorhandene Programm wie „Ausbildungsplätze sichern“ (s. hier) zu refinanzieren oder um den Anreiz (!) zur Ausweitung (!) der Arbeitszeit zu erhöhen.
Anders formuliert: sollte es keinen Unwillen beim Bund geben Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftfigung abzubauen, dann ist ein Unvermögen festzustellen, innovative Interventionen des Staates für eine nachhaltige Beschäftigung zu entwickeln und dafür die EU- und andere Mittel zu nutzen.
Es braucht deutlich mehr (Vorschläge z. B. hier oder hier) um während und nach der Pandemie Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung abzubauen als die bisherigen Instrumente, Finanzmittel, Rechtssetzung und mediale Präsentation.
„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.
Im April 2021 waren 42.077 Förderfälle im Bestand (Zahl vorläufig; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit), die Zahl der Eintritte lag bei 763.
Der anfänglich schnelle Anstieg der Fallzahlen, lag auch daran, dass Teilnehmende aus vorangegangenen Förderprogramm mit §16 i SGB II weiter gefördert werden konnten.
Seit August 2019 (wenn man von den Ausnahmen August und September 2019 absieht, sogar seit April 2019) gehen die monatlichen Zugänge bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt im Trend zurück (siehe auch hier und hier). Diese Entwicklung hat bereits deutlich vor Beginn der Corona-Pandemie eingesetzt. Dieser Hinweis ist wichtig, damit nicht mit der Begründung „Pandemie“ auf die Analyse der Probleme des Instruments vezichtet wird.
Seit Dezember 2020 gehen zudem die Bestandszahlen zurück – allerdings sind diese Daten vorläufig, sodass sich schließlich noch eine Steigerung gegenüber dem Februar 2020 ergeben kann.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Der zeitweise Rücknahme von Pandemie-bedingten Einschränkungen hat sich beim Teilhabechancengesetz nicht wesentlich ausgewirkt. Solange zahlreiche Arbeitgeber Kurzarbeit nutzen (s. hier), werden sie eher nicht Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsberechtigte einstellen.
Bislang sind rund 59.700 Personen gefördert worden. Die Zahl der Austritte bzw. des Förderendes beträgt rund 17.600, was etwa 29,5 Prozent entspricht. Das Förderende mit einer ngativen Auswirkung auf den Bestand kann im übrigen auch dadurch entstehen, dass geförderte Arbeitsverträge von den Arbeitgebern nicht verlängert wurden.
In der Corona-Krise zeigt sich nun auch ein bereits im Gesetzgebungsverfahren festgestellter Mangel: die Arbeitsverhältnisse nach § 16i SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt – sind nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Deshalb kann für diese Beschäftigten keine Kurzarbeit beantragt werden. Dies wäre sicherlich für Arbeitgeber ein Anreiz, auch in Krisenzeiten öffentlich-geförderte Beschäftigung zu nutzen.
Der Entwurf zum 11. Änderungsgesetz zum SGB II, hat für dieses Instrument keine Änderungen vorgesehen. Eine Änderung des SGB II ist vor der Bundestagswahl im September 2021 eher unwahrscheinlich. Erleichterungen könnten untergesetzlich erfolgen. So könnte kurzfristig der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen.
Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – darf nicht dauerhaft eingeschränkt werden, auch nicht in Zeiten von Krisen. Die vorhandenen Rechtsgrundlagen und Konzepte zur Teilhabe müssen entsprechend angepasst und krisentauglich werden.
Als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes soll der § 16e SGB II seit 1.1.20219 die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fördern (siehe auch hier und hier).
Im April 2021 betrug der Fallbestand 11.582 (vorläufige Zahl; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit), die Zahl der Eintritte lag bei 378.
Seit September 2019 gehen die monatlichen Zugänge im Trend zurück (siehe auch hier). Diese Entwicklung setzt also bereits deutlich vor der Corona-Pandemie ein.
Seit Januar 2021 gehen außerdem die Bestandszahlen zurück – das kann sich allerdings noch ändern, sobald die Zahlen nicht mehr vorläufig sind.
Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Insgesamt sind bislang rund 18.980 Personen über das Instrument gefördert worden. Andererseits sind rund 7.400 bereits wieder ausgeschieden, was deutlich mehr als jeden Dritten betrifft (38,9 Prozent).
Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Bund mit dem Instrument sein Ziel erreicht. Denn die maximale Förderdauer eines Arbeitsvertrags beträgt 24 Monate und nach und nach läuft die Förderung aus.
Pessimistisch stimmen der hohe Anteil des vorzeitiges negativen Endes der geförderten Arbeitsverträge – hauptsächlich in Folge von Kündigungen der Arbeitgeber – und die teilweise kurze Teilnahmedauer der Geförderten (s. hier).
Es scheint sich bereits jetzt ein Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung der Förderung abzuzeichnen. Vor der anstehenden Bundestagswahl im September 2001 scheint dies nur untergesetzlich durch einen größeren örtlichen Ermessensspielraum der Jobcenter möglich.
Die Burgenländische Landesregierung (in Österreich) hat 2019 einen „Zukunftsplan Pflege – Bedarfs- und Entwicklungsplanung 2018 – 2030“ veröffentlicht. Neben einer Bedarfsanalyse sind Vorschläge zur weiteren Entwicklung im Bereich der Betreuung und Pflege enthalten. Danach wurde dieses Plan – ebenfalls 2019 – auf eine gesetztliche Basis gestellt – im Gesetz über den Betrieb und die Organisation von Sozialeinrichtungen zur Betreuung pflegebedürftiger und behinderter Menschen (Burgenländisches Sozialeinrichtungsgesetz – SEG).
Das SEG hat unter anderem die Gemeinnützigkeit als Erfordernis für die Tätigkeit als Betreiberin oder Betreiber einer Pflegeeinrichtung oder eines mobilen Pflegedienstes zum Inhalt. Das heißt, dass für diese Branche im Burgenland vollständig die Gemeinnützigkeit als Voraussetzung für den Erhalt von Finanzmitteln gilt. Erzielte Gewinne, die aus der Pflege- und Betreuungstätigkeit entstehen, sind zweckbestimmt ausschließlich und unmittelbar wieder für die Pflege, die Betreuung und die Verbesserung der Infrastruktur sowie die Qualität der Pflegeeinrichtungen und der Pflegeangebote der Träger im Burgenland zu verwenden.
Das Gesetz wurde zum 1.1.2021 novelliert. Die Gemeinnützigkeit als Bewilligungsvoraussetzung ist weiterhin im Gesetz verankert. Offensichtlich gibt es von keiner Seite aus, weder von gewinnorientierten Trägern noch von der EU-Kommission, ein Klageverfahren gegen diese Vorgabe. Insofern ist das im Vergleich zur Marktorientierung in Deutschland eine interessante und offensichtlich auch rechtlich tragfähige Alternative. Dann wäre auch weitere Branchen denkbar.
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