Mehrfachbeschäftigung – eine Fehlentwicklung in Deutschland

Mehrfachbeschäftigte sind Personen, die zeitgleich in mehr als einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Dies können z.B.Beschäftigte mit mindestens einer weiteren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. geringfügigen Beschäftigung sein.

Wie ist die Entwicklung der Mehrfachbeschäftigung in Deutschland?

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Seit über 30 Jahren nimmt die Mehrfachbeschäftigung zu, sowohl absolut als auch relativ.

Im Jahr 1991 gab es 1.246.759 Mehrfachbeschäftigte und ihr Anteil an allen Beschäftigten lag bei 3,5 %. Im 1. Quartal 2023 (der letzte Wert in der Zeitreihe) waren es 4.325.978 Mehrfachbeschäftigte bzw. ein Anteil von 10,4 %.

Quelle der Daten: IAB; eigene Darstellung

Die Entwicklung ist kontinuierlich (einen kurzen Rückgang gab es lediglich in der Covid19-Pandemie) und stark. Besonders deutlich war der Anstieg nach 2003, bedingt durch die sog. „Hartz“-Gesetze. Bis dahin stiegen die Zahlen langsamer, um dann von 2003 zu 2004 (sog. „Hartz“-II) einen Sprung zu machen, von 1.729.493 auf 2.105.672 Mehrfachbeschäftigte. Danach verläuft der Anstieg kräftiger als vorher. Seit 2003 hat sich die Zahl der Mehrfachbeschäftigten mehr als verdoppelt. Seit 1991 hat sich der Anteil fast verdreifacht. Das ist überproportional zur gesamten Beschäftigtenentwicklung in diesem Zeitraum von 18 %.

Für den Anstieg spielen die geänderten Minijob-Regelungen die entscheidende Rolle. Diese fördern die sozialversicherungsfreie Beschäftigung (verbunden mit den langfristigen Risiko einer geringen Rente und einer überproportionalen Belastung der Krankenkassen). Die durch die „Hartz“-Gesetze gewünschte stärkere Lohnspreizung (Niedriglohnsektor, s. hier) tritt eher in „Einbahnindustrien“ auf, die durch niedrig bezahlte Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifizierungsanforderungen in Privathaushalten (und anderen Dienstleistungen) und arbeitsintensiven Konsumgüterindustrien gekennzeichnet sind. Der Armutseffekt sinkender Löhne (in Deutschland gilt erst seit 2015 ein in allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn) kann dazu führen, dass das Arbeitsangebot steigt (man muss mehr Stunden arbeiten, um genügend Erwerbseinkommen zu erzielen).

Da der Fachkräftemangel als ein großes Problem angeführt wird, sollte es auch im Interesse der Arbeitgeber sein, Beschäftigte mehr zu beschäftigen als dass sie bei einem anderen Arbeitgeber noch einen Minijob machen.

Die Begünstigung des Minijobs sollte abgeschafft werden.

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Eingliederung von Arbeitslosen im SGB II – reale Mittelplanung 2024 so niedrig wie nie

Im Kontext des Haushaltsplans 2024 hat der Bundesarbeitsminister nach 2022 und 2023 eine weitere Mittelkürzung zur Eingliederung von Arbeitslosen in Arbeit oder Ausbildung im Rechtskreis SGB II geplant. Das Unverständnis darüber ist zumindest bei den betroffenen Jobcentern und Maßnahmeträgern groß.

Die Zahlen zu den Kürzungen variieren in den verschiedenen Stellungnahmen. So wird einmal eine Kürzung von 2024 gegenüber 2023 oder auch gegenüber 2022 berichtet (jeweils Soll), manchmal ist auch ein Vergleich von Soll mit vorherigen Ist-Zahlen zu lesen.

Für 2024 hat der Bundesarbeitsminister 4,2 Mrd. Euro im Eingliederungstitel (EGT) geplant, das Soll für 2023 beträgt 4,4 Mio. Euro. Das ergibt eine Kürzung von 200 Mio. Euro. Gleichzeitig wird im Haushalt 2024 eine Steigerung der Zahlen der Arbeitslosen im SGB II angenommen.

Es stellt sich aber nicht nur die Frage nach der Kürzung an sich. Es stellt sich vielmehr auch die Frage, was man dafür real als Eingliederungsleistung erhält. Durch die deutlich gestiegene Inflation bekommt man in 2024 ja nicht die gleiche Leistung wie in 2023 bei gleichem Betrag.

Erstaunlicherweise zeigt eine Internetrecherche keine inflationsbereinigten Zahlen für den Eingliederungstitel.

Die folgende Grafik zeigt die nominalen und die realen (inflationsbereinigten) Werte für den EGT (Beitrag mit erweitertem Inhalt, einschließlich EGT pro ELB unten).

Quelle der Daten für EGT nominal: Bundesfinanzministerium; eigene Berechnungen

Die Zeitreihe beginnt 2006 (für 2005 sind keine Zahlen ausgewiesen) und reicht bis 2024. Der Wert für 2024 entspricht dem aktuellen Planwert im noch nicht beschlossenen Haushaltsplan.

Die Zeitreihe enthält die Soll-Werte des EGT für ein Jahr im Einzelplan für die Eingliederung in Arbeit. Dabei sind die Ausschüttung von Haushaltsresten aus Vorjahren sowie die Deckungsmittel durch den Passiv-Aktiv-Transfer nicht enthalten.

Die Inflationsbereinigung wurde vorgenommen anhand des vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Preisindex des Bruttoinlandsprodukts (BIP-Deflatoren, Kettenindizes mit 2015 als Basisjahr). Die Quelle für die BIP-Deflatoren für 2023 und 2024 ist die Deutsche Bundesbank (Stand Dezember 2022).

Der EGT-Soll-Ansatz im Haushalt 2006 betrug. 6,47 Mrd. Euro, er stieg mit kleinen Schwankungen bis 2009 auf 6,6 Mrd. Danach wurden die Haushaltsansätze deutlich reduziert, und zwar bis 2013. Darauf folgte eine Phase der Steigerung bis 2020. Seitdem sind mehrere deutliche Kürzungsrunden erfolgt oder geplant.

Bereinigt man die Soll-Ansätze um die Inflation, erhält man die realen EGT-Ansätze. Ihre Entwicklung ist ähnlich wie die der nominalen Zeitreihe. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass seit 2020 die Inflation eine deutliche größere Kürzung bewirkt als die Jahre davor. In 2023 beträgt der inflationsbereinigte Haushaltsansatz nur noch 3,5 Mrd. Euro (Soll nominal 4,4 Mrd. Euro, Abweichung rd. 850 Mio. Euro), im Jahr 2024 sollen real 3,27 Mrd. Euro bereitgestellt werden (Soll nominal 4,2 Mrd. Euro, Abweichung rd. 929 Mio. Euro).

Die Kürzung von nominal 200 Mio. Euro in 2024 gegenüber dem Vorjahr 2023 beträgt dann inflationsbereinigt rd. 282 Mio. Euro (Minus 8 %).

Die Planung für 2024 stellt somit nicht nur eine Kürzung von 200 Mio. Euro dar: für dieses Geld gibt es inflationsbedingt auch weniger Eingliederungsleistungen. Sollte der Haushalt 2024 wie geplant beschlossen werden, so ergibt sich der niedrigste inflationsbereinigte EGT-Soll-Ansatz in der Geschichte des SGB II dar. Die Jobcenter benötigen für die Arbeitslosen nicht nur die Rücknahme von Kürzungen, sondern auch einen Inflationsausgleich.


Der Beitrag mit erweitertem Inhalt (einschließlich EGT pro ELB) zum download:

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Welche Haltungen und Werte sind in der Grundsicherung wichtig?

Ihre Haltung ist wichtig! 

In der Fachdiskussion zu den Erfolgsfaktoren der Förderung und Beratung im SGB II wird immer wieder die Bedeutung der professionellen Haltung der Beratungsfachkräfte in der Interaktion mit den Leistungsberechtigten der Jobcenter betont. Es wird selten genauer beschrieben, was mit „Haltung“ gemeint ist. Die Forschungslage ich lückenhaft.

Welche Werte sind dabei wichtig? Gibt es Werteprofile? Sind Werte abhängig von der Berufserfahrung, der Berufsausbildung oder anderen Merkmalen?
Um diese und andere Zusammenhänge zu klären, soll die Bedeutung von Werten und Haltungen in der Beratung und Förderung im SGB II genauer untersucht werden (weitere Infos:https://kurzelinks.de/Hammer-Studie_Haltung_im_Jobcenter). 

Mit Ihrer Teilnahme an unserer Befragung tragen Sie dazu bei, eine Forschungslücke zu schließen und die Interaktion zwischen Leistungsberechtigten der Jobcenter und Fachkräften zu verbessern.
Wir sind uns sicher, dass Ihre Erfahrungen und Meinungen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Forschungslage und zur Fachdiskussion beitragen werden.

Deshalb möchten wir Sie herzlich dazu einladen, an unserer Befragung teilzunehmen und uns Ihre Perspektive mitzuteilen.
Wir bedanken uns im Voraus für Ihre Teilnahme und freuen uns auf Ihre wertvollen Beiträge! Die Ergebnisse der Studie werden Ihnen zur Verfügung gestellt.

Gerne können Sie den link zur Befragung an Ihre Kolleginnen und Kollegen oder Mitarbeitenden weiterleiten. Dafür vielen Dank.

Hiermit geht es zur online-Befragung: https://s2survey.net/Haltung/

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Inflationsausgleichsprämie förderfähig bei §§ 16e und i SGB II ?

Das BMAS hat entschieden, dass eine Inflationsausgleichsprämie, die aufgrund eines Tarifvertrags (oder weil daran angelehnt) ausgezahlt wurde, im Rahmen von § 16i SGB II als förderfähige Kosten angesetzt und abgerechnet werden können.

Dies gilt allerdings nicht für § 16e SGB II.

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Teilhabe am Arbeitsmarkt im „Sommerloch“?

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Die Nutzung des Instruments stagniert seit über einem Jahr (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt am Maximum? Und Teilhabe am Arbeitsmarkt stagniert). Sowohl für die Eintritte (bereits seit 5/2019) als auch für den Bestand (seit 1/2021) ist ein Rückgang zu beobachten (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt im Sinkflug 2021? und Teilhabe am Arbeitsmarkt – nur für 40.000?). Es ist deutlich, dass der Rückgang der Eintritte bereits vor der Corona-Pandemie eingesetzt hat.

Im Juli 2023 2032 wurden 38.110 Personen gefördert (vorläufige Zahl); das entspricht dem Niveau vom März 2020. Die Zahl der Eintritte betrug 487, der Tiefstwert seit Bestehen der Rechtsgrundlage.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung

Ohne Vorförderung – also über die Überleitung von Geförderten aus anderen Förderinstrumenten in § 16i SGB II wären die Eintritte in 2019 sicherlich nicht so hoch gewesen und der Bestandsaufbau wesentlich langsamer erfolgt.

Die Neueintritte bzw. Nachbesetzungen von Arbeitsplätzen sind geringer als der Abbau. Die hohe Zahl an vorzeitigen Austritten (42,6 %, gleitende 12-Monatssumme 4 /2023 bei gemeinsamen Einrichtungen) trägt zum Bestandsabbau bei.

Erleichterungen im Zugang hätten untergesetzlich erfolgen können. So könnte der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen. Da solche Anpassungen nicht vorgenommen wurden, ist davon auszugehen, dass das erreichte Volumen das politisch gewünschte Maß erreicht hat. Dazu passt die Kalkulation im Gesetzesentwurf für das Bürgergeldgesetz, langfristig maximal 40.000 Förderfällen für § 16i SGB II beziffert. Folglich wird hier von Nachbesetzungen von Austritten ausgegangen, aber nicht mit einer Ausweitung der Teilhabe an Arbeit. Entsprechend wurde das Budget der Jobcenter für 2023 gekürzt und für 2024 ist eine weitere Kürzung geplant.

Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – wird somit nicht dauerhaft und nur begrenzt eingelöst. Der Bund sollte mehr Mittel (und Verpflichtungsermächtigungen) als bisher dafür bereitstellen. Dann könnten die in der Förderung unterrepräsentierten Frauen, AusländerInnnen und Personen ohne Berufsabschluss angemessener Teilhabe erfahren.

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Eingliederung von Langzeitarbeitslosen im Rückwärtsgang?

Als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes soll der § 16e SGB II seit 1.1.2019 die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fördern (siehe auch hier und hier).

Im Juli 2023 betrug der Fallbestand 6.666 Förderungen (vorläufige Zahl; Quelle der Zahlen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit). Das entspricht etwa dem Niveau vom Oktober 2019, also einem dreiviertel Jahr nach Einführung. Die Zahl der Eintritte lag im Juli 2023 bei 221. Sie liegt so niedrig wie noch nie und stellt somit den Tiefstwert seit Start des Instrumentes Januar 2019 dar.

Seit September 2019 gehen die monatlichen Zugänge im Trend zurück (siehe auch hier und hier und hier und hier). Diese Entwicklung setzt also bereits deutlich vor der Corona-Pandemie ein. Die niedrigen Eintrittszahlen in den letzten Monaten sind insoweit bedenklich, als der Anteil der Langzeitarbeitslosen im SGB II im Juli 2023 über47 % an den Arbeitslosen betrug. Hier besteht großer Förder- und Handlungsbedarf, denn das dafür geschaffene Instrument „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ wirkt offensichtlich nicht oder wird nicht genutzt.

Seit Januar 2021 gehen außerdem die kontinuierlich Bestandszahlen zurück.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung.

Insgesamt sind bislang rund 30.733 Personen über das Instrument gefördert worden. Andererseits sind rund 24.067 bereits wieder ausgeschieden, was etwa 73 Prozent der Geförderten betrifft.

Damit verbunden sind Teilnahmedauern von deutlich unter der Förderdauer von zwei Jahren. Die sinkenden Einritte kompensieren nicht die vorzeitigen Austritte, sodass der Bestand sinkt.

Der Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung der Förderung ist offensichtlich. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird vage von einer Weiterentwicklung gesprochen. Das Bürgergeld-Gesetz lässt das Instrument unverändert. Geplant wird im Bundeshaushalt 2024 eine Kürzung der Eingliederungsmittel. Das wird, im Kombination mit anderen Planungen der Bundesregierung, den Rückwärtsgang bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen wahrscheinlich verstärken. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen wird sich mit dem Umfang von § 16e SGB II kaum reduzieren lassen. Parallel soll 2024 auch das Budget für die Verwaltungskosten gekürzt werden. Damit ist eine intensivierte Beratung und Begleitung der Langzeitarbeitslosen als Alternative ebenfalls erschwert.

Ein Vorschlag zur Verbesserung der Finanzsituation für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen wäre die Ausweitung des Passiv-Aktiv-Transfer (bisher nur §16i SGB II) auf § 16e SGB II. Dann könnte wieder der Vorwärtsgang eingelegt werden.

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Referentenentwurf zur Verschiebung der Zuständigkeit von unter 25-Jährigen

Der Referentenentwurf zum Haushaltsfinanzierungsgesetz (Stand 10.8.2023) enthält die geplanten Regelungen zur Verschiebung der Zuständigkeit von unter 25-Jährigen von den Jobcentern weg hin zur Bundesagentur für Arbeit (BA).

Hier der entsprechende Auszug:

Begründung
Der Übergang der Beratung, Vermittlung und Förderung von unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vom Rechtskreis SGB II in den Rechtskreis SGB III führt zu Minderausgaben in Höhe von 0,9 Mrd. Euro jährlich für den Bundeshaushalt ab dem Jahr 2025. Davon entfallen rund 0,6 Mrd. Euro auf Ausgaben für Verwaltungskosten und Personal sowie 0,3 Mrd. Euro auf Ausgaben für Eingliederungsmittel. Dem stehen Mehrausgaben im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von rund 1,0 Mrd. Euro pro Jahr ab 2025 gegenüber, davon 0,7 Mrd. für Verwaltungskosten und Personal (enthält auch die unter Abschnitt E.3 dargestellten Angaben zum Erfüllungsaufwand) sowie 0,3 Mrd. Euro für Eingliederungsmittel. Durch die Erbringung der Leistung für alle jungen Menschen unter 25 Jahren, unabhängig davon, ob sie aus einem Haushalt kommen, der existenzsichernde Leistungen bezieht, können Synergieeffekte besser genutzt werden, als dies bei unterschiedlichen Zuständigkeiten der Fall wäre.
Die Kommunen werden durch den Übergang der unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten um rund 0,1 Mrd. Euro entlastet, da der kommunale Anteil an den Verwaltungskosten zukünftig im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit anfällt.

Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
In § 5 Absatz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 191) geändert worden ist, werden nach dem Wort „haben“ die Wörter „oder die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“ eingefügt.

Alternativen
Alternativ kann für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die bisherige aktive Förderung in den Jobcentern bestehen bleiben. Damit würde aber die Doppelspurigkeit mit vielen parallelen Förderangeboten und Strukturen im Dritten Buch Sozialgesetzbuch und im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die insbesondere den Übergang von der Schule in den Beruf, die Ausbildungsvorbereitung und -vermittlung sowie große Teile der Ausbildungsförderung umfassen, erhalten bleiben.

Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Die Rechtsänderungen zum SGB II und SGB III bewirken eine Entlastung von Aufgaben und Verwaltungsvereinfachungen bei den Jobcentern. Durch den Wegfall des Abstimmungsaufwandes zwischen Jobcentern und Agenturen für Arbeit bei der aktiven Unterstützung bürgergeldbeziehender junger Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf kann die Förderung gezielter und effizienter werden. Die Kostenträgerschaft für die Betreuung der jungen Menschen geht auf die Arbeitslosenversicherung (SGB III) über. Die Verwaltungsverfahren bei der Unterstützung der jungen Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf werden vereinfacht, da für die berufliche Integration nur noch ein Rechtskreisträger zuständig ist.

Entgegen der behaupteten Doppelspurigkeit, die es abzubauen gilt, ändert das Haushaltsfinanzierungsgesetz auch das SGB III, damit die Leistungen für die unter 25-Jährigen überhaupt erbracht werden können.

Eine neue Parallelstruktur wird geschaffen: Transferleistung vom Jobcenter, Eingliederungsleistung von der BA.

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Entwicklung des Personals der Bundesagentur für Arbeit im SGB III

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verfügt über drei Arbeitsschwerpunkte: SGB III (Arbeitsförderung), SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende, hier der Eingliederungsbereich bei den Jobcentern als gemeinsamen Einrichtungen) und die Familienkasse.

Im Folgenden wird die Entwicklung des Personals für den Rechtskreis SGB III seit 2007 betrachtet (Arbeitslosenversicherung einschließlich Dienstleistungen für die Grundsicherung).

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Verschiebebahnhof von Eingliederungsleistungen für junge Menschen geplant: Betroffene werden nicht beachtet

Im Juni 2023 hat der Bundesarbeitsminister den Wechsel der Zuständigkeit für die Eingliederung junger Menschen in Arbeit und Ausbildung angekündigt, und zwar weg vom steuerfinanzierten Rechtskreis SGB II hin zum steuerfinanzierten Rechtskreis SGB III. Das Bundeskabinett hat diesen Plan beschlossen und er wurde in die Haushaltsplanung des Bundesfinanzministers übernommen.

Obgleich die Ankündigung zu Beginn der Parlamentsferien öffentlich wurde, gibt es seitdem eine große Zahl von Stellungnahmen (s. unten Dateien zum download; erg. 5.8.2023)), die diese Änderung ablehnen. Deren Inhalt wird hier nicht wiederholt, sondern ergänzt. Dabei stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt: 1. die Stärkung der Bundesagentur für Arbeit, 2. die fehlende Sichtweise der Betroffenen.

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Welchen relativen Wert hat der Mindestlohn?

Der Mindestlohn hat nicht nur einen absoluten Wert, sondern auch einen relativen Wert. Der relative Wert zeigt an, wo der Mindestlohn im nationalen Lohngefüge steht. Wie ist der Stand in Deutschland?

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Der relative Wert lässt sich ausdrücken als Prozentsatz des Mindestlohns am nationalen Durchschnitts- oder am Medianlohn von Vollbeschäftigten (sog. Kaitz-Index).

Der relative Wert des Mindestlohns hat sich in Deutschland zwischen 2015 und 2021 gemessen am nationalen Durchschnittslohn geringfügig verbessert, von 41,1 Prozent, auf 45,1 Prozent.

Ähnlich war die Entwicklung für den Wert gemessen am Medianlohn. Für den Medianlohn lag der Wert bei 51,1 Prozent. Dieser ist 2022 deutlich auf 56,4 Prozent gestiegen, was mit der Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde zu erklären ist.

Nach der Richtlinie der EU über angemessene Mindestlöhne (siehe hier) sollen Referenzwerte wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns verwendet werden (Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022, Art. 5). Das Statistische Bundesamt hat für 2022 nur den Wert für den Medianlohn veröffentlicht, die Angaben für den Durchschnittslohn fehlen. Dabei sollten beide Werte als Referenzwerte herangezogen werden.

Beide Entwicklungen zeigen allerdings, dass Deutschland unter den EU-weit geltenden Werten liegt (gestrichelte Linien in der Grafik). Diese Werte werden mit der vorgesehenen Erhöhung für 2024 um 41 Cent auf 12,41 auch nicht erreicht werden.

Quelle der Daten: 2015-2021: OECD; 2022: Destatis; eigene Darstellung

Die Differenz zwischen Median- und Durchschnittslohn kann wie ein allgemeines Ungleichheitsmaß interpretiert werden. Je größer die Differenz, umso ungleicher die Einkommensverteilung. Von 2018 bis 2021 steigt dieser Wert von 5,5 auf 6,0 in 2021, dem höchsten Wert seit 2015; die Einkommensungleichheit hat zugenommen. Der Entwicklung des Mindestlohns hat somit den Trend der Einkommensungleichheit nicht umzukehren vermocht.

Die Analyse des Kaitz-Index zeigt weiter, dass der Mindestlohn immer unter der Niedriglohnschwelle liegt, die nach internationaler Konvention bei zwei Dritteln des Medianlohns liegt. Bis 2019 einschließlich liegt der Wert für den Medianlohn sogar unter 50 Prozent, was als Armutslohn kategorisiert werden kann.

Fazit

Die bisherigen Mindestlöhne in Deutschland sind nicht angemessen und erreichen die Referenzwerte der EU nicht. Es braucht deshalb ein anderes Verfahren zur Bestimmung der Mindestlöhne und weitere Anstrengungen (Hinweise hier) mit dem Ziel einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu verringern, den sozialen Zusammenhalt und die soziale Aufwärtskonvergenz zu fördern und das geschlechterspezifische Lohngefälle zu verringern.

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