Haushaltssperre bremst Integration von Arbeitslosen

Bundesfinanzminister Lindner hat am 21.11.2023 eine Haushaltssperre bis zum 31.12.2023 verhängt. Betroffen sind die Einzelpläne 04 bis 17 und 23 bis 60. Im Einzelplan 60 sind die Sondervermögen (Klima- und Transformationsfonds, Wirtschaftsstabilitätsfonds) sowie die Mittel für die Ukraine-Flüchtlinge. Im Einzelplan 11 enthält auch die Mittel für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; sog. „Hartz IV“). Die Haushaltssperre bezieht sich auf Verpflichtungsermächtigungen. Das bedeutet, dass die Jobcenter keine neuen Verpflichtungen für Zahlungen eingehen dürfen, die in späteren Haushaltsjahren fällig werden.

Was bedeutet die Haushaltssperre konkret für die Jobcenter?

Die Jobcenter werden

  • alle geplanten Ausschreibungen stoppen müssen bzw. dürfen keinen Zuschlag erteilen,
  • keine Aktivierung- und Vermittlungsgutscheine oder Bildungsgutscheine ausgeben,
  • keine Lohnkostenzuschüsse bewilligen (Eingliederungszuschüsse, Teilhabe am Arbeitsmarkt usw.,
  • damit viele Arbeitslose nicht wie geplant fördern können.
  • In der Folge drohen bei Maßnahmeträgern möglicherweise Liquiditätsengpässe, wenn eingeplante Maßnahmen nicht starten, Personal und Räume aber dennoch finanziert werden müssen.

Nicht betroffen von den Instrumenten zur Eingliederung in Arbeit und Ausbildung sind

  • laufende Maßnahmen
  • Maßnahmen, auf die Leistungsberechtigte einen Rechtsanspruch haben, z. B. bestimmte Reha-Maßnahmen (Teilhabe am Arbeitsleben).

Personal- und Sachkosten sind ebenfalls nicht betroffen, da es hier keine Verpflichtungsermächtigungen gibt. Das SGB III ist nicht tangiert, weil es sich hier um Mittel der Arbeitslosenversicherung handelt.

Der Nutzen einer Haushaltssperre besteht vor allem darin,

  • eine zu hohe Belastung im Folgejahr, also hier 2024 und 2025, zu vermeiden,
  • sich einen Überblick zu verschaffen, wie umfangreich Verpflichtungsermächtigungen bereits genutzt wurden („Kassensturz“).

Eine weitere Konsequenz kann sein, dass die auf diese Weise erzielten Einsparungen und auch in den Folgejahren nicht mehr als Ausgabeermächtigungen zur Verfügung stehen.

2024: vorläufige Haushaltsführung

Für 2024 gibt es eine sogenannte „vorläufige Haushaltsführung“ bis zur Beschlussfassung des Haushalts 2024. Dann sind nur solche Ausgaben erlaubt, die nötig sind,

  • um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,
  • um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,
  • um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.

Wie könnten die negativen Folgen für Arbeitslose und Maßnahmeträger abgemildert werden?

Die erlassene aktuelle Haushaltssperre hat noch relativ „milden“ Charakter, da sie auch Ausgaben und nicht nur die Verpflichtungsermächtigungen hätte betreffen können, was dann einen Zahlungsstopp bedeutet hätte.

Es scheint sich bei der Haushaltssperre um eine „einfache“ Sperre zu handeln, da der Staatssekretär des Bundesfinanzministetriums erklärt hat, dass er in besonderen Ausnahmefällen Verpflichtungsermächtigungen entsperren kann, wenn ein sachlich und zeitlich unabweisbarer Bedarf schriftlich dargelegt wird. Ausnahmen bei einer „qualifizierte“ Sperre kann nur der Haushaltsausschuss des Bundestages aufheben. Der Bundesarbeitsminister könnte also einen solchen Bedarf für die Grundsicherung für Arbeitslose darstellen, insbesondere nachdem der „Turbo“ für Flüchtlinge aus der Ukraine von vielen Akteuren als nötig bewertet wurde.

Die Bundesregierung beabsichtigt im Jahr 2023 die Schuldenbremse auszusetzen und für 2023 einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Ausgang offen.

Aktualisierung 24.11.2023: Das Bundesfinanzministerium sieht vor, die Haushaltssperre für die Eingliederungsleistungen des SGB II aufzuheben.

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Fachkräftemangel – wozu noch betriebliche Einstiegsqualifizierung?

Die Einstiegsqualifizierung ist ein Förderinstrument der Arbeitsförderung (einsetzbar für Arbeitsagenturen und Jobcenter; § 54a SGB III). Arbeitgeber werden bezuschusst, wenn sie ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum vergüten. Die betriebliche Einstiegsqualifizierung dient der Vermittlung und Vertiefung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit. Über die erfolgreiche Durchführung wird ein Zertifikat ausgestellt. Damit können TeilnehmerInnen bei der zuständigen Kammer beantragen, dass sich die Dauer der angestrebten Ausbildung verkürzt.

„Als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber lernen Sie durch die Einstiegsqualifizierung potenzielle Auszubildende kennen und können sich zukünftige Fachkräfte sichern.“

Bundesagentur für Arbeit; https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/ausbildungsbetriebe/einstiegsqualifizierung-arbeitgeber

Wie nehmen Arbeitgeber das Instrument Einstiegsqualifizierung angesichts des häufig beklagten Fachkräftemangels wahr?

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Entwicklung der ganzheitlichen Betreuung im SGB II

Zum 1.7.2023 ist als neues Förderinstrument für erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SGB II die „ganzheitliche Betreuung“ eingeführt worden. Mit diesem Instrument gemäß § 16k SGB II können Jobcenter die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen und Maßnahmenteilnehmenden sowie die Begleitung von Ausbildungsinteressierten und Auszubildenden flexibel fördern.

Bis zum Oktober 2023 sind deutschlandweit 1.255 Personen mit Bürgergeld-Bezug in diesen Maßnahmetyp eingetreten. Im Bestand waren 1.099. Demnach gibt es bereits nach kurzer Zeit erste Austritte.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung

Die weitere Entwicklung der „ganzheitlichen Betreuung“ wird vermutlich positiv sein. Denn mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung war die Entwicklung anderer Maßnahmetypen negativ (Beispiel Eingliederung von Langzeitarbeitslosen Oktober 2023 gegenüber Vorjahresmonat: -21,8 %). Infolge angekündigter Mittelkürzung für 2024 werden die Jobcenter ihren Instrumenteneinsatz mehr nach dem Budget (und günstigeren Maßnahmen) ausrichten als bisher (so auch Rückmeldungen aus Fortbildungen). Und das wird für die „ganzheitliche Betreuung“ sprechen.

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Pflichtarbeit für Asylbewerber? Gibt es schon.

Stehen sog. 1-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II) schon seit Jahren in der Diskussion der Arbeitsmarktpolitik als Förderinstrument, finden sich die Arbeitsgelegenheiten (AGH) nach § 5 AsylbLG weniger in der öffentlichen Wahrnehmung. Diese existieren ebenfalls schon seit Jahren. Zwischen dem 1.8.2016 und 2020 gab es außerdem befristet Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (Hammer 2017b, 2017d, Hammer 2018) als Arbeitsgelegenheiten nach § 5a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der Instrumententyp Arbeitsgelegenheiten (AGH) nach § 5 AsylbLG wurde 1993 eingeführt. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG können somit einer AGH zugewiesen und zu dieser Arbeit werden, und sanktioniert werden, wenn sie diese Arbeit nicht ausführen. In einem früheren Beitrag wurde für die Zeit von 1994 bis 2019 – 25 Jahre – beleuchtet (s. u.). Im nachfolgenden Text geht es um die Fortführung bis 2022.

Einige zentrale Ergebnisse:

Aus § 5 (1) AsyblG ergibt sich eine Bereitstellungsverpflichtung von Arbeitsgelegenheiten, die zudem für staatliche, kommunale und gemeinnützige Träger gilt. Diese Verpflichtung wird lediglich begrenzt durch den Vorbehalt des Möglichen und durch das Erfordernis der Zusätzlichkeit.

Die Prüfung der Zusätzlichkeit erfolgt durch die für das Asylbewerberleistungsgesetz zuständige Behörde. Das Thema Zusätzlichkeit war hier nie ein öffentliches Thema wie die Zusätzlichkeit bei den AGH nach § 16d SGB II (sog. „Hartz IV“).

Nach der Begründung des Entwurfs für das Asylbewerberleistungsgesetz dienen Arbeitsgelegenheiten in Aufnahmeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen dazu, das in § 3 Abs. 1 AsylbLG verankerte Sachleistungsprinzip im Sinne einer vermehrten selbstversorgenden Tätigkeit zu ergänzen. Daher wird für Arbeitsgelegenheiten in solchen Einrichtungen auch nicht vorausgesetzt, dass sie gemeinnütziger und zusätzlicher Art sind. Insbesondere die Arbeitsgelegenheiten in Einrichtungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG dienen zudem der Reduzierung von Kosten, die durch reguläre Arbeitskräfte beim Betrieb der Einrichtung entstehen würden. Arbeitsgelegenheiten nach diesem Gesetz sind allerdings nicht nur als Verpflichtung zu betrachten, sondern auch als Leistung bzw. Möglichkeit zu verstehen ist, sich zu betätigen und die gegenwärtige Situation in begrenztem Maße zu gestalten und finanziell zu verbessern.

Der Anteil der Personen in Arbeitsgelegenheiten an allen Empfängerinnen und Empfängern von AsylbLG lag 1994 bis 2021 im Mittel bei 0,72 Prozent. Im Jahr 2021 waren 2565 EmpfängerInnen von Asylbewerberregelleistungen in einer solchen AGH.

Quelle der Daten: Statistisches Bundesamt; eigene Darstellung

Interessant ist der Vergleich der Bruttoausgaben für Arbeitsgelegenheiten als Anteil an allen Ausgaben für Asylbewerberleistungen. Der bundesweite Durchschnitt lag für Jahr 1994 bis 2022 bei 0,56 Prozent. 2022 wurde der niedrigste Wert seit der Einführung ausgewiesen – rund 0,22 Prozent.

Quelle der Daten: Statistisches Bundesamt; eigene Darstellung

Die Kosten pro Teilnehmer*in liegen 1994 bis 2021 im Mittel bei 5.493 Euro. Der Wert in 2021 betrug 3.955 Euro pro AGH. Dies war drittniedrigste Wert im Gesamtzeitraum.

Quelle der Daten: Statistisches Bundesamt; eigene Darstellung

Offensichtlich hängt die Teilnahme und die Ausgestaltung einer AGH nach § 5 AsylbLG stark vom Bundesland ab. Trotz der gestiegenen Zuwanderung bleibt das Instrument marginal.

Vollständige Darstellung hier zum download.

Hammer-25Jahre-Asyl-AGH

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Ist der sog. Zweite Arbeitsmarkt nur noch ein Arbeitsmärktchen?

Soziale Teilhabe, Teilhabe am Arbeitsmarkt – Schlagworte mehrerer Regierungen.

Die Entwicklung zeigt, dass die der öffentlich geförderte Beschäftigung seit Jahren abnimmt. Die Zahl der Geförderten im Bestand betrug im September 2023 rd. 92.600. Bis 2010 lagen die Bestandszahlen allein für die Arbeitsgelegenheiten (SGB II) bei über 300.000 Teilnehmenden (s. AGH-Entwicklung).

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Werte für Juli, August und September 2023 sind vorläufig. Eigene Darstellung

Der Abbau der öffentlich geförderten Beschäftigung erfolgt offensichtlich unabhängig von

  • der Zusammensetzung der Bundesregierung
  • der wirtschaftlichen Entwicklung
  • der Zahl der Arbeitslosen
  • Pandemie und Flüchtlingszahlen
  • der Entwicklung des Eingliederungstitels für das SGB II
  • den wechselnden Förderinstrumenten (die Aktivitäten demonstrieren)
  • der Bedarf an (sozialer) Teilhabe oder Teilhabe an Arbeit bei den Arbeitslosen.

Der Abbau hat sicherlich auch eine Einschränkung bei den Beschäftigungsträgern zur Folge, die oftmals, wenn auch unter erschwerten Bedingungen (s. Mittelkürzung) noch die Teilhabe an Arbeit für Arbeitslose absichern wollen.

Im Mittel lag die Zahl der Geförderten im Zeitraum Januar 2016 bis September 2023 bei rund 104.000. Dieses Niveau wurde zuletzt im Dezember 2021 erreicht. Der Höchstwert in dieser Zeit betrug rund 120.400 im November 2019. Dieser Monat war übrigens der einzige Monat, in dem die Zahl 120.000 überschritten wurde.

Offensichtlich sind 120.000 Förderungen der „Deckel“, bis zu der Beschäftigung für am Arbeitsmarkt Benachteiligte aus öffentlichen Mitteln gefördert wird.

Die öffentliche geförderte Beschäftigung sollte zumindest die weiterhin große Zahl von Langzeitarbeitslosen stabilisieren, weitere Qualifikationsverluste vermeiden, soziale Isolierung beenden und ihre künftigen Arbeitsmarkt- und Berufschancen verbessern. Eine angemessene Ausgestaltung und Ressourcenausstattung erleichtern diese Ziele.

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Mehrfachbeschäftigung – eine Fehlentwicklung in Deutschland

Mehrfachbeschäftigte sind Personen, die zeitgleich in mehr als einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Dies können z.B.Beschäftigte mit mindestens einer weiteren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. geringfügigen Beschäftigung sein.

Wie ist die Entwicklung der Mehrfachbeschäftigung in Deutschland?

Weiterlesen: Mehrfachbeschäftigung – eine Fehlentwicklung in Deutschland

Seit über 30 Jahren nimmt die Mehrfachbeschäftigung zu, sowohl absolut als auch relativ.

Im Jahr 1991 gab es 1.246.759 Mehrfachbeschäftigte und ihr Anteil an allen Beschäftigten lag bei 3,5 %. Im 1. Quartal 2023 (der letzte Wert in der Zeitreihe) waren es 4.325.978 Mehrfachbeschäftigte bzw. ein Anteil von 10,4 %.

Quelle der Daten: IAB; eigene Darstellung

Die Entwicklung ist kontinuierlich (einen kurzen Rückgang gab es lediglich in der Covid19-Pandemie) und stark. Besonders deutlich war der Anstieg nach 2003, bedingt durch die sog. „Hartz“-Gesetze. Bis dahin stiegen die Zahlen langsamer, um dann von 2003 zu 2004 (sog. „Hartz“-II) einen Sprung zu machen, von 1.729.493 auf 2.105.672 Mehrfachbeschäftigte. Danach verläuft der Anstieg kräftiger als vorher. Seit 2003 hat sich die Zahl der Mehrfachbeschäftigten mehr als verdoppelt. Seit 1991 hat sich der Anteil fast verdreifacht. Das ist überproportional zur gesamten Beschäftigtenentwicklung in diesem Zeitraum von 18 %.

Für den Anstieg spielen die geänderten Minijob-Regelungen die entscheidende Rolle. Diese fördern die sozialversicherungsfreie Beschäftigung (verbunden mit den langfristigen Risiko einer geringen Rente und einer überproportionalen Belastung der Krankenkassen). Die durch die „Hartz“-Gesetze gewünschte stärkere Lohnspreizung (Niedriglohnsektor, s. hier) tritt eher in „Einbahnindustrien“ auf, die durch niedrig bezahlte Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifizierungsanforderungen in Privathaushalten (und anderen Dienstleistungen) und arbeitsintensiven Konsumgüterindustrien gekennzeichnet sind. Der Armutseffekt sinkender Löhne (in Deutschland gilt erst seit 2015 ein in allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn) kann dazu führen, dass das Arbeitsangebot steigt (man muss mehr Stunden arbeiten, um genügend Erwerbseinkommen zu erzielen).

Da der Fachkräftemangel als ein großes Problem angeführt wird, sollte es auch im Interesse der Arbeitgeber sein, Beschäftigte mehr zu beschäftigen als dass sie bei einem anderen Arbeitgeber noch einen Minijob machen.

Die Begünstigung des Minijobs sollte abgeschafft werden.

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Eingliederung von Arbeitslosen im SGB II – reale Mittelplanung 2024 so niedrig wie nie

Im Kontext des Haushaltsplans 2024 hat der Bundesarbeitsminister nach 2022 und 2023 eine weitere Mittelkürzung zur Eingliederung von Arbeitslosen in Arbeit oder Ausbildung im Rechtskreis SGB II geplant. Das Unverständnis darüber ist zumindest bei den betroffenen Jobcentern und Maßnahmeträgern groß.

Die Zahlen zu den Kürzungen variieren in den verschiedenen Stellungnahmen. So wird einmal eine Kürzung von 2024 gegenüber 2023 oder auch gegenüber 2022 berichtet (jeweils Soll), manchmal ist auch ein Vergleich von Soll mit vorherigen Ist-Zahlen zu lesen.

Für 2024 hat der Bundesarbeitsminister 4,2 Mrd. Euro im Eingliederungstitel (EGT) geplant, das Soll für 2023 beträgt 4,4 Mio. Euro. Das ergibt eine Kürzung von 200 Mio. Euro. Gleichzeitig wird im Haushalt 2024 eine Steigerung der Zahlen der Arbeitslosen im SGB II angenommen.

Es stellt sich aber nicht nur die Frage nach der Kürzung an sich. Es stellt sich vielmehr auch die Frage, was man dafür real als Eingliederungsleistung erhält. Durch die deutlich gestiegene Inflation bekommt man in 2024 ja nicht die gleiche Leistung wie in 2023 bei gleichem Betrag.

Erstaunlicherweise zeigt eine Internetrecherche keine inflationsbereinigten Zahlen für den Eingliederungstitel.

Die folgende Grafik zeigt die nominalen und die realen (inflationsbereinigten) Werte für den EGT (Beitrag mit erweitertem Inhalt, einschließlich EGT pro ELB unten).

Quelle der Daten für EGT nominal: Bundesfinanzministerium; eigene Berechnungen

Die Zeitreihe beginnt 2006 (für 2005 sind keine Zahlen ausgewiesen) und reicht bis 2024. Der Wert für 2024 entspricht dem aktuellen Planwert im noch nicht beschlossenen Haushaltsplan.

Die Zeitreihe enthält die Soll-Werte des EGT für ein Jahr im Einzelplan für die Eingliederung in Arbeit. Dabei sind die Ausschüttung von Haushaltsresten aus Vorjahren sowie die Deckungsmittel durch den Passiv-Aktiv-Transfer nicht enthalten.

Die Inflationsbereinigung wurde vorgenommen anhand des vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Preisindex des Bruttoinlandsprodukts (BIP-Deflatoren, Kettenindizes mit 2015 als Basisjahr). Die Quelle für die BIP-Deflatoren für 2023 und 2024 ist die Deutsche Bundesbank (Stand Dezember 2022).

Der EGT-Soll-Ansatz im Haushalt 2006 betrug. 6,47 Mrd. Euro, er stieg mit kleinen Schwankungen bis 2009 auf 6,6 Mrd. Danach wurden die Haushaltsansätze deutlich reduziert, und zwar bis 2013. Darauf folgte eine Phase der Steigerung bis 2020. Seitdem sind mehrere deutliche Kürzungsrunden erfolgt oder geplant.

Bereinigt man die Soll-Ansätze um die Inflation, erhält man die realen EGT-Ansätze. Ihre Entwicklung ist ähnlich wie die der nominalen Zeitreihe. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass seit 2020 die Inflation eine deutliche größere Kürzung bewirkt als die Jahre davor. In 2023 beträgt der inflationsbereinigte Haushaltsansatz nur noch 3,5 Mrd. Euro (Soll nominal 4,4 Mrd. Euro, Abweichung rd. 850 Mio. Euro), im Jahr 2024 sollen real 3,27 Mrd. Euro bereitgestellt werden (Soll nominal 4,2 Mrd. Euro, Abweichung rd. 929 Mio. Euro).

Die Kürzung von nominal 200 Mio. Euro in 2024 gegenüber dem Vorjahr 2023 beträgt dann inflationsbereinigt rd. 282 Mio. Euro (Minus 8 %).

Die Planung für 2024 stellt somit nicht nur eine Kürzung von 200 Mio. Euro dar: für dieses Geld gibt es inflationsbedingt auch weniger Eingliederungsleistungen. Sollte der Haushalt 2024 wie geplant beschlossen werden, so ergibt sich der niedrigste inflationsbereinigte EGT-Soll-Ansatz in der Geschichte des SGB II dar. Die Jobcenter benötigen für die Arbeitslosen nicht nur die Rücknahme von Kürzungen, sondern auch einen Inflationsausgleich.


Der Beitrag mit erweitertem Inhalt (einschließlich EGT pro ELB) zum download:

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Welche Haltungen und Werte sind in der Grundsicherung wichtig?

Ihre Haltung ist wichtig! 

In der Fachdiskussion zu den Erfolgsfaktoren der Förderung und Beratung im SGB II wird immer wieder die Bedeutung der professionellen Haltung der Beratungsfachkräfte in der Interaktion mit den Leistungsberechtigten der Jobcenter betont. Es wird selten genauer beschrieben, was mit „Haltung“ gemeint ist. Die Forschungslage ich lückenhaft.

Welche Werte sind dabei wichtig? Gibt es Werteprofile? Sind Werte abhängig von der Berufserfahrung, der Berufsausbildung oder anderen Merkmalen?
Um diese und andere Zusammenhänge zu klären, soll die Bedeutung von Werten und Haltungen in der Beratung und Förderung im SGB II genauer untersucht werden (weitere Infos:https://kurzelinks.de/Hammer-Studie_Haltung_im_Jobcenter). 

Mit Ihrer Teilnahme an unserer Befragung tragen Sie dazu bei, eine Forschungslücke zu schließen und die Interaktion zwischen Leistungsberechtigten der Jobcenter und Fachkräften zu verbessern.
Wir sind uns sicher, dass Ihre Erfahrungen und Meinungen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Forschungslage und zur Fachdiskussion beitragen werden.

Deshalb möchten wir Sie herzlich dazu einladen, an unserer Befragung teilzunehmen und uns Ihre Perspektive mitzuteilen.
Wir bedanken uns im Voraus für Ihre Teilnahme und freuen uns auf Ihre wertvollen Beiträge! Die Ergebnisse der Studie werden Ihnen zur Verfügung gestellt.

Gerne können Sie den link zur Befragung an Ihre Kolleginnen und Kollegen oder Mitarbeitenden weiterleiten. Dafür vielen Dank.

Hiermit geht es zur online-Befragung: https://s2survey.net/Haltung/

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Inflationsausgleichsprämie förderfähig bei §§ 16e und i SGB II ?

Das BMAS hat entschieden, dass eine Inflationsausgleichsprämie, die aufgrund eines Tarifvertrags (oder weil daran angelehnt) ausgezahlt wurde, im Rahmen von § 16i SGB II als förderfähige Kosten angesetzt und abgerechnet werden können.

Dies gilt allerdings nicht für § 16e SGB II.

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Teilhabe am Arbeitsmarkt im „Sommerloch“?

„Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) soll als Instrument des sog. Teilhabechancengesetzes seit 1.1.2019 die Teilhabe von Langzeitleistungsbeziehenden fördern (siehe auch hier). Dabei geht es um Personen, die in der Regel innerhalb der letzten sieben Jahre sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben, unabhängig davon, ob sie arbeitslos waren oder nicht.

Die Nutzung des Instruments stagniert seit über einem Jahr (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt am Maximum? Und Teilhabe am Arbeitsmarkt stagniert). Sowohl für die Eintritte (bereits seit 5/2019) als auch für den Bestand (seit 1/2021) ist ein Rückgang zu beobachten (siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt im Sinkflug 2021? und Teilhabe am Arbeitsmarkt – nur für 40.000?). Es ist deutlich, dass der Rückgang der Eintritte bereits vor der Corona-Pandemie eingesetzt hat.

Im Juli 2023 2032 wurden 38.110 Personen gefördert (vorläufige Zahl); das entspricht dem Niveau vom März 2020. Die Zahl der Eintritte betrug 487, der Tiefstwert seit Bestehen der Rechtsgrundlage.

Quelle der Daten: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Eigene Darstellung

Ohne Vorförderung – also über die Überleitung von Geförderten aus anderen Förderinstrumenten in § 16i SGB II wären die Eintritte in 2019 sicherlich nicht so hoch gewesen und der Bestandsaufbau wesentlich langsamer erfolgt.

Die Neueintritte bzw. Nachbesetzungen von Arbeitsplätzen sind geringer als der Abbau. Die hohe Zahl an vorzeitigen Austritten (42,6 %, gleitende 12-Monatssumme 4 /2023 bei gemeinsamen Einrichtungen) trägt zum Bestandsabbau bei.

Erleichterungen im Zugang hätten untergesetzlich erfolgen können. So könnte der Bund beispielsweise die Ausübung einer längeren und geringen Minijob-Tätigkeit als unschädlich für die Förderung nach § 16i SGB II einräumen. Da solche Anpassungen nicht vorgenommen wurden, ist davon auszugehen, dass das erreichte Volumen das politisch gewünschte Maß erreicht hat. Dazu passt die Kalkulation im Gesetzesentwurf für das Bürgergeldgesetz, langfristig maximal 40.000 Förderfällen für § 16i SGB II beziffert. Folglich wird hier von Nachbesetzungen von Austritten ausgegangen, aber nicht mit einer Ausweitung der Teilhabe an Arbeit. Entsprechend wurde das Budget der Jobcenter für 2023 gekürzt und für 2024 ist eine weitere Kürzung geplant.

Das Recht auf Teilhabe – wie es auch gesetzlich abgesichert ist – wird somit nicht dauerhaft und nur begrenzt eingelöst. Der Bund sollte mehr Mittel (und Verpflichtungsermächtigungen) als bisher dafür bereitstellen. Dann könnten die in der Förderung unterrepräsentierten Frauen, AusländerInnnen und Personen ohne Berufsabschluss angemessener Teilhabe erfahren.

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