Vortrag beim Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Bremen am 19.3.24

Auf dem Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Bremen am 19.3.24 werde ich Ergebnisse aus einer Evaluation eines rehapro-Projektes vorstellen. Interessant für Jobcenter/Träger, die die gesundheitliche Situation von Arbeitslosen verbessern wollen. https://kurzelinks.de/Hammer-RehaKolloq

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TOTALVERWEIGERER früher und heute – von der Gewissensprüfung zur Willensprüfung

Zurzeit ist das Wort „Totalverweigerer“ verstärkt im Umlauf.

Früher war es eine abwertende Bezeichnung für Männer, die aus Gewissensgründen sowohl den Kriegsdienst mit der Waffe (die mit einer „Gewissensprüfung“ verbunden war) als auch den Zivildienst verweigerten. Die sogenannten „Totalverweigerer“ mussten erhebliche Nachteile in Kauf nehmen. Diese reichten von Stigmatisierung über Bußgelder, polizeiliche Vorführung bis hin zu Haft sowie beruflichen oder finanziellen Nachteilen. Männer, die nach erfolgreicher Musterung beide Dienste verweigerten, waren Männer mit Haltung und „Rückgrat“.

Gegenwärtig wird der Begriff für Personen verwendet, denen vorgeworfen wird, eine Arbeitsaufnahme zu verweigern und gleichzeitig Sozialleistungen nach dem SGB II (Bürgergeld, Hartz IV) zu beziehen. Dabei wird der Begriff so verwendet, als gäbe es kein Recht, eine angebotene Arbeit abzulehnen. Dem ist nicht so. Unzumutbare Arbeit kann abgelehnt werden. Und selbst wenn es eine Sanktion im Sinne einer Leistungskürzung geben kann, hat das Bundesverfassungsgericht (BverfG) 2019 hier eine Obergrenze gezogen (grundsätzlich maximal 30 % des Regelbedarfs), da es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um ein soziokulturelles Existenzminimum handelt.

Eine Leistungskürzung um 100 Prozent Regelbedarf; ohne Kosten der Unterkunft und Heizung), wie sie die Bundesregierung jetzt umsetzt, und die Opposition gerne noch darüber hinausgehen möchte, ist theoretisch möglich. Im Urteil des BverfG von 2019 heißt es:

Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Ihre Situation ist dann im Ausgangspunkt derjenigen vergleichbar, in der keine Bedürftigkeit vorliegt, weil Einkommen oder Vermögen aktuell verfügbar und zumutbar einsetzbar sind. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und im Sinne des § 10 SGB II zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II willentlich verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, die einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, ist daher ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen.“ (Hervorhebung AH)

Diese theoretische „vollständige“ Leistungskürzung ist praktisch nur dann möglich, wenn eine Person nicht auf Leistungen nach dem SGB angewiesen, also nicht bedürftig ist (weil sie über ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt). Eine Arbeit, die ein Jobcenter Leistungsberechtigten in dieser Konstellation zuweist, muss nicht nur zumutbar sein, sondern als Anforderung zusätzlich existenzsichernd sein (d.h. das Einkommen aus der Arbeit ist so hoch, dass keine Bedürftigkeit mehr vorliegt bzw. keine Leistungen nach dem SGB II zu gewähren wären).

Dieser Sonderfall wird selten eintreten bzw. vom Jobcenter tatsächlich und unmittelbar nachgewiesen werden können, um die Leistung auf Null zu setzen. Das für 2024 errechnete Einsparvolumen im Bundeshaushalt durch eine „Totalverweigerer“-Sanktion (also auf Null) impliziert rund 150.000 Sanktionsfälle. Das sind deutlich mehr als in der Zeit vor dem BVerfG-Urteil. Es liegt auf der Hand, dass dies zu einer Verschlechterung der Wahrnehmung der Jobcenter, der Gesprächsatmosphäre zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentermitarbeitenden oder auch zu Ängsten führt. Dies gilt unabhängig von der Wirkung einer höheren Sanktion (vgl. Wirkung Höhe der Sanktion auf Integration).

Weiter nimmt die Bundesregierung in ihrer neuen Regelung auf das Wort „willentlich“ (s. Zitat oben) im BVerfG-Urteil Bezug:

„Abweichend von Absatz 4 Satz 1 entfällt der Leistungsanspruch in Höhe des Regelbedarfes, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen.“

(Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024)

Dies macht eine Willensprüfung notwendig, die vermutlich über eine übliche Anhörung hinausgeht. Diese Anforderung gilt auch für Leistungsberechtigte mit psychischen Belastungen oder geringnen Deutschkenntnissen. Eine Willensprüfung erinnert weider stark an die Gewissensprüfung, ob ein Kriegdienstverweigerer aus Gewissensgründen als solcher anerkannt wurde. Aber auch hier hat das BVerfG klar gemacht, dass eine Sanktion nicht einfach beschieden werden kann:

„Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen …. Die den entsprechenden Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen
zu, ist dem Grunde nach unverfügbar … und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren …; sie kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind
….“ (Hervorherbung AH)

Es lassen sich nun drei typische Reaktionsweisen auf die „Totalverweigerer“-Sanktion unterscheiden:

  • Zustimmung, insbesondere aufgrund mangelnder Kenntnis des genauen Wortlauts des BVerfG-Urteils und unvollständiger Information durch die Medien
  • Skandalisierung,
    • ◦ zu wenig Sanktionen, so von den Oppositionsparteien im Bundestag; bis hin zur Forderung der CDU, den aus der Ukraine nach Deutschland geflohenen Kriegsdienstverweigerern das Bürgergeld zu kürzen, womit sich der Kreis zum früheren Begriff „Totalverweigerer“ wieder schließt.
    • ◦ zu viel Sanktionierung, vorgetragen von Wohlfahrtsverbänden u.a.
  • Relativierung und Verharmlosung, das Ganze sei eine „Luftbuchung“ des Arbeitsministers oder es werde schon nicht so schlimm kommen wie befürchtet.

Unabhängig von der vorherrschenden Meinung, der Mißachtung des BVerfG und den typischen Reaktionsweisen und ist problematischer, dass die Bundesregierung mit der Sanktionsverschärfung gegenüber sogenannten „Totalverweigerern“ populistisch auf die Sanktionsdebatte reagiert, ohne die Sanktionsverschärfung in dem der Öffentlichkeit suggerierten Umfang umsetzen zu können. Dies stärkt dann zum einen populistische Positionen und deren Parteien einschließlich der Unterstellung, die Verschärfung nicht richtig umgesetzt zu haben oder die Verschärfung sei zu gering ausgefallen, und schwächt zugleich das Vertrauen in PolitikerInnen und den Rechtsstaat und deren Glaubwürdigkeit.

Ergänzt am 5.2.2024

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Rechtsform der ESF-Fördermittelempfänger

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist ein wichtiges Förderinstrument in der Europäischen Union und in Deutschland. Der ESF erfordert in der Regel nationale oder andere Komplementärfinanzierungen. Für die Förderperiode 2014 bis 2021 liegen einige Daten vor. Damit lassen sich Strukturen erkennen, die vermutlich auch für die laufende Förderperiode ähnlich sein könnten.

Interessant, weil selten berichtet, ist die Rechtsform der ESF-Fördermittelempfänger. Sie ist im Transparenzregister kein eigenständiges Feld, das man auswerten kann (zumindest nicht veröffentlicht). Als grobe Orientierung dienen die Bezeichnungen der ESF-Fördermittelempfänger. Ist die Rechtsformen – z. B. eingetragener Verein (e. V.) oder GmbH – Namensbestandteil, so lässt sie sich sicher einer Rechtsform zuordnen. Noch schwieriger ist die Feststellung, ob die ESF-Fördermittelempfänger gemeinnützig sind. Bei eingetragenen Vereinen kann das typischerweise vermutet werden. Bei Rechtsformen, die ein „g“ für gemeinnützig im Namen führen, ist dieses Merkmal gleichfalls einfach festzustellen.

Im Transparenzregister sind für die den ESF auf Bundesebene 145.505 Datensätze enthalten. Davon sind auch Mehrfachnennungen von Fördermittelempfängern enthalten. Davon enthalten 73.184 Unternehmensbezeichnungen eine Angabe zur Rechtsform. Das entspricht einem Anteil von 50,3 %.

Die häufigste Rechtsform ist die GmbH mit 62,5 % – rund 2 von 3 Fördermittelempfängern haben diese Rechtsform. Die zweithäufigste Rechtsform íst der e. V. mit 16,2 %.

Gemeinnützig sind vermutlich rund 19 % der Fördermittelempfänger. Oder umgekehrt: gewinnorientierte Unternehmen erhalten deutlich häufiger Fördermittel aus dem ESF als gemeinnützige Organisationen. Diese Struktur gibt zum Nachdenken Anlass, vor allem hinsichtlich der Weiterentwicklung des ESF (Mitnahmeeffekte, europäischer Mehrwert und andere Stichworte).

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Chatbots – eine Hilfe bei der Fragebogenkonstruktion?

In Rahmen einer Studie sollten aufgrund einer Forschungslücke wichtige Werthaltungen in der Interaktion zwischen Leistungsberechtigten des SGB II und Fachkräften operationalisiert werden (s. hier). Dabei wurde geprüft, ob ein Chatbot eine Hilfe bei der Fragebogenkonstruktion sein kann. Das Ergebnis dieser Prüfung ist nun unter „Chatbots – eine Hilfe bei der Fragebogenkonstruktion?“veröffentlicht in: Dialog, Magazin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, Ausgabe 49, 2023.

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2024

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Ein neues Sozialgesetzbuch in 2024

Das Bundesversorgungsgesetz und das Opferentschädigungsgesetz wurden weiterentwickelt. Zum 1.1.2024 tritt eine Novellierung in Kraft, und zwar als neues Sozialgesetzbuch XIV – Soziales Entschädigungsrecht.

Das neue SGB XIV betrifft vor allem die Lebenssituation von

  • Gewaltopfern einschließlich Terroropfern und Opfer sexueller oder psychischer Gewalt (auch Stalking-Opfer),
  • Opfern von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege,
  • Opfern von vorsätzliche Vergiftungen,
  • erheblich vernachlässigten Kindern,
  • Geschädigten durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes und
  • durch Schutzimpfungen Geschädigten

sowie ihren Angehörigen und Hinterbliebenen.

Gegenüber der Rechtslage in den bisherigen Einzelgesetzen wird es Verbesserungen geben (https://www.bmas.de/DE/Soziales/Soziale-Entschaedigung/neues-entschaedigungsrecht-ab-2024.html). Die Leistungen der sozialen Entschädigung werden als Dienstleistungen, Sachleistungen und Geldleistungen erbracht.

Unklar ist die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe – z. B. Vernachlässigung – im SGB XIV. Auch der geforderte kausale Nachweis z. B. von psychischer Gewalt wird vermutlich nicht einfach zuführen sein, um als Opfer anerkannt zu werden. Weitere kritische Hinweise beziehen sich darauf, dass Gewalt gegen Frauen (s. Körperliche Gewalt gegen Frauen) innerhalb von Partnerschaften sowie im Internet und Versorgungsnotstände bei Frauenhäusern nicht hinreichend im Gesetz berücksichtigt seien.


Bundesweites Hilfetelefon Gewalt an Frauen:

Kostenlose Telefonhotline für Betroffene 08000 116 016

Die Nummer ist kostenlos und bundesweit rund um die Uhr erreichbar. Sie kann auch ohne Handyguthaben genutzt werden. Mehr Informationen unter: www.hilfetelefon.de

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Änderungen im Beihilferecht 2024

Die EU-Kommission hat die Verordnungen zu De-Minimis-Beihilfen (De-Minimis) und zu DAWI-De-Minimis-Beihilfen (Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse; DAWI-De-Minimis) überarbeitet. Diese treten am 1. Januar 2024 in Kraft und gelten bis 31. Dezember 2030.

Unter anderem werden bei beiden Verordnungen die Schwellwerte angepasst, ab der Beihilfen nicht mehr freigestellt werden. Ein Grund für die Anhebung ist die gestiegene Inflation. Der Umfang der Anhebung ist kontrovers beurteilt worden.

Der bisherige De-Minimis-Schwellenwert wird von 200.000 Euro auf 300.000 Euro jeweils innerhalb von drei Jahren angehoben (Art. 3 Abs. 2).

Der bisherige DAWI-De-Minimis-Schwellenwert wird von 500.000 Euro auf 750.000 Euro jeweils innerhalb von drei Jahren angehoben (Art. 3 Abs. 2).

Außerdem wird es ab 1.1.2026 ein zentrales Transparenz-Register geben, in dem Beihilfen nach beiden Verordnungen innerhalb einer Frist von 20 Arbeitstagen nach Gewährung von den Beihilfegebern erfasst werden (Art. 6 Abs. 1 & 2). Bis dahin werden wie bisher Eigenerklärungen der Unternehmen eingefordert werden (Art. 7 Abs. 4).

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Vorläufige Haushaltsführung des Bundes im Jahr 2024

Nachdem im Jahr 2023 der Bundeshaushalt 2024 nicht beschlossen wurde, gilt für das Jahr 2024 die sogenannte „vorläufige Haushaltsführung„. Diese gilt bis zur Verabschiedung des Haushalts 2024.

Während der vorläufigen Haushaltsführung sind nur Ausgaben zulässig, die nach Art. 111 Abs. 1 GG notwendig sind,

  • um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,
  • um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,
  • um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.

Unterschiede zur Haushaltssperre

Im Unterschied zur Haushaltssperre (siehe https://kurzelinks.de/Hammer-Haushaltssperre2023), die im November 2023 verhängt wurde – und die zumindest für die Eingliederungsmittel der Jobcenter nach kurzer Zeit wieder aufgehoben wurde – gilt die vorläufige Haushaltsführung für alle Ausgaben. Bei den Jobcentern sind also auch die Verwaltungsausgaben (Personal- und Sachausgaben) betroffen.

So dürfen beispielsweise keine Gutscheine ausgegeben oder Ausschreibungen beaufschlagt werden (Ausnahmen sind hier ebenfalls Pflichtleistungen wie z. B. Reha-Maßnahmen). Die Behörden dürfen keine Verpflichtungen für das Jahr 2025 eingehen. Die Gewährung von gesetzlichen Pflichtleistungen nach dem SGB II (Bürgergeld, Kosten der Unterkunft und Heizung) ist nicht eingeschränkt. Insofern sind die Wirkungen ähnlich wie bei einer Haushaltssperre.

Es gibt noch einen weiteren Unterschied. In der Regel wird eine Obergrenze für die Ausgaben festgelegt. In der Vergangenheit lag diese Obergrenze bei ca. 50 % des Budgets. Es ist also wahrscheinlich, dass die Jobcenter – oder auch andere Behörden, die Mittel aus dem Bundeshaushalt ausgeben – 50 % (es könnte auch eine andere Zahl sein) des Budgets bezogen auf den letzten Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2024 ausgeben dürfen.

Dies ermöglicht unter Umständen auch das Eingehen neuer Ausgabenverpflichtungen. Dies ist möglich, wenn die oben genannten notwendigen Ausgaben die Obergrenze noch nicht erreicht haben. Denn die bestehenden und neuen Verpflichtungen betragen zusammen bis zu 50 % des vorgesehenen Budgets. Schöpft eine Behörde die 50 % bereits mit notwendigen Ausgaben aus bestehenden Verpflichtungen aus, sind keine neuen Ausgaben möglich. Überschreitungen der zulässigen Ausgabeermächtigung sind nur unter den Voraussetzungen des Art. 112 GG zulässig und bedürfen regelmäßig der Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen.

Zeitplan

Es ist davon auszugehen, dass die Behörden im Dezember 2023 über die Obergrenzen und Ermächtigungen vom Bund informiert werden.

Wann der Bundeshaushalt 2024 verabschiedet wird und damit die vorläufige Haushaltsführung endet, ist offen. Denn Auslöser ist nicht wie üblich eine Bundestagswahl, sondern die Verfassungswidrigkeit des Nachtragshaushalts 2021 des Bundes und die bislang nicht berücksichtigten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023. Auch bei einem verabschiedeten Bundeshaushalt 2024 besteht das Risiko einer Klage.

Bei einer zügigen Beschlussfassung kann die vorläufige Haushaltsführung bereits im Januar 2024 enden.

Kürzungen

Ungeachtet dessen sind bereits Kürzungen bei den geplanten Ausgaben beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angekündigt, die unter anderem die Mittel der Jobcenter (und vermutlich auch die der Bundesagentur für Arbeit) betreffen.

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Hausbesuche bei Arbeitslosen

Die seit 1.7.2023 geschaffene „ganzheitliche Betreuung“ (§ 16k SGB II) zum Beschäftigungsaufbau sieht ausdrücklich eine aufsuchende Arbeit zur Eingliederung in Arbeit von Arbeitslosen vor. In der Regel wird eine „aufsuchende“ Arbeit als Hausbesuch umgesetzt. In einem Artikel im Forum Arbeit (Nr. 3/2023) gehe ich auf einige Besonderheiten von Hausbesuchen im Kontext der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein.

In 2024 wird es zum Thema „Hausbesuche bei Arbeitslosen“ auch eine Fortbildung geben.

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Haushaltssperre bremst Integration von Arbeitslosen

Bundesfinanzminister Lindner hat am 21.11.2023 eine Haushaltssperre bis zum 31.12.2023 verhängt. Betroffen sind die Einzelpläne 04 bis 17 und 23 bis 60. Im Einzelplan 60 sind die Sondervermögen (Klima- und Transformationsfonds, Wirtschaftsstabilitätsfonds) sowie die Mittel für die Ukraine-Flüchtlinge. Im Einzelplan 11 enthält auch die Mittel für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; sog. „Hartz IV“). Die Haushaltssperre bezieht sich auf Verpflichtungsermächtigungen. Das bedeutet, dass die Jobcenter keine neuen Verpflichtungen für Zahlungen eingehen dürfen, die in späteren Haushaltsjahren fällig werden.

Was bedeutet die Haushaltssperre konkret für die Jobcenter?

Die Jobcenter werden

  • alle geplanten Ausschreibungen stoppen müssen bzw. dürfen keinen Zuschlag erteilen,
  • keine Aktivierung- und Vermittlungsgutscheine oder Bildungsgutscheine ausgeben,
  • keine Lohnkostenzuschüsse bewilligen (Eingliederungszuschüsse, Teilhabe am Arbeitsmarkt usw.,
  • damit viele Arbeitslose nicht wie geplant fördern können.
  • In der Folge drohen bei Maßnahmeträgern möglicherweise Liquiditätsengpässe, wenn eingeplante Maßnahmen nicht starten, Personal und Räume aber dennoch finanziert werden müssen.

Nicht betroffen von den Instrumenten zur Eingliederung in Arbeit und Ausbildung sind

  • laufende Maßnahmen
  • Maßnahmen, auf die Leistungsberechtigte einen Rechtsanspruch haben, z. B. bestimmte Reha-Maßnahmen (Teilhabe am Arbeitsleben).

Personal- und Sachkosten sind ebenfalls nicht betroffen, da es hier keine Verpflichtungsermächtigungen gibt. Das SGB III ist nicht tangiert, weil es sich hier um Mittel der Arbeitslosenversicherung handelt.

Der Nutzen einer Haushaltssperre besteht vor allem darin,

  • eine zu hohe Belastung im Folgejahr, also hier 2024 und 2025, zu vermeiden,
  • sich einen Überblick zu verschaffen, wie umfangreich Verpflichtungsermächtigungen bereits genutzt wurden („Kassensturz“).

Eine weitere Konsequenz kann sein, dass die auf diese Weise erzielten Einsparungen und auch in den Folgejahren nicht mehr als Ausgabeermächtigungen zur Verfügung stehen.

2024: vorläufige Haushaltsführung

Für 2024 gibt es eine sogenannte „vorläufige Haushaltsführung“ bis zur Beschlussfassung des Haushalts 2024. Dann sind nur solche Ausgaben erlaubt, die nötig sind,

  • um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,
  • um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,
  • um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.

Wie könnten die negativen Folgen für Arbeitslose und Maßnahmeträger abgemildert werden?

Die erlassene aktuelle Haushaltssperre hat noch relativ „milden“ Charakter, da sie auch Ausgaben und nicht nur die Verpflichtungsermächtigungen hätte betreffen können, was dann einen Zahlungsstopp bedeutet hätte.

Es scheint sich bei der Haushaltssperre um eine „einfache“ Sperre zu handeln, da der Staatssekretär des Bundesfinanzministetriums erklärt hat, dass er in besonderen Ausnahmefällen Verpflichtungsermächtigungen entsperren kann, wenn ein sachlich und zeitlich unabweisbarer Bedarf schriftlich dargelegt wird. Ausnahmen bei einer „qualifizierte“ Sperre kann nur der Haushaltsausschuss des Bundestages aufheben. Der Bundesarbeitsminister könnte also einen solchen Bedarf für die Grundsicherung für Arbeitslose darstellen, insbesondere nachdem der „Turbo“ für Flüchtlinge aus der Ukraine von vielen Akteuren als nötig bewertet wurde.

Die Bundesregierung beabsichtigt im Jahr 2023 die Schuldenbremse auszusetzen und für 2023 einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Ausgang offen.

Aktualisierung 24.11.2023: Das Bundesfinanzministerium sieht vor, die Haushaltssperre für die Eingliederungsleistungen des SGB II aufzuheben.

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