Ist Teilhabe am Arbeitsmarkt (zu) teuer?

Die Planungen des Bundeshaushalts, insbesondere des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, für die Jahre 2024 und 2025 haben bei den Akteuren Jobcenter, Träger und Verbände zu lebhaften Diskussionen geführt. Die Jobcenter gehen davon aus, dass die Mittel für Eingliederungsleistungen gekürzt oder zumindest nicht erhöht werden (s. auch). In der Folge wurde und wird der Instrumenteneinsatz anders priorisiert. In diesem Zusammenhang ist immer wieder zu hören, dass das Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II zu teuer sei. Damit wird die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden gefördert, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahren sechs Jahre Arbeitslosengeld II/Bürgergeld bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht (s. Teilhabechancengesetz).

Weil dieses Instrument zu teuer sei, werden von Jobcentern Neubewilligungen ganz ausgesetzt oder nur noch Nachbesetzungen vorgenommen. Teams, die für die „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zuständig waren, wurden mancherorts aufgelöst.

Nun stellt sich die Frage, was „zu teuer“ konkret bedeutet. Die Antwort ist nur im Vergleich mit anderen Instrumenten möglich. Der nächste Vergleich bietet sich mit den Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II (s. Arbeitsgelegenheiten) an, da beide Instrumente zu den beschäftigungsschaffenden Instrumenten gezählt werden. Der Vergleich wird nachfolgend anhand einer Überschlagsrechnung vorgenommen.

Die Ausgaben für Arbeitsgelegenheiten pro Förderung und Monat betrugen im Jahr 2022 laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit 619 Euro (Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit).

Bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt lag dieser Betrag bei 1.371 Euro (Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit).

Bei der Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt kann jedoch der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) zum Tragen kommen. D. h. für jeden Fördermonat kann das Jobcenter für einen Alleinstehenden 800 Euro pro Monat und Förderung wieder „einnehmen“ und damit das Budget für Eingliederungsleistungen erhöhen. Für andere Konstellationen von Bedarfsgemeinschaften (z. B. mehr als eine Person) betragen die Pauschalen 1.000 Euro bzw. 1.100 Euro (Pauschalen ab 2023).

Beispielrechnung für den § 16i SGB II:

Ein Arbeitgeber beantragt für ein Beschäftigungsverhältnis von 20 Wochenstunden und einem Mindestlohn von rund 12,50 Euro eine 100 %-ige Förderung. Das ergibt für einen Monat einen Betrag von 1.310 Euro, einschließlich Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers. Dies ist vom Jobcenter aus dem Eingliederungstitel (EGT) zu finanzieren.

Nun kann das Jobcenter eine PAT-Pauschale geltend machen, die aus den Passivleistungen in den EGT gebucht wird. Wird diese Pauschale für die Finanzierung der Ausgaben von § 16i SGB II herangezogen, sinkt der Netto-Aufwand für § 16i SGB II. Bei einer PAT-Pauschale von 800 Euro beträgt der Aufwand für einen Monat Förderung des vorgenannten Beispiels auf 510 Euro. Ist die Stundenzahl höher als 20 Wochenstunden oder der Lohn höher als der Mindestlohn, dann ist der Netto-Aufwand entsprechend höher. Dabei wird kein EGT oder Ausgaben gespart, sondern die Einnahmen des Jobcenters werden erhöht (EGT+PAT).

In einem solchen Vergleich sind im durchschnittlichen Netto-Ausgaben für die Förderung von Teilhabe am Arbeitsmarkt geringer für als eine Arbeitsgelegenheit. Die Behauptung, dass Teilhabe am Arbeitsmarkt (zu) teuer sei, trifft nicht zu. Dieses Ergebnis könnte bei der Priorisierung des Instrumenteneinsatzes von den Jobcentern stärker berücksichtigt werden.

Rechnet man den PAT zu den Ausgaben dazu, dann liegt der Durchschnitt der Ist-Kosten für § 16i SGB II im Jahr 2022 bei rund 1.900 Euro im Monat und TeilnehmerIn bei den gemeinsamen Einrichtungen. Bei dieser Sichtweise ist § 16i SGB II rund drei mal so hoch als eine Arbeitsgelegenheit. Aber auch bei dieser Darstellungsweise lassen sich die Ausgaben senken, wenn man die Wochenstundenzahl reduzieren würde.

Die Förderdauer bei § 16i SGB II könnte noch als Argument gegen ihren Einsatz angeführt werden. Aber auch Arbeitsgelegenheiten und andere Instrumente können bis zu drei Jahre gefördert werden.

Aufgrund von Rückmeldungen wurde der Beitrag am 26.4.24 überarbeitet.

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Zusätzlichkeit der Arbeitsgelegenheiten wurde gestrichen

Mit dem sog. Rückführungsverbesserungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rückführung) wurde die Zusätzlichkeit einer Arbeit als Voraussetzung für eine Förderung bei Asyl-Arbeitsgelegenheiten (Asyl-AGH) gestrichen.

Das Gesetz wurde am 26.2.2042 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 27.2.204 in Kraft.

Die Streichung der Zusätzlichkeit war im Gesetzesentwurf noch nicht vorgesehen (s. Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge). Sie kam erst aufgrund einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat (Drucksache 20/10090, 17.01.2024 ) zur Beschlussfassung.

Bisher war bei Asyl-AGH Zusätzlichkeit erforderlich und § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) besagte, dass die zu leistende Arbeit, zu der AsylbLG-Berechtigte verpflichtet werden konnten, sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden durfte (s. Pflichtarbeit für Asylbewerber? Gibt es schon und 25 Jahre Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – Entwicklung 1994 bis 2019 )

Neu eingefügt in die Rechtsgrundlage wurde stattdessen das schwächere Kriterium, dass das Ergebnis Arbeit der Allgemeinheit zukommen sollte.

Entgegen der Berichterstattung in den Medien handelt es sich weder bisher noch künftig um eine gemeinnützige Arbeit. Eine solche gibt es bereits mit dem Ende des Bundessozialhilfegesetzes nicht mehr. Dass eine Arbeit der Allgemeinheit zukommen sollte, ist unter anderem bei Zivildiensttätigkeiten als Ersatzdienst ein Kriterium. Das Kriterium der Allgemeinheit bedingt nicht, dass die Organisation gemeinnützig sein muss.

Die neue Fassung des Absatz 1 des § 5 AsylbLG lautet

(1) In Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und in vergleichbaren Einrichtungen sollen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden; von der Bereitstellung dieser Arbeitsgelegenheiten unberührt bleibt die Verpflichtung der Leistungsberechtigten, Tätigkeiten der Selbstversorgung zu erledigen. Im Übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.

In der Beschlussempfehlung des Ausschusses steht, dass mit dem neu aufgenommenen Kriterium, dass das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dienen muss, eine Abgrenzung der Arbeitsgelegenheit von einem regulären Arbeit- und Beschäftigungsverhältnis sichergestellt wird.

Weiter wird hervorgehoben, dass privatwirtschaftliche Unternehmen von der Umsetzung der AGH ausgeschlossen wären („Der Einsatz von Arbeitsgelegenheiten bei privatwirtschaftlichen Unternehmen bleibt ausgeschlossen.“). Allerdings zählen auch gemeinnützige Wohlfahrtsverbände zu privatwirtschaftlichen Unternehmungen. Der Ausschluss von privatwirtschaftliche Unternehmungen, die gewinnorientiert arbeiten, ergibt sich nur aus der Aufzählung „staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern“.

Diese bisherige Fördervoraussetzung Zusätzlichkeit wurde bereits vor rund 100 Jahren eingeführt (s. Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge). Hintergrund war enordnungspolitische Befürchtungen von negativen Effekten auf Unternehmen (Wettbewerbsverzerrung, Subsistenz- und Mitnahmeeffekte; s. Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge). In diesem Kontext wunden auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), für die dieses Kriterium auch galt, abgeschafft. Mit der neuen Formulierung werden diese Probleme nicht vermieden, sie werden mit dem Verzicht auf die Zusätzlichkeit eher größer.

Wurde von der Bundesregierung und den Bundesländern im November 2024 die Streichung noch mit der Reduzierung des Prüfwands (der ja auf den Schutzmechanismus hinweist) der AGH erklärt, so ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses hier offener: „Die Anpassung soll den das AsylbLG durchführenden Ländern und Kommunen ermöglichen, die nach dem AsylbLG bestehenden Regelungen zu Arbeitsgelegenheiten in breiterem Maße zu nutzen.“ Die Änderungen wurden also vorgenommen um eine größere Zahl von AsylbLG-Berechtigten zur Arbeit zu verpflichten zu können.

Dies wäre mit dem strengeren Knierum der Zusätzlichkeit schwierig geworden. Dabei ist auch bei der Frage der Allgemeinheit ein Prüfaufwand gegeben.

Die Bundesregierung hat möglicherweise zusammen mit den Bundesländern populistischer Meinungsmache nachgegeben und selbst übernommen. Die alten Probleme bleiben, lediglich die Schläuche sind neu.

Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis Firmen, z. B. aus dem Bereich Garten-Landschaftsbau, sich beschweren, dass sie bestimmte Aufträge im Grünflächenbereich der Kommunen nicht mehr bekommen, da diese Asyl-AGH kostengünstig einsetzen. Dann kommt der Vorwurf, dass Flüchtlinge den hiesigen Arbeitenden oder Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Darauf ist vermutlich wieder mit einer populistischen Reaktion zu rechnen.

Das Kriterium der Zusätzlichkeit bei AGH im SGB II existiert im übrigen im SGB II weiter fort. Es wird konsequenterweise auch hier gestrichen werden müssen. Oder es ist auch dies dem Populismus folgend gewollt, um mehr als bisher Bürgergeldbeziehende zur Arbeit zu verpflichten (so z. B. CDU fordert Arbeitspflicht). Dagegen hat es viele Studien gegeben, die den AGH im SGB II eine Wettbewerbsverzerrung und einen sog. Lock-in-Effekt zuschrieben. Mit lock in-Effekt ist gemeint, dass sich die AGH-Teilnehmende nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewerben, wenn sie länger in AGH sind, was dann die Reduktion der Transferleistungen behindern soll. Und bis jetzt gibt es auch keine Überlegungen, ob und wie gut die AGH im AsylbLG eine Arbeitsintegration fördern.

Das Problem ist weniger, ob die AsylbLG-Berechtigten arbeiten oder nicht – wenn man will, dass sie arbeiten, gibt man ihnen einfachsten die Arbeitserlaubnis. Das Problem ist eher, das der Demokratie verpflichtete Parteien nationalvölkische Narrative übernehmen.

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Digitale Kompetenzen von Arbeitslosen und ihre Feststellung (Buchbeitrag)

Ein Ergebnis meiner Studie zum Digitalen Empowerment ist nun als Buchbeitrag veröffentlicht worden:

Digitale Kompetenzen von Arbeitslosen und ihre Feststellung. In: Beck, Henkes, Terry (Hrsg.) 2024: Moderne Verwaltung und ihre gesellschaftliche Entwicklung – Interdisziplinäre Perspektiven für angewandte Lehre, Weiterbildung und Forschung, S. 315-328. Baden-Baden.

In dem Beitrag stelle ich ein von mir entwickeltes und erprobtes Verfahren „DSTAF – Digitale Skills Teilnehmender von Arbeitsförderungsmaßnahmen“ dar. Mit DSTAF können digitale Kompetenzen von Arbeitslosen bzw. Arbeitsuchenden in deutscher Sprache gemessen werden. Es orientiert sich am EU-Framework des DigComp, ist allerdings auf die Zielgruppe angepasst (z. B. Sprachanforderung). Ähnlich misst DSTAF Kompetenzbereiche (z. B. Information and data literacy) und Kompetenzstufen (z. B. Foundation)

Zum Verlag: https://kurzelinks.de/rivk

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Diskriminierung von Frauen, trotz Frauentag

Zahlreiche Menschen fühlen sich diskriminiert, darunter Frauen häufiger als Männer.

Zu Diskriminierung gab es 2019 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage („(Strukturelle) Diskriminierung, Mai 2019. Eine Studie von Kantar, Public Division im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA)“). Aus diesen Datensätzen* lässt sich das Ausmaß von Diskriminierung von Menschen genauer bestimmen.

An der Befragung haben 1.060 Personen im Alter von über 18 Jahren teilgenommen (Die absoluten Zahlen sind zur Korrektur der Ausfälle durch Anpassung der Strukturen der Stichprobe an die Strukturen der Grundgesamtheit gewichtet.).

Von den Befragten erklärten 20,1 %, dass sie persönlich eine Diskriminierung in den letzten drei Jahren erlebt haben. Dabei sind Frauen (21,7 %) häufiger als Männer (18,5 %) betroffen.

Im Folgenden werden Ergebnisse der befragten Frauen sowohl mit als auch ohne Diskriminierungserfahrung genauer betrachtet.

In zahlreichen Bereichen wird die Diskriminierung erlebt. Als Antwortmöglichkeiten waren möglich: Häufig, Gelegentlich, Selten, Nie, Weiß nicht. Für die nachfolgende Darstellung wurden die Antworten „Häufig, Gelegentlich“ zusammengefasst. Die Antwortkategorie „Weiß nicht“ kam nicht so häufig vor, die übrigen Angaben sind demnach „Nie“.

Etwa ein Viertel der Frauen wurde im Arbeitsleben und ein Fünftel auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert. Die Diskriminierung findet in vielen verschiedenen Bereichen im großen Umfang statt.

Bei verschiedenen Dimensionen von Diskriminierungen waren die Antwortmöglichkeiten Ja, Nein, Weiß nicht. Nachfolgend werden die wesentlichen Ja-Antworten zusammengefasst.

Unter den materiellen Benachteiligungen berichtet fast die Hälfte der Frauen, dass ihnen ein Antrag abgelehnt oder eine Leistung verwehrt (48,5 %) wurde und ihre Leistungen vergleichsweise schlechter bewertet wurden (48,1 %), die sie aus subjektiver Sicht hätte bekommen müssen. Annähernd die Hälfte (45,1 %) meint, dass sie weniger Gehalt als andere bei vergleichbarer Tätigkeit erhielten.

Im Rahmen sozialer Herabwürdigung berichten fast zwei Drittel der Frauen von Ausgrenzung, und unangebrachten Fragen zum Privatleben (je 64,3 %). Und drei Fünftel waren Opfer abwertender Witze und Kommentare (60,3 %).

Eine extreme Form von Diskriminierung stellen körperliche Übergriffe und Bedrohungen dar. Drei Zehntel der Frauen haben körperliche sexualisierte Übergriffe wie z. B. ungewollte Berührungen erlebt (29,6 %).

Die Erwartungen der befragten Frauen an die Politik, etwas gegen Diskriminierung (gleich aus welchem Grund zu ändern), sind sehr groß. Am häufigsten genannten wurde,

  • mehr Aufmerksamkeit für das Thema Diskriminierung in Schulen und Bildungseinrichtungen (91,1 %),
  • dass die bestehenden Gesetze gegen Diskriminierung besser durchgesetzt werden müssen (88,1 %),
  • mehr über das Recht auf Gleichbehandlung informieren (87,8 %).

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP steht „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.“

Millionen in der Bevölkerung sind von Diskriminierung betroffen und erwarten Aktivitäten der Politik zur Verbesserung der Situation.

*GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6735 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.13402

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Vortrag bei 2. Fachkonferenz rehapro „Soziale Innovationen für die Teilhabe am Arbeitsleben“

Am 14. und 15.03.2024 findet in Duisburg die 2. Fachkonferenz rehapro „Soziale Innovationen für die Teilhabe am Arbeitsleben“ statt. Das Programm bietet neben Plena-Vorträgen je 2-3 Vorträge in 16 streams rund um das Thema „Soziale Innovationen für die Teilhabe am Arbeitsleben“.

Am 15.3.24 werde ich Ergebnisse aus einer Evaluation eines rehapro-Projektes vorstellen. Mein Schwerpunkt ist die Analyse der Befragung von Arbeitslosen/Teilnehmenden zur Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation. Dazu werde ich sowohl Empfehlungen für Jobcenter und Träger geben können als auch Hinweise auf weiteren Forschungsbedarf.

Die Präsentation der Ergebnisse der laufenden rehapro-Projekte durch ihre Evaluator*innen ist nützlich für die kommende neue Förderrunde, die für rehapro im Frühjahr 2024 erwartet wird.

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Wegfall der Zusätzlichkeit für mehr Pflichtarbeit für Flüchtlinge

Der Bund und die Länder wollen die „Pflichtarbeit“ für Flüchtlinge ausweiten. Dies gilt auch für Flüchtlinge, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen.

„Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschef der Länder sind der Auffassung, dass die bestehenden Regelungen zu Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in breiterem Maße genutzt werden sollten. Die bestehenden Regelungen zur „Zusätzlichkeit“ der Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen gestrichen werden. Die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Mitwirkungspflichten müssen effektiver durchgesetzt werden.“

(Protokoll der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 6. November 2023)

Im Asylbewerberleistungsgesetz können nach § 5 Flüchtlinge zu einer zumutbaren Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit (AGH) sanktionsbewehrt verpflichtet werden (s. Hammer: Pflichtarbeit für Asylbewerber? Gibt es schon.).

§ 5 (1) In Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und in vergleichbaren Einrichtungen sollen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden; von der Bereitstellung dieser Arbeitsgelegenheiten unberührt bleibt die Verpflichtung der Leistungsberechtigten, Tätigkeiten der Selbstversorgung zu erledigen. Im übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde.

§ 5 (4) Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Bei unbegründeter Ablehnung einer solchen Tätigkeit besteht nur Anspruch auf Leistungen entsprechend § 1a Absatz 1. Der Leistungsberechtigte ist vorher entsprechend zu belehren.

Hervorhebung: AH

Bisher wurde diese Rechtsgrundlage kaum genutzt, weil die AGH kommunal finanziert werden müssen (s. Hammer: 25 Jahre Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – Entwicklung 1994 bis 2019). Andere Wege wie die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen von 2016 bis 2020 waren erfolglos und wurden dem Vergessen anheimgegeben (Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen 2016-2020: eine Fehleinschätzung?)

Voraussetzung einer AGH ist unter anderem, dass diese AGH „zusätzlich“ sind. Das Kriterium der Zusätzlichkeit soll sicherstellen, dass Arbeiten in einer AGH nur dann finanziell gefördert und durchgeführt werden, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden (s. auch Umfang zusätzlicher Arbeiten in der Arbeitsmarktförderung 2015 und 2016).

Um die beschlossene verstärkte Arbeitsverpflichtung auch durchsetzen zu können, braucht es mehr Arbeit, die von Flüchtlingen erledigt werden kann. Das Kriterium Zusätzlichkeit ist dabei eher hinderlich. Die Bundesregierung plant nun für Anfang 2024, dass das Kriterium der Zusätzlichkeit in § 5 AsylbLG als Anforderung künftig entfällt.

Als Argument für die Streichung dieses Kriteriums führt der Bund allerdings den damit verbundenen hohen Prüfaufwand für die Behörden an.

Ohne dieses Kriterium könnten AsylbLG-Berechtigte jede Art von Arbeit (auch Pflichtarbeiten wie eine Verkehrssicherungspflicht) bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern verrichten. Vorstellbar ist, dass der Bund auch Arbeitgeber der gewinnorientierten Privatwirtschaft zulässt, was je nach Interpretation des § 5 AsylbLG bereits auch jetzt schon möglich sein könnte.

Bereits 1927 wurde die Zusätzlichkeit geregelt:

§ 91 (2) Den Arbeitslosen dürfen nur solche Arbeiten zugewiesen werden, die 1. sonst überhaupt nicht oder nicht zu dieser Zeit oder nicht in diesem Umfange ausgeführt werden würden,…“

(Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 16. Juli 1927)

Dabei handelte es sich in der Regel allerdings um eine befristete sozialversicherte Beschäftigung bei Kommunalverwaltungen (ähnlich wie ABM oder AGH in der Entgeltvariante). Während der Wirtschaftskrise in den 1920ern fand erstmals in großem Umfang die Heranziehung von Fürsorgeempfänger*innen zur viel billigeren Fürsorgepflichtarbeit statt, die durch „Anweisung angemessener Arbeit gemeinnütziger Art“ keinen Arbeitsvertrag begründete und eine Mehraufwandszahlung für die Arbeitslosen vorsah (so geregelt in § 19 Reichsfürsorgepflichtverordnung von 1924 – also vor genau 100 Jahren; ähnlich wie AGH mit Mehraufwand im SGB II und AsylblG).

Die Anforderung der Gemeinnützigkeit der Arbeit ging mit dem Ende des Bundessozialhilfegesetzes 2004 verloren. Dieses Kriterium ist seitdem weder im SGB II noch im AsylbLG eine Anforderung an die zu verrichtenden Arbeiten.

Der Wegfall des Kriteriums der „Zusätzlichkeit“ könnte zu negativen, ordnungspolitischen Effekten auf dem Arbeitsmarkt oder bei Unternehmen führen:

  • Verdrängungseffekte, zulasten von Unternehmen, wenn ein Unternehmen mit einem Träger konkurriert, welcher günstige AGH-Kräfte einsetzen kann
  • Substitution von Arbeitsplätzen, wenn versicherungspflichtige Arbeitsplätze in mehrere Asyl-AGH umgewandelt werden würden,
  • Mitnahmeeffekte, wenn Lohnkosten eingespart werden würden, die man auch sonst erbracht hätte.
  • Umsetzung von Pflichtarbeiten bei Kommunen durch AGH stellt eine Kombination dieser Effekte dar.

Diese ordnungspolitischen Gefahren sind aktuell durch das Kriterium der Zusätzlichkeit im AsylbLG (noch) stark minimiert. Solange das Kriterium existiert, wird es in der Regel auch kontrolliert. Bislang entfiel das Kriterium der Zusätzlichkeit allenfalls bei Arbeiten, die mit einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsvertrag verbunden waren.

Im SGB II besteht eine restriktivere Handhabung der AGH (§16d SGB II), da neben der Zusätzlichkeit weitere Kriterien (Wettbewerbsneutralität, öffentliches Interesse) gelten (s. Zusätzlichkeit im Einsatz von Asylbewerbenden im Borkenkäfermonitoring). Diese Restriktionen wurden seit der Einführung des SGB II verschärft, eben aus vorgenannten ordnungspolitischen Überlegungen.

Sollte das Kriterium der Zusätzlichkeit für AGH im AsylbLG fallen, dann müsste das analog auch für die AGH im SGB II gelten.

In jedem Fall sollte vorher überlegt werden, ob und wie gut die AGH im AsylbLG eine Arbeitsintegration fördern.

Literatur

Hammer, Andreas: Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität und öffentliches Interesse. In: Forum Arbeit, Nr. 4/2016, S. 16-19

Hammer, Andreas: Arbeitsgelegenheiten 2010: Ergebnisse einer Befragung von am Markt arbeitenden Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen. In: Forum Arbeit 3/2010, S. 34-37

Hammer, Andreas: Ergebnisse der Befragung von am Markt arbeitenden Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen zu AGH-MAE und zur freien Förderung. In: Forum Arbeit 2/2009, S. 15-19

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Vortrag beim Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Bremen am 19.3.24

Auf dem Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Bremen am 19.3.24 werde ich Ergebnisse aus einer Evaluation eines rehapro-Projektes vorstellen. Interessant für Jobcenter/Träger, die die gesundheitliche Situation von Arbeitslosen verbessern wollen. https://kurzelinks.de/Hammer-RehaKolloq

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TOTALVERWEIGERER früher und heute – von der Gewissensprüfung zur Willensprüfung

Zurzeit ist das Wort „Totalverweigerer“ verstärkt im Umlauf.

Früher war es eine abwertende Bezeichnung für Männer, die aus Gewissensgründen sowohl den Kriegsdienst mit der Waffe (die mit einer „Gewissensprüfung“ verbunden war) als auch den Zivildienst verweigerten. Die sogenannten „Totalverweigerer“ mussten erhebliche Nachteile in Kauf nehmen. Diese reichten von Stigmatisierung über Bußgelder, polizeiliche Vorführung bis hin zu Haft sowie beruflichen oder finanziellen Nachteilen. Männer, die nach erfolgreicher Musterung beide Dienste verweigerten, waren Männer mit Haltung und „Rückgrat“.

Gegenwärtig wird der Begriff für Personen verwendet, denen vorgeworfen wird, eine Arbeitsaufnahme zu verweigern und gleichzeitig Sozialleistungen nach dem SGB II (Bürgergeld, Hartz IV) zu beziehen. Dabei wird der Begriff so verwendet, als gäbe es kein Recht, eine angebotene Arbeit abzulehnen. Dem ist nicht so. Unzumutbare Arbeit kann abgelehnt werden. Und selbst wenn es eine Sanktion im Sinne einer Leistungskürzung geben kann, hat das Bundesverfassungsgericht (BverfG) 2019 hier eine Obergrenze gezogen (grundsätzlich maximal 30 % des Regelbedarfs), da es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um ein soziokulturelles Existenzminimum handelt.

Eine Leistungskürzung um 100 Prozent Regelbedarf; ohne Kosten der Unterkunft und Heizung), wie sie die Bundesregierung jetzt umsetzt, und die Opposition gerne noch darüber hinausgehen möchte, ist theoretisch möglich. Im Urteil des BverfG von 2019 heißt es:

Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Ihre Situation ist dann im Ausgangspunkt derjenigen vergleichbar, in der keine Bedürftigkeit vorliegt, weil Einkommen oder Vermögen aktuell verfügbar und zumutbar einsetzbar sind. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und im Sinne des § 10 SGB II zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II willentlich verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, die einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, ist daher ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen.“ (Hervorhebung AH)

Diese theoretische „vollständige“ Leistungskürzung ist praktisch nur dann möglich, wenn eine Person nicht auf Leistungen nach dem SGB angewiesen, also nicht bedürftig ist (weil sie über ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt). Eine Arbeit, die ein Jobcenter Leistungsberechtigten in dieser Konstellation zuweist, muss nicht nur zumutbar sein, sondern als Anforderung zusätzlich existenzsichernd sein (d.h. das Einkommen aus der Arbeit ist so hoch, dass keine Bedürftigkeit mehr vorliegt bzw. keine Leistungen nach dem SGB II zu gewähren wären).

Dieser Sonderfall wird selten eintreten bzw. vom Jobcenter tatsächlich und unmittelbar nachgewiesen werden können, um die Leistung auf Null zu setzen. Das für 2024 errechnete Einsparvolumen im Bundeshaushalt durch eine „Totalverweigerer“-Sanktion (also auf Null) impliziert rund 150.000 Sanktionsfälle. Das sind deutlich mehr als in der Zeit vor dem BVerfG-Urteil. Es liegt auf der Hand, dass dies zu einer Verschlechterung der Wahrnehmung der Jobcenter, der Gesprächsatmosphäre zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentermitarbeitenden oder auch zu Ängsten führt. Dies gilt unabhängig von der Wirkung einer höheren Sanktion (vgl. Wirkung Höhe der Sanktion auf Integration).

Weiter nimmt die Bundesregierung in ihrer neuen Regelung auf das Wort „willentlich“ (s. Zitat oben) im BVerfG-Urteil Bezug:

„Abweichend von Absatz 4 Satz 1 entfällt der Leistungsanspruch in Höhe des Regelbedarfes, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen.“

(Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024)

Dies macht eine Willensprüfung notwendig, die vermutlich über eine übliche Anhörung hinausgeht. Diese Anforderung gilt auch für Leistungsberechtigte mit psychischen Belastungen oder geringnen Deutschkenntnissen. Eine Willensprüfung erinnert weider stark an die Gewissensprüfung, ob ein Kriegdienstverweigerer aus Gewissensgründen als solcher anerkannt wurde. Aber auch hier hat das BVerfG klar gemacht, dass eine Sanktion nicht einfach beschieden werden kann:

„Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen …. Die den entsprechenden Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen
zu, ist dem Grunde nach unverfügbar … und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren …; sie kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind
….“ (Hervorherbung AH)

Es lassen sich nun drei typische Reaktionsweisen auf die „Totalverweigerer“-Sanktion unterscheiden:

  • Zustimmung, insbesondere aufgrund mangelnder Kenntnis des genauen Wortlauts des BVerfG-Urteils und unvollständiger Information durch die Medien
  • Skandalisierung,
    • ◦ zu wenig Sanktionen, so von den Oppositionsparteien im Bundestag; bis hin zur Forderung der CDU, den aus der Ukraine nach Deutschland geflohenen Kriegsdienstverweigerern das Bürgergeld zu kürzen, womit sich der Kreis zum früheren Begriff „Totalverweigerer“ wieder schließt.
    • ◦ zu viel Sanktionierung, vorgetragen von Wohlfahrtsverbänden u.a.
  • Relativierung und Verharmlosung, das Ganze sei eine „Luftbuchung“ des Arbeitsministers oder es werde schon nicht so schlimm kommen wie befürchtet.

Unabhängig von der vorherrschenden Meinung, der Mißachtung des BVerfG und den typischen Reaktionsweisen und ist problematischer, dass die Bundesregierung mit der Sanktionsverschärfung gegenüber sogenannten „Totalverweigerern“ populistisch auf die Sanktionsdebatte reagiert, ohne die Sanktionsverschärfung in dem der Öffentlichkeit suggerierten Umfang umsetzen zu können. Dies stärkt dann zum einen populistische Positionen und deren Parteien einschließlich der Unterstellung, die Verschärfung nicht richtig umgesetzt zu haben oder die Verschärfung sei zu gering ausgefallen, und schwächt zugleich das Vertrauen in PolitikerInnen und den Rechtsstaat und deren Glaubwürdigkeit.

Ergänzt am 5.2.2024

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Rechtsform der ESF-Fördermittelempfänger

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist ein wichtiges Förderinstrument in der Europäischen Union und in Deutschland. Der ESF erfordert in der Regel nationale oder andere Komplementärfinanzierungen. Für die Förderperiode 2014 bis 2021 liegen einige Daten vor. Damit lassen sich Strukturen erkennen, die vermutlich auch für die laufende Förderperiode ähnlich sein könnten.

Interessant, weil selten berichtet, ist die Rechtsform der ESF-Fördermittelempfänger. Sie ist im Transparenzregister kein eigenständiges Feld, das man auswerten kann (zumindest nicht veröffentlicht). Als grobe Orientierung dienen die Bezeichnungen der ESF-Fördermittelempfänger. Ist die Rechtsformen – z. B. eingetragener Verein (e. V.) oder GmbH – Namensbestandteil, so lässt sie sich sicher einer Rechtsform zuordnen. Noch schwieriger ist die Feststellung, ob die ESF-Fördermittelempfänger gemeinnützig sind. Bei eingetragenen Vereinen kann das typischerweise vermutet werden. Bei Rechtsformen, die ein „g“ für gemeinnützig im Namen führen, ist dieses Merkmal gleichfalls einfach festzustellen.

Im Transparenzregister sind für die den ESF auf Bundesebene 145.505 Datensätze enthalten. Davon sind auch Mehrfachnennungen von Fördermittelempfängern enthalten. Davon enthalten 73.184 Unternehmensbezeichnungen eine Angabe zur Rechtsform. Das entspricht einem Anteil von 50,3 %.

Die häufigste Rechtsform ist die GmbH mit 62,5 % – rund 2 von 3 Fördermittelempfängern haben diese Rechtsform. Die zweithäufigste Rechtsform íst der e. V. mit 16,2 %.

Gemeinnützig sind vermutlich rund 19 % der Fördermittelempfänger. Oder umgekehrt: gewinnorientierte Unternehmen erhalten deutlich häufiger Fördermittel aus dem ESF als gemeinnützige Organisationen. Diese Struktur gibt zum Nachdenken Anlass, vor allem hinsichtlich der Weiterentwicklung des ESF (Mitnahmeeffekte, europäischer Mehrwert und andere Stichworte).

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Chatbots – eine Hilfe bei der Fragebogenkonstruktion?

In Rahmen einer Studie sollten aufgrund einer Forschungslücke wichtige Werthaltungen in der Interaktion zwischen Leistungsberechtigten des SGB II und Fachkräften operationalisiert werden (s. hier). Dabei wurde geprüft, ob ein Chatbot eine Hilfe bei der Fragebogenkonstruktion sein kann. Das Ergebnis dieser Prüfung ist nun unter „Chatbots – eine Hilfe bei der Fragebogenkonstruktion?“veröffentlicht in: Dialog, Magazin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, Ausgabe 49, 2023.

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