Der Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP für ein Gesetz zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen vom 10.3.2022 sieht Bedarf für eine Verlängerung. Die Verlängerung ist vorsorglich, da Schutzmaßnahmen zum 19.3.2022 auslaufen würden. Sie ist bis maximal bis zum 23.9.2022 möglich.
Auch durch die verbliebenen möglichen Schutzmaßnahmen, ist es weiterhin möglich, dass die Angebote der sozialen Dienstleister fortlaufend oder erneut, insbesondere durch Abstandsgebote und Hygienekonzepte, beeinträchtigt werden. Daher ist es erforderlich, die Geltungsdauer des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes (SodEG), die ebenfalls bis zum Ablauf des 19. März 2022 begrenzt ist, zum Schutz der sozialen Infrastruktur vorsorglich zu verlängern. Sollten die Länder keine die sozialen Dienstleister beeinträchtigenden Schutz maßnahmen erlassen, würde die durch dieses Gesetz vorgesehene Verlängerung des SodEG nicht greifen, denn die Voraussetzung einer Beeinträchtigung durch entsprechende Maßnahmen des IfSG wäre dann nicht gegeben.
Quelle: Gesetzesentwurf; Hervorhebung AH
Durch die vorsorgliche Verlängerung des Sicherstellungsauftrags nach dem SodEG bis zum 30. Juni 2022 und eine Verordnungsermächtigung zur Verlängerung bis zum 23. September 2022 wird sichergestellt, dass die soziale Infrastruktur erhalten bleibt und soziale Dienstleistungen auch nach dem Ende der erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch erbracht werden können.
Soziale Ungleichheit ist ein gesellschaftliches Dauerthema, welches unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet wird. Unter den verschiedenen Aspekten wird nachfolgend lediglich ein Aspekt hervorgehoben: müssen Personen eine Mahlzeit ausfallen lassen, weil das Geld für Essen nicht ausreicht?
Für eine Auswertung* wurden Daten des International Social Survey Programme herangezogen. Dies ist ein länderübergreifendes, fortlaufendes Umfrageprogramm, das jährlich Erhebungen zu Themen durchführt, die für die Sozialwissenschaften wichtig sind. Die Studie 2019 konzentriert sich auf Fragen zur Sozialen Ungleichheit: An der Studie teilgenommen haben 1325 Personen im Alter von 18 Jahren und älter. Auf die Frage haben 1285 geantwortet (gewichtet). Die absoluten Zahlen sind zur Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit gewichtet. Die Antworten wurden in Deutschland im Herbst 2019 erfasst.
Die Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.
Die Frage lautete:
Wie oft lassen Sie oder andere Mitglieder Ihres Haushalts eine Mahlzeit ausfallen, weil das Geld für Essen nicht ausreicht? Bitte nur EIN Kästchen ankreuzen!
Nie
Weniger als einmal im Monat
Einmal im Monat
Mehrmals im Monat
Einmal in der Woche
Mehrmals in der Woche
Jeden Tag
Kann ich nicht sagen
Für die Auswertung wurden zwei Gruppen gebildet: eine, bei denen nie eine Mahlzeit ausfällt, und eine zweite, bei denen dies vorkommt, wie häufig auch immer.
Insgesamt lassen 93,2 % nie eine Mahlzeit ausfallen, bei 6,8 % kommt dies vor. Die zweite Gruppe entspricht einem Umfang in der Bevölkerung in 2019 von hochgerechnet rund 4,7 Mio. Betroffenen im Alter von über 18 Jahren.
Besonders betroffene Gruppen sind dauerhaft kranke oder erwerbsunfähige Personen, bei denen mehr als die Hälfte (56,4 %) auf eine Mahlzeit im Monat verzichten muss, weil das Geld für das Essen nicht ausreicht.
Arbeitslose und Arbeitsuchende (ILO-Konzept) sind gleichfalls zu einem großen Anteil davon betroffen: mehr als jeder Vierte (27,2 %).
Aber auch Erwerbstätige sind nicht vor diesem Problem geschützt. Bei immerhin 5 % fällt zumindest eine Mahlzeit im Monat aus.
Diejenigen, die bei der letzten Bundestagswahl (2018) gewählt haben, wurden gefragt, wem sie die Zweitstimme gegeben haben. Demnach haben vor allem Wähler*innen von „Die Partei“ (22,6 %) und der AfD (8,1 %) eine Mahlzeit ausfallen lassen, weil ihnen das Geld nicht gereicht hat. Wähler*innen von Bündnis 90/Die Grünen (3,9 %) und von CDU/CSU (4,7 %) waren am geringsten betroffen.
Fazit
Über 4 Millionen sind trotz Sozialleistungen und Tafeln davon betroffen, aus Geldmangel auf eine Mahlzeit verzichten zu müssen. Dieser Umfang scheint auf eine große, finanzielle und möglicherweise strukturelle Ungleichheit hinzudeuten (bei der in 2022 zu beobachtenden Inflation ist der Umfang wohl noch höher). Eine Erhöhung des Arbeitslosengeld II oder des Mindestlohns wird hier eine Verbesserung bewirken, allerdings wäre das allenfalls eine Teillösung. Erwerbsunfähige, Rentner*innen oder Auszubildende brauchen weiterführende Verbesserungen, um regelmäßige Mahlzeiten zu ermöglichen und Gleichheit zu erhöhen.
*Alle Berechnungen: Andreas Hammer; Quelle: International Social Survey Programme 2019 Social Inequality
Gedenktage wie der Internationale Frauentag bringen immer wieder Themen in den Blick, die sonst nur nachrangig Aufmerksamkeit finden (siehe auch hier). Ein solches Thema stellt die Frage dar, ob Frauen normalerweise genauso mit Respekt behandelt wie andere Menschen werden.
Hinweise dazu können aus einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zu Diskriminierung ((Strukturelle) Diskriminierung, Mai 2019. Eine Studie von Kantar, Public Division im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA)) gewonnen werden. Aus diesen Datensätzen* lässt sich das Ausmaß von wahrgenommenen Respekt gegenüber Frauen genauer bestimmen.
An der Befragung haben 1.060 Personen im Alter von über 18 Jahren teilgenommen. Die absoluten Zahlen sind zur Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit gewichtet. Folgende statistisch signifikanten Ergebnisse lassen sich ausweisen:
Zwei von drei Befragten (65,8 %; Trifft voll und ganz zu/ Trifft eher zu) sind der Meinung, dass Frauen normalerweise genauso mit Respekt behandelt wie andere Menschen werden.
Haben die Befragten eine eigene Diskriminierungserfahrung oder eine Diskriminierungserfahrung bezogen auf ihr Umfeld oder ihnen Unbekannte, dann sinken die Zustimmungswerte deutlich ab, jeweils auf unter 55 Prozent. Personen ohne Diskriminierungserfahrung sind zu über 70 Prozent der Meinung, dass Frauen genauso respektvoll behandelt werden wie andere. Menschen ohne Diskriminierungserfahrung sehen die Lage deutlich positiver als von Diskriminierung Betroffene und unterschätzen somit den Handlungsbedarf.
Unabhängig von der Diskriminierungserfahrung schätzen Frauen die Situation deutlich schlechter als Männer ein: 59 Prozent finden, dass Frauen genauso respektvoll behandelt werden wie andere, bei den Männern sind es fast 73 Prozent (+14 %). Bei Frauen mit eigener Diskriminierungserfahrung liegt der Wert bei rund 39 %.
Merkmale wie Partnerschaft (ja/nein) und Migrationshintergrund sind nicht signifikant.
Ein Schritt im Alltag wäre demnach mehr Respekt im Umgang mit Frauen. Dazu braucht es wohl auch mehr gute Vorbilder.
Weiterführende Literatur: Richard Sennet: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin Verlag 2002
*GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6735 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.13402
Das von der Ampel-Regierung angekündigte Sanktionsmoratorium für das SGB II ist auf dem Weg in das Gesetzgebungsverfahren. War aus dem Koalitionsvertrag nicht eindeutig herauszulesen, wie die Formulierung dort zu verstehen ist, so schafft nun die Regelung im Entwurf Klarheit: die §§ 31a (Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen) und b (Beginn und Dauer der Minderung) sowie der § 32 SGB II (Meldeversäumnisse) werden ausgesetzt, und zwar bis zum 31.12.2022. Die Gesetzesänderung soll unmittelbar nach Beschluss in Kraft treten. In dieser Zeit wird als keine Sanktion vollzogen.
Der Referentenentwurf vom 28.2.2022 macht aber auch klar, dass die Zuweisung in Maßnahmen weiterhin mit Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen erfolgt, und eine Sanktion nach dem Moratorium vollzogen werden kann. Genau genommen wird also hier nur der Vollzug der Sanktion ausgesetzt und nicht die Sanktion selbst.
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In vielen westlichen Industrieländern hat eine öffentliche Diskussion zum Thema Einsamkeit im Alter Fahrt aufgenommen. Nachdem 2018 in Großbritannien ein Regierungsposten zur Bekämpfung der Einsamkeit eingerichtet wurde, sind auch in deutschen Verwaltungen Stabsstellen oder Förderprogramme (z. B. „Stärkung der Teilhabe älterer Menschen – gegen Einsamkeit und soziale Isolation“ des Bundes) eingerichtet worden. Zuvor war Einsamkeit im 1. und 2. Weltkrieg besonders häufig Thema.
Einsamkeit kann als eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen definiert werden (Maike Luhmann).
Einsamkeit war Thema einer Studie (Rente und Alter – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, Januar 2020, Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH im Auftrag des Bundes), die sich auf Rente und Alter bezieht. Unter den 1.075 Befragten ab 18 Jahren in der Bevölkerung Deutschlands waren 630 Rentnerinnen und Rentner (zum Thema Ältere und Wohnen bzw. Ältere und Einsamkeit siehe). Diese Daten* wurden ausgewertet (alle Berechnungen: Andreas Hammer) und entsprechend der allgemeinen Bevölkerungsstruktur gewichtet. In der Umfrage wurde Einsamkeit mit einer einzigen Frage gemessen („Wie ist das mit dem Thema Einsamkeit: Fühlen Sie sich …- häufig einsam, – ab und zu, – selten oder – nie?“). Dies ist durchaus üblich. Die Werte sind bei dieser Messart möglicherweise aufgrund sozial erwünschter Antworten unterschätzt. Die Daten wurden unmittelbar vor der SARS-CoV-2-Pandemie erhoben, sodass die Werte von Einsamkeit seitdem noch gestiegen sein werden.
Zunächst einmal beträgt in der Stichprobe der Anteil der einsamen Menschen 14,6 Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung im gleichen Alter wären rund 9,7 Mio. Menschen von Einsamkeit häufig oder ab und zu betroffen.
Entgegen populärer Annahmen, auch denen des deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/aeltere-menschen/aktiv-im-alter/einsamkeit-im-alter), ist es nicht so, dass ältere Menschen besonders häufig von Einsamkeit betroffen sind. Dies zeigen die Umfragedaten.
Die Altersangaben in den Datensätzen wurden für die folgende Auswertung umgruppiert, sodass immer 10 Jahrgänge zusammengefasst sind (Ausnahme: die jüngste Altersgruppe umfasst zusätzlich die 18- und 19-Jährigen; Altersgruppe 1 = 18 bis 29 Jahre, 2 = 30 bis 39 Jahre usw.).
Nicht einsame Personen
Diejenigen, die sich nicht einsam (zusammengefasst selten und nie) fühlen, sind in ihrem Alter normalverteilt. Der Median der Altersgruppe liegt bei 40 bis 49 Jahren.
Einsame Personen
Bei denjenigen, die sich einsam fühlen (zusammengefasst häufig und ab und zu), gibt es eine andere Verteilung. So gibt es zwei erhöhte Werte bei den bis 29-Jährigen und bei den 50 bis 59-Jährigen. Ansonsten sinken die Anteile der Einsamen mit steigendem Alter. Der Median der Altersgruppe liegt bei 40 bis 49 Jahren. Allerdings: Einsamkeit ist in allen Altersklassen vertreten.
Die erste Risikogruppe der jungen Menschen ist vermutlich deshalb stärker von Einsamkeit betroffen oder bedroht, da sie für ein Studium oder eine Erwerbstätigkeit den Wohnort wechselt. Diese Erklärung wird dadurch bestärkt, wenn man die Daten nach dem Ausbildungsstatus (in Ausbildung/Studium ja/nein) auswertet. Hier fühlen sich diejenigen in Ausbildung besonders einsam.
Für die zweite Risikogruppe der 50- bis 59-Jährigen ändert sich häufig die Haushaltssituation: die eigenen Kinder sind ausgezogen oder Partnerschaften ändern sich. Diese Veränderung beginnt schon in der 2. Hälfte der 40er-Jahre (Anteil der Einsamen 40-44 Jahre: 5,3 %, Anteil der Einsamen 45-49 Jahre: 6,1 %). Auch Singles, Ledige, Geschiedene und Verwitwete fühlen sich einsamer.
Besondere Aufmerksamkeit sollte deshalb auf diese beiden Gruppen gerichtet werden.
Die Älteren über 70 Jahre haben einen eher geringen Anteil an den Einsamen.
Weitere Merkmale, die mit höheren Anteilen bei Einsamkeit verbunden sind, sind eine größere Unzufriedenheit mit dem Leben allgemein, mit der Wohnsituation und dem Gesundheitszustand. Die Größe des Wohnortes spielt übrigens keine signifikante Rolle.
Strategien und Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen
Sollte Einsamkeit zu sozialer Isolation oder gesundheitlichen Belastungen führen, besteht Handlungsbedarf. Entsprechende Strategien und Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen könnten nach den beiden verschiedenen Risikogruppen differenziert werden. Sie sollten sich nicht alleine an der persönlichen Situation richten (ein Auslöser wie Verwitwung lässt sich nicht rückgängig machen, Auszug der Kinder), sondern auch die Struktur im Umfeld in den Blick nehmen (Schaffung von Gelegenheiten für soziale Interaktion, Wohnformen, siehe).
Dabei sollte berücksichtigt werden, dass sich der Anteil der Einsamen, die mehr Kontakt zu anderen Menschen suchen etwa genauso groß ist wie der, die nicht mehr Kontakt suchen. Für die Kontakt-suchenden Einsamen wären strukturelle Angebote wohl geeigneter. Einsame, die nicht mehr Kontakt suchen, können resigniert haben auf der Suche nach Kontakt (sie sind auch weniger zufrieden mit ihrem Leben) oder keinen Veränderungswunsch haben. Hier könnte der Einsatz sozialer Medien ein geeigneter Ansatz sein.
* GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6747 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.13579
Da im März 2022 der sog. vereinfachte Zugang in das SGB II im Rahmen des Sozialschutz-Paketes regulär endet, besteht Bedarf für eine Anschlussregelung, solang die Pandemie nicht überwunden ist. Im entsprechenden Entwurf für eine Verordnung ist eine Verlängerung bis zum 31.12.2022 vorgesehen. In der Verordnung wird angekündigt:
Die die Bundesregierung tragenden Parteien haben in dem Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode unter anderem die Einführung eines Bürgergeldes vereinbart. Das Bürgergeld soll in den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezuges ohne Berücksichtigung des Vermögens und unter Anerkennung der Angemessenheit der Wohnung erbracht werden. Dieser Ansatz greift die zentralen Regelungen des vereinfachten Verfahrens für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen auf. Das Bürgergeld soll voraussichtlich zum 1. Januar 2023 eingeführt werden. Auch im Hinblick darauf ist es angezeigt, die Regelungen für das vereinfachte Verfahren bis zum 31. Dezember 2022 zu verlängern, um insoweit einen nahtlosen Anschluss zu ermöglichen.
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: 2. Vereinfachter-Zugang-Verlängerungsverordnung vom 4.2.2022
Sollte dieser Zeitplan eingehalten werden, ist bis zu diesem Datum mit keinen größeren Veränderungen als die im Sozialschutzpaket bereits geregelten Punkte (Vermögensprüfung, Angemessenheit der Unterkunftskosten) sowie die aus dem Entwurf zum 11. Änderungsgesetz angedachten Änderungen (Teilhabevereinbarung, Bagatellgrenze usw.; siehe hier) zu rechnen.
Die geplante einmalige Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro brutto pro Stunde zum 1.10.2022 ist sicherlich eine Verbesserung für die davon betroffenen Beschäftigten. Ärgerlich ist allerdings die Begründung im Referentenentwurf vom 21.1.2022 und Relevantes, was nicht verändert wird. Hier gibt es trotz der Erhöhung Optimierungsbedarf.
Im Jahr 2016 hat die frühere Bundesministerin Nahles das „Arbeitsmarktprogramm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ angekündigt, welches der Bundestag dann mit Rechtswirkung zum 1.8.2016 beschlossen hat. Die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen – FIM – sind formal ähnlich wie Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II oder Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausgestaltet, unterscheiden sich aber vor allem von der Zielsetzung her.
Im Folgenden werden die Ausgestaltung und Entwicklung der FIM dargestellt.
Zum 1.1.2022 ist eine neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit für die gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter) zu den Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB sowie eine zur Teilhabe am Arbeitsmarkt nach § 16i SGB II gültig geworden.
In beiden besteht die Aktualisierung darin, dass nunmehr auch RehabilitandInnen mit den genannten Instrumenten gefördert werden können. Dies ist Ausfluss des Teilhabestärkungsgesetzes. Demnach ist seit dem 1.1.2022 für einige Instrumente das Leistungsverbot der Jobcenter für RehabilitandInnen aufgehoben worden. Dazu gehören nicht nur die §§ 16d und i SGB II, sondern noch weitere. Dies hat Gültigkeit, auch wenn hierfür die Weisungen noch nicht aktualisiert wurden (ausführlich hier).
Ältere Menschen sind auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt und werden auch durch Programme und Maßnahmen der Arbeitsverwaltung nicht optimal gefördert (siehe beispielsweise hier).
Zudem werden Menschen wegen ihres (vermeintlich) hohen Alters diskriminiert – nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch in anderen Bereichen. Dazu gab es 2019 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage ((Strukturelle) Diskriminierung, Mai 2019. Eine Studie von Kantar, Public Division im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA)). Aus diesen Datensätzen* lässt sich das Ausmaß von Diskriminierung von Menschen aufgrund zu hohen Alters genauer bestimmen.
An der Befragung haben 1.060 Personen im Alter von über 18 Jahren teilgenommen.
Von den Befragten erklärten 7,4 %, dass sie persönlich eine Diskriminierung auf Grund zu hohen Alters in den letzten drei Jahren erlebt haben. Unter denen, die Frage überhaupt beantwortet haben, waren es 21,5%.
Im folgenden werden Ergebnisse dieser Befragten, die 50 Jahre und älter sind, genauer betrachtet. Die absoluten Zahlen sind zur Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit gewichtet (n=35).
In zahlreichen Bereichen wird die Diskriminierung erlebt. Als Antwortmöglichkeiten waren möglich: Häufig, Gelegentlich, Selten, Nie, Weiß nicht. Für die nachfolgende Darstellung wurden die Antworten „ Häufig, Gelegentlich, Selten“ zusammengefasst.
Etwa drei Viertel der Betroffenen wurden in Geschäften oder im Dienstleistungsbereich oder in der Öffentlichkeit diskriminiert. Mehr als die Hälfte der Betroffenen fühlte sich nach eigenen Angaben in zahlreichen anderen Bereichen diskriminiert. Darunter ist auch der für Ältere relevante Gesundheits- oder Pflegebereich (69,3 %). Auf dem Wohnungsmarkt wurden 44,2 % diskriminiert. Geringer sind die Werte im Bildungsbereich, was naheliegend ist, da über 50-Jährige seltener am Bildungssystem teilnehmen.
Bei verschiedenen Dimensionen von Diskriminierungen waren die Antwortmöglichkeiten Ja, Nein, Weiß nicht. Nachfolgend werden die Ja-Antworten berichtet.
Unter den materiellen Benachteiligungen berichtet mehr als die Hälfte (54,1 %) der Personen mit Diskriminierungserfahrung, dass ihre Leistungen vergleichsweise schlechter bewertet wurden oder ein Antrag abgelehnt oder eine Leistung verwehrt wurde (51,7 %), die sie aus subjektiver Sicht hätte bekommen müssen. Die weiteren Benachteiligungen fallen niedriger aus, weil sie seltener zutreffen können (z. B. Kündigung der Arbeit). Würde man die Daten auf die 50 bis 65-Jährigen begrenzen, würden diese Benachteiligungen höher ausfallen.
Im Rahmen sozialer Herabwürdigung berichten mehr als zwei Drittel der Betroffenen von Ausgrenzung (68,6 %) oder ihnen wurden Rechte aberkannt, die andere Personen haben (64,9 %).
Eine extreme Form von Diskriminierung stellen körperliche Übergriffe und Bedrohungen dar. Mehr als ein Fünftel der Betroffenen wurde körperlich bedroht (21,1 %).
Die Diskriminierung aufgrund von zu hohem Alter im Vergleich zu vor fünf Jahren hat für die Mehrheit der Betroffenen (55,7 % ) zugenommen (Viel mehr verbreitet, Etwas mehr verbreitet, Etwas weniger verbreitet, Viel weniger verbreitet, Weiß nicht).
Außerdem schätzten die Befragten ganz allgemein (also nicht bezogen auf ihre persönlichen Erfahrungen) Diskriminierung in Deutschland ein (Trifft voll und ganz zu, Trifft eher zu, Trifft eher nicht zu, Trifft überhaupt nicht zu, Weiß nicht). Bei der wahrgenommenen gruppenbezogenen Diskriminierung von Menschen aufgrund zu hohen Alters sind fast alle der Ansicht, dass diese Gruppe auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt wird (94,8 %). Und lediglich 28,3 % meinen, dass Ältere mit dem gleichen Respekt wie Jüngere behandelt werden.
Betroffene wurden nach ihren Erwartungen an die Politik gefragt. Die möglichen Antworten (Stimme voll und ganz zu, Stimme eher zu, Stimme eher nicht zu, Stimme überhaupt nicht zu, Weiß nicht) wurden dichotomisiert.
Zu den größten Erwartungen gehören gleicher Lohn für gleiche Arbeit, mehr Information über das Recht auf Gleichbehandlung (94,8 %) und mehr Aufmerksamkeit für das Thema Diskriminierung in Bildungseinrichtungen (94,2 %). Die vorhandenen Gesetze sollten besser durchgesetzt werden (90,7 %).
Zustimmende Erwartung von Betroffenen mit einer erlebten Diskriminierung aufgrund zu hohen Alters
Ältere und Wohnen
Die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt fällt mit 44,2 % geringer aus bei Befragten mit anderen Diskriminierungsmerkmalen, wie z. B. Menschen mit Behinderung (siehe hier). Den Hintergrund erhellt eine andere Studie (Rente und Alter – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, Januar 2020, Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH im Auftrag des Bundes), die sich auf Rente und Alter bezieht. Unter den 1. 075 Befragten waren 630 Rentnerinnen und Rentner. Für die folgende Auswertung wurden wieder nur die über 50-Jährigen berücksichtigt.
Demnach leben 67 % im eigenen Haus bzw. Eigentumswohnung. Damit entfällt ein Grund sich auf dem Wohnungsmarkt zu bewegen und die Altersgruppe ist dann weniger einem diskriminierenden Bereich ausgesetzt.
Etwas mehr als die Hälfte (52 %) derjenigen, die gefragt wurden, ob ihre Wohnung bzw. ihr Haus altersgerecht ist, verneinten dies.
Was käme als Alternative in Frage, die nicht schon gewählt wurde?
Alternative zum eigenes Haus oder eigenen Wohnung
Betreutes Wohnen
74,3 %
Altenheim
37,6 %
Senioren-WG
47,4 %
Mehrgenerationenhaus
64,2 %
Diese Angaben sind Hinweise auch für die Altenhilfeplanung und Seniorenarbeit. Zum einen geht es darum, Wohnungen altersgerecht auszugestalten, damit Ältere in ihrem Umfeld so lange wie möglich leben können (selbstbestimmtes Leben, Alltagshilfen). Ergänzend sind Mehrgenerationenhäuser mehr als bisher als alternative Wohnform in der Planung zu berücksichtigen, insbesondere für jene, die noch in Miete leben. Die damit verbundene Praxis erfordert einen Zusammenhalt zwischen den Generationen.
Der überwiegende Teil dieser Befragten sucht nicht mehr Kontakt zu anderen Menschen, hat im Falle einer eigenen Erkrankung jemanden , der sich um sie kümmert und sie fühlen sich kaum einsam. Die älteren Befragten sind darüber hinaus mit der Infrastruktur in ihrem Wohnumfeld überwiegend zufrieden. Das sind erfreuliche Einschätzungen, die nach Größe der Kommune streuen.
Die Anti-Diskrimierung auf Grund zu hohen Alters bleibt allerdings als Aufgabe bestehen.
Alle Berechnungen: Andreas Hammer; * GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6735 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.13402