Langzeitarbeitslosigkeit macht öffentliche geförderte Beschäftigung für Hunderttausende nötig

Die registrierte Langzeitarbeitslosigkeit ist über einen längeren Zeitraum gesunken. In der Corona-Krise hat sie in kurzer Zeit wieder zugenommen. Im Februar 2021 wurde wieder die 1-Millionen-Grenze bei den Langzeitarbeitslosen (Rechtskreis SGB III und SGB II) überschritten, die zuletzt im Mai 2016 erreicht war.

Zwischen Mai 2016 bis zum März 2020 sank die Langzeitarbeitslosigkeit um rund 300.000 Personen (-297.948). In 47 Monaten sank der Wert auf 70,4 % des Mai-2016-Werts.

Die Zahl der Arbeitslosen insgesamt sank um -328.647 Personen (darin sind die Langzeitarbeitslosen eingeschlossen) im gleichen Zeitraum.

Seit März 2020 steigt die Zahl der Langzeitarbeitslosen kontinuierlich. In 12 Monaten nahm die Langzeitarbeitslosenzahl von 708.728 im März 2020 auf 1.009.801 im Februar 2021 zu – eine Steigerung um 301.073 bzw. 42,5 %. Im gleichen Zeitraum stieg die Gesamtarbeitslosigkeit von 2.335.367 auf 2.904.413 – eine Steigerung um 569.046 oder 24,4 %.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Die Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit von fast vier Jahren wurden in nur einem Jahr wieder rückgängig gemacht. Bei den Arbeitslosenzahlen insgesamt ist die Veränderung nicht so stark, weil die Kurzarbeit sich in den Zahlen nicht ausdrückt. Die Zahl der Arbeitslosen im Februar 2021 war zuletzt im Dezember 2019 (statt Mai 2016 bei den Langzeitarbeitslosen) so hoch. Der Anstieg war bei den Langzeitarbeitslosen schneller.

Nun bilden die Zahlen nicht das ganze Ausmaß der Arbeitslosigkeit ab. Im wesentlichen tragen Maßnahmenteilnahmen oder Kurzarbeit dazu bei, die Zahlen kleiner erscheinen zu lassen als die tatsächliche Betroffenheit. Die Bewertung der Entwicklung ist vor allem für die Langzeitarbeitslosigkeit negativer, wenn man berücksichtigt, dass die Teilnahme an einer Maßnahme oft die Zählung der Arbeitslosendauer unterbricht und nach der Maßnahme wieder neu angefangen wird. Würden solche Maßnahmen statistisch als durchgehend arbeitslos gewertet werden, wäre das Ausmaß größer und realistischer. Die entsprechenden Zahlen sind hier nicht abgebildet.

Aber auch so lassen sich die Herausforderungen aus den Trends ablesen.

Würde der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit wie vor der Krise vonstatten gehen, würde es wieder vier Jahre dafür dauern, bis das Vor-Krisen-Niveau im Februar 2020 erreicht worden würde. Wenn die Zahl der Langzeitarbeitslosigkeit im März 2021 nicht mehr steigt, könnte dann im Februar 2025 wieder das Vor-Krisenniveau erreicht sein.

Das ist allerdings wenig realistisch. Zum einen dürfte die Pandemie ab März 2021 auf dem Arbeitsmarkt keine negativen Folgen mehr zeigen. Und die sehr gute Wirtschaftskonjunktur vor der Pandemie, müsste im gleichen Umfang wirken. Damit ist nicht zu rechnen.

Um eine weitere Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, müsste gegengesteuert werden.

Die Zahl ist zum einen durch Maßnahmen zu beeinflussen, die die Zählung der Arbeitslosigkeitsdauer unterbricht. Das verändert die Zahlen, aber nicht die Wirklichkeit.

Eine andere Option besteht in einer öffentlich geförderten Beschäftigung. Das würde bedeuten, kurzfristig 300.000 Arbeitsplätze zu fördern, um zumindest das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen.

Zieht man das 2019 eingeführte Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ (§ 16e SGB II; EvL) heran, eines der wenigen arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die zu einer versicherungspflichtigen Beschäftigung führen, dann sind die Herausforderungen noch besser zu erkennen. Im Bestand werden Anfang 2021 rund 12.000 Personen gefördert. Das ist sehr wenig im Vergleich zum Bedarf von 300.000 Arbeitsplätzen und nicht ausreichend.

Der Haushalt 2021 für die Arbeitsagenturen und Jobcenter sieht keinen wesentlich erhöhten Mittelansatz bei den Eingliederungsleistungen vor. Die zahlreichen Gesetzesänderungen während der Pandemie lassen die öffentlich geförderten Beschäftigung in ihrem Instrumentation unangetastet auf dem Vor-Krisen-Niveau, das von einer guten Wirtschaftsentwicklung flankiert war.

Darauf zu hoffen, dass die Langzeitarbeitslosen sich auf offene Stellen bewerben können ist keine tragfähige Alternative. Die Zahl der Erwerbstätigen ist zwischen März 2020 und Januar 2021 um 622.000 gesunken. Da die Arbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum um 565.296 gestiegen ist, haben 57.000 Personen ihre Beschäftigung aufgegeben, ohne sich arbeitslos zu melden. Diese werden sicherlich wieder eine Beschäftigung aufnehmen, sobald es die Pandemie zulässt. Die Konkurrenz der Langzeitarbeitslosen (die dann teilweise schon sehr lange arbeitslos gewesen sein werden, verbunden mit entwerteter Qualifikation) mit der Stillen Reserve und den Arbeitslosen in wird jahrelang zu groß sein.

Deshalb braucht es eine öffentlich geförderte Beschäftigung in einem viel größeren Umfang als in den letzten Jahren. Zudem müssen die Fördervoraussetzungen für eine öffentlich geförderte Beschäftigung in diesem Zusammenhang auf einen Krisenmodus ausgerichtet werden. Dabei wird es 2021 und 2022 vorrangig nicht erwartbar sein, 300.000 Langzeitarbeitslose schnell und direkt in den allgemeinen Arbeitsmarkt dauerhaft zu vermitteln. Die öffentliche geförderte Beschäftigung sollte zumindest die betroffenen Langzeitarbeitslosen stabilisieren, weitere Qualifikationsverluste vermeiden, soziale Isolierung beenden und ihre künftigen Arbeitsmarkt- und Berufschancen verbessern.

Dies wird leichter gelingen können, wenn der Niedriglohnsektor zurückgebaut wird, den die öffentliche geförderte Beschäftigung nicht unterbieten sollte, und die Arbeitszeiten der Beschäftigten verkürzt werden.

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Eingliederung von Langzeitarbeitslosen stagniert

Als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes soll der § 16e SGB II seit 1.1.20219 die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fördern (siehe auch hier und hier).

Im Februar 2021 betrug der Fallbestand 12.127 (vorläufige Zahl; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit), die Zahl der Eintritte lag bei 296.

Seit September 2019 gehen die monatlichen Zugänge im Trend zurück (siehe auch hier). Diese Entwicklung setzt also bereits deutlich vor der Corona-Pandemie ein.

Im Februar 2021 gingen ebenfalls die Bestandszahlen zurück – das kann sich allerdings noch ändern, sobald die Zahlen nicht mehr vorläufig sind.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Insgesamt sind bislang rund 18.000 Personen über das Instrument gefördert worden. Andererseits sind rund 5.900 bereits wieder ausgeschieden, was ungefähr jeden Dritten eingetreten betrifft (32,8 Prozent).

Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Bund mit dem Instrument sein Ziel erreicht. Denn die maximale Förderdauer eines Arbeitsvertrags beträgt 24 Monate und nach und nach läuft die Förderung aus.

Pessimistisch stimmen der hohe Anteil des vorzeitiges negativen Endes der geförderten Arbeitsverträge – hauptsächlich in Folge von Kündigungen der Arbeitgeber – und die teilweise kurze Teilnahmedauer der Geförderten (s. hier).

Es scheint sich bereits jetzt ein Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung der Förderung abzuzeichnen.

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Teilhabe am Arbeitsmarkt im Sinkflug 2021?

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Im Februar 2021 waren 42.605 Förderfälle im Bestand (Zahl vorläufig; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit), die Zahl der Eintritte lag bei 593.

Seit August 2019 (wenn man von den Ausnahmen August und September 2019 absieht, sogar seit April 2019) gehen die monatlichen Zugänge bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt im Trend zurück (siehe auch hier und hier). Diese Entwicklung hat bereits deutlich vor Beginn der Corona-Pandemie eingesetzt. Der anfänglich schnelle Anstieg der Fallzahlen, lag auch daran, dass Teilnehmende aus vorangegangenen Förderprogramm mit §16 i SGB II weiter gefördert werden konnten.

Seit Dezember 2020 gehen auch die Bestandszahlen zurück – allerdings sind diese Daten vorläufig, sodass sich schließlich noch eine Steigerung gegenüber dem Dezember 2020 ergeben kann.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Der Rücknahme von Pandemie-bedingten Einschränkungen hat sich beim Teilhabechancengesetz nicht wesentlich ausgewirkt. Solange zahlreiche Arbeitgeber Kurzarbeit nutzen (s. hier), werden sie eher nicht Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsberechtigte einstellen.

Bislang sind 57.889 Personen gefördert worden. Die Zahl der Austritte beträgt rund 15.280, was etwa 26,4 Prozent entspricht.

In der Corona-Krise zeigt sich nun auch ein bereits im Gesetzgebungsverfahren festgestellter Mangel: die Arbeitsverhältnisse nach § 16i SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt – sind nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Deshalb kann für diese Beschäftigten keine Kurzarbeit beantragt werden. Dies wäre sicherlich für Arbeitgeber ein Anreiz, auch in Krisenzeiten öffentlich-geförderte Beschäftigung zu nutzen.

Der Entwurf zum 11. Änderungsgesetz zum SGB II sieht für dieses Instrument noch keine Änderungen vor.

Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – darf nicht dauerhaft eingeschränkt werden, auch nicht in Zeiten von Krisen. Die vorhandenen Rechtsgrundlagen und Konzepte zur Teilhabe müssen entsprechend angepasst und krisentauglich werden.

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Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ – mehr vom selben

Die Bundesregierung will die Nutzung des Förderprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ erhöhen.

„Mit vereinten Kräften haben wir es geschafft, dass die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr vergleichsweise wenig Auswirkungen auf dem Ausbildungsmarkt hatte. Die größere Herausforderung liegt jetzt vor uns.“

Bundesminister für Arbeit und Soziales am 21.2.2021 im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland

Im Sinne der Analyse der Bundesregierung, dass die Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt noch bevorsteht, könnte man das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ als vorbeugend sehen.

Tatsächlich ist die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen – ein trauriger Rekord. Insofern hat das Programm bis jetzt sein Ziel verfehlt in der Corona-Krise Ausbildungsplätze zu sichern (siehe ausführlich hier Corona-Pandemie macht Ausbildungsgarantie erforderlich). Die Förderung durch Prämien und Zuschüssen an Unternehmen ist wenig in Anspruch genommen worden oder es hat wie bei den Zuschüssen hohe Ablehnungsquoten bei Anträgen gegeben.

Die Bundesregierung will nun die durch eine Änderung der Förderrichtlinie die Nutzung des Programms erhöhen. Dies soll durch zwei Veränderungen erreicht werden:

  • Verdoppelung der Ausbildungsprämie (künftig 4.000 Euro) und der Ausbildungsprämie plus (künftig 6.000 Euro)
  • Ausweitung der Antragsberechtigten (ab 1.6.2021 auch Unternehmen bis 499 Beschäftigten, bisher 249)

Die Verdoppelung der Beträge ist für den Bund unproblematisch, da aufgrund der geringen Zahl an Förderungen die veranschlagten Mittel überwiegend noch vorhanden sind.

Ob mit den geplanten Änderungen der Förderrichtlinie der bisherige Rückgang der abgeschlossenen Ausbildungsverträge und der künftige Abschluss zusätzlicher Ausbildungsverträge deutlich erhöht werden kann, ist fraglich.

Der Bund unterstellt wohl, dass die Ausbildungskosten für die Unternehmen zu hoch sind (analog sind die Beschäftigungskosten in einen sehr großen Niedriglohnsektor gesenkt, siehe hier). Denn im Wesentlichen basiert das Programm auf einem finanziellen Anreiz. Von diesem wird offensichtlich vermutet, dass er zu gering angesetzt war, um zu wirken.

Die Entscheidung eines Unternehmens für oder gegen den Abschluss eines Ausbildungsvertrags hängt allerdings von deutlich mehr Faktoren ab als von den Ausbildungskosten. Es ist doch nicht realistisch anzunehmen, dass ein Unternehmen, das die Größe von 499 Beschäftigten hat, die Entscheidung für einen Ausbildungsplatz von einer einmaligen Summe von 6.000 Euro abhängig macht.

Eine Strategie von „mehr vom selben“ könnte funktionieren, wenn die Analyse und Annahmen zutreffend sind. Die Probleme auf dem Ausbildungsmarkt bestehen schon länger (und unabhängig von der Corona-Krise) und sind bis jetzt durch die verschiedenen Förderprogramme nicht strukturell und nachhaltig gelöst worden. Dabei geht es nicht nur um die Menge an Ausbildungsplätzen, sondern auch um mehr Chancengleichheit in der Gesellschaft. Der Weg über die vorübergehende Subventionierung von Ausbildungskosten oder freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen ist gescheitert.

Damit die Ausbildungsinteressierten nicht länger auf die Einlösung ihres Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 Grundgesetz) warten müssen, sollte eine Ausbildungsgarantie eingeführt werden.

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Alleinlebende Frauen können häufiger als Männer ihre Unterkunft nicht warm halten

Zur Messung der der materiellen Entbehrung gibt es zahlreiche Kriterien. Eines davon ist die (Un-) Fähigkeit von Haushalten, ihre Wohnung oder ihr Haus angemessen warmhalten zu können.

Das Statistische Bundesamt frägt regelmäßig im Rahmen einer europaweiten Erhebung, inwieweit Personen aus finanziellen Gründen ihre Unterkunft nicht angemessen warmhalten konnten.

Insgesamt konnten dies 2019 2,5 % der Bevölkerung nicht (entspricht 2,0 Millionen Personen in Deutschland).

Die Werte unterscheiden sich nach Haushaltstypen und nach Geschlecht. Für den Haushaltstyp „Alleinstehende“ sind die Daten nach Geschlecht differenziert verfügbar.

Alleinlebende sind besonders häufig nicht in der Lage ihre Unterkunft warm zuhalten. Insgesamt waren es 2019 4,8 % (Zum Vergleich die Schweiz: 0,3 %). Beim Haushaltstyp Alleinlebende gibt es allerdings geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen sind häufiger betroffen.

Quelle der Daten: EU-SILC

In 2019 waren Frauen um einen halben Prozentpunkt häufiger als Männer betroffen (5,1 % F, 4,6 % M). In den Jahren davor waren die Unterschiede noch größer (in 2015: 2,4 Prozentpunkte). Obgleich bei beiden Geschlechter, die Unfähigkeit die Unterkunft warm zuhalten gesunken ist, sind Alleinlebende dennoch doppelt so häufig betroffen wie die Bevölkerung insgesamt. Unter den Alleinerziehenden, die überwiegend Frauen sind, ist der Anteil noch höher: hier waren 2019 7 % betroffen (in der Schweiz 0,8 %).

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Sozialdienstleister-Einsatzgesetz verlängert

Der Bundestag hat am 26.2.2021 beschlossen, die Dauer des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes (SodEG) bis zum 30.6.2021 zu verlängern. Die Beschlussfassung erfolgte im Rahmen des Sozialschutz-Pakets III.

Im Gesetzgebungsverfahren hat sich nun dazu eine Änderung ergeben:

Soweit und solange sich die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) auch nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite nur in einzelnen Ländern ausbreitet, kann das Parlament des betroffenen Landes nach § 28a Absatz 7 des Infektionsschutzgesetzes die Anwendbarkeit der besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) feststellen. In diesen Fällen wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates den Sicherstellungsauftrag in diesem Land zu verlängern.
In jedem Fall endet der besondere Sicherstellungsauftrag spätestens zum 31. Dezember 2021.

Somit besteht zumindest die Option einer Verlängerung der Gültigkeit bis zum 31.12.2021. Dazu müssen die Landesparlamente entsprechend mitwirken.

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Erfahrungen mit Behörden während der Corona-Krise

Im Rahmen der repräsentativen Bevölkerungsumfrage Umfrage „Vertrauen in Staat und Gesellschaft während der Corona-Krise“ wurden von der Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH vom 29. Juni bis 06. Juli 2020 eine telefonische Umfrage unter 2.026 zufällig ausgewählten deutschsprachigen Bürgerinnen und Bürgern ab 18 Jahren durchgeführt.

Aus dieser Studie sollen im Folgenden die Erfahrungen der Befragten mit verschiedenen Behörden dargestellt werden.

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25 Jahre Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – Entwicklung 1994 bis 2019

Stehen sog. 1-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II) schon seit Jahren in der Diskussion der Arbeitsmarktpolitik als Förderinstrument, sind zum 1.8.2016 Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (Hammer 2017b, 2017d, Hammer 2018) als Arbeitsgelegenheiten nach § 5a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hinzugekommen. Weniger in der öffentlichen Wahrnehmung finden sich die Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG. Diese existieren ebenfalls schon seit Jahren.

Dieser Instrumententyp, 1993 eingeführt, soll für die Zeit von 1994 bis 2019 – 25 Jahre – beleuchtet werden.

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Niedriglohnsektor Deutschland weiter überdurchschnittlich groß

Geringverdiener sind (bei der EU) definiert als ArbeitnehmerInnen (ohne Auszubildende), die zwei Drittel oder weniger des nationalen Median-Bruttostundenverdienstes in dem jeweiligen Land verdienen. Bei vollzeitbeschäftigten ArbeitnehmerInnen stellt dies die Armutsgrenze dar, unter der keine angemessene Existenzsicherung gewährleistet ist. So sind die überdurchschnittlich im Niedriglohnsektor Beschäftigten auch die auf dem Arbeitsmarkt besonders Benachteiligten.

Die Niedriglohnsektoren in den verschiedenen Ländern sind u. a. gewachsen, weil gesetzliche Regelungen oder ausreichende Mindestlöhne fehlten, Gewerkschaften in Lohnverhandlungen schwächer wurden oder weil es – wie in Deutschland – politisch mit der Umsetzung des sog. Hartz-Konzeptes gefördert wurde.

2005 sagte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder:

„Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. Ich rate allen, die sich damit beschäftigen, sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, und nicht nur mit den Berichten über die Gegebenheiten. Deutschland neigt dazu, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, obwohl es das Falscheste ist, was man eigentlich tun kann. Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“

Die Beschäftigung im Niedriglohnsektor bringt zahlreichen Studien zufolge Probleme mit sich: schlechtere Arbeitsbedingungen, schlechtere soziale Absicherung, schlechtere Chancen auf Weiterbildung und Karriere, geringeres Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- oder Krankengeld und Altersarmut.

In den europäischen Ländern hat sich die durchschnittliche Größe des Niedriglohnsektors zwischen 2006 und 2018 verkleinert – von 16,6 % auf 15 %.

Quelle der Daten: Eurostat; eigene Darstellung

Dabei gab es eine große Bandbreite in den Veränderungen zwischen 2018 und 2006. Auffällig ist beispielsweise Portugal, wo in diesem Zeitraum der Anteil von 20,7 % auf 4 % zurückging – eine Reduktion von 16,8 %. Auch Ungarn hat seinen Niedriglohnsektor um über 10 % auf 11,6 % gesenkt. Den größten Zuwachs hatte Belgien (gefolgt von Griechenland), um +6,9 %, auf nun 13,7 %. In Deutschland nahm der bereits große Niedriglohnsektor um 0,4 % auf 20,7 % zu, und das bei einem bereits hohen Niveau. Jede/r Fünfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet an oder unter der Armutsgrenze – das fünffache von Schweden. Auch die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in 2015 hat in Deutschland den Anteil nicht reduziert.

Quelle der Daten: Eurostat; eigene Darstellung

Wie sieht der Stand 2018 aus, dem Jahr der zuletzt verfügbaren Zahlen der EU?

Den größten Niedriglohnsektor weist Lettland auf (23,5 %). Einen Niedriglohnsektor mit einem Anteil von 20 und mehr Prozent haben:

  • Lettland
  • Litauen
  • Estland
  • Polen
  • Bulgarien
  • Deutschland
  • Rumänien

Man könnte sagen, dass sich Deutschland in einer Gruppe von postsozialistischen Ländern befindet.

Den kleinsten Niedriglohnsektor hat Schweden mit 3,6 %. Die Gruppe der Länder mit einem Anteil von kleiner als 10 % besteht aus:

  • Norwegen
  • Dänemark
  • Frankreich
  • Italien
  • Finnland
  • Portugal
  • Schweden

Diese Gruppe besteht überwiegend aus Ländern, die Universalität als oberstes Gestaltungsprinzip verfolgen, also soziale Sicherheit für die gesamte Wohnbevölkerung (sog. Skandinavischer oder sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaat).

Quelle der Daten: Eurostat; eigene Darstellung

Fazit

Obgleich in Deutschland die Arbeitslosenquote über Jahre gesunken ist, wurde der Niedriglohnsektor parallel noch ausgeweitet. Die Beschäftigung im Niedriglohnsektor ist kein Sprungbrett in ein besseres Arbeitsmarktsegment.

Die Reduzierung der Arbeitslosigkeit war verbundenen mit nicht existenzsichernden Löhnen und den beschrieben negativen Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft (auch fiskalisch, denn aus Steuermitteln werden aufstockend Arbeitslosengeld II und Grundsicherung im Alter finanziert).

Der Mindestlohn müsste über die Schwelle von 10,80€ pro Stunde (Wert für 2017) gehoben werden, um damit den Niedriglohnsektor zu reduzieren. Im Januar 2021 liegt des Mindestlohn bei 9,50€/h. Das zeigt, dass weitere staatliche Maßnahmen nötig sind, da Appelle an Arbeitgeber offenbar ohne Wirkung sind.

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Corona-Pandemie verschärft Arbeitslosigkeit bei fehlendem Berufsabschluss

Die Sars-CoV-2-Krise hat die Arbeitslosigkeit erhöht. In Deutschland stieg der Jahresdurchschnittswert der Arbeitslosenquote insgesamt von 5,0 % in 2019 auf 5,9 % in 2020. Ohne Kurzarbeit wäre die Zunahme noch stärker ausgefallen (siehe hier). Auch für den Arbeitsmarkt gilt: das Risiko, arbeitslos zu werden, bzw. die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit, ist in der Pandemie nicht für alle gleich.

Dies zeigen die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten sehr deutlich.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Die bisherigen Entwicklungen setzen sich fort: je höher das Niveau der beruflichen Bildung, desto geringer ist das Arbeitsmarktrisiko. Die Pandemie hat allerdings die qualifikationsspezifischen Unterschiede verstärkt. Die Arbeitslosenquote stieg in 2020 gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozentpunkte. Bei AkademikerInnen und bei Arbeitslosen mit einer schulischen oder beruflichen Ausbildung war der Anstieg geringer: jeweils 0,5 Prozentpunkte. Am stärksten stieg die Arbeitslosigkeit bei Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung von 17,7 % in 2019 auf 20,9 % in 2020. Die Zunahme beträgt 3,2 Prozentpunkte – also mehr als das 6-fache derjenigen mit einem Berufsabschluss. Ihr Anteil liegt auch höher, wenn man den Wert vergleicht mit dem Jahr einer ähnlichen Arbeitslosenquote (2016: 6,1 %, 2017: 5,7 %), wo ihre spezifische Arbeitslosenquoten bei 20 % (2016) oder 18,7 % (2017) lag.

Außerdem: Bei sinkender Arbeitslosenquote nahm der Anteil der Arbeitslosen ohne Berufsabschluss an den Arbeitslosen zu. Das liegt daran, dass bei den anderen Gruppen die anteilige Arbeitslosenquote schneller sank.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Fazit

Ohne zusätzliche und spezifische Förderung der Arbeitslosen ohne Berufsausbildung werden diese über längere Zeit arbeitslos bleiben (wenn man die Entwicklung seit 2015 in Betracht zieht).

Und es ist sicherlich erforderlich diese Risikogruppe angesichts der erhöhten Betroffenheit präventiv zu fördern um Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Eine solche Förderung könnte in einer überbetrieblichen / außerbetrieblichen Ausbildung bestehen (siehe auch Corona-Pandemie macht Ausbildungsgarantie erforderlich).

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