Die Armut ist in Deutschland dauerhaft hoch (siehe hier): Im Jahr 2022 waren 16,7 Prozent der Bevölkerung arm bzw. gelten als armutsgefährdet (zur Definition siehe methodische Hinweise unten). Besonders betroffen sind darunter die Alleinerziehenden. Für sie beträgt die Quote 42,9 Prozent, das entspricht dem 2,6fachen des deutschlandweiten Anteils.
Wie stellt sich die Armut in den Bundesländern dar?
Arbeitsgelegenheiten gem. § 16d SGB II existieren seit 2005. Sie gehen auf die Hilfen zur Arbeit gemäß dem Bundessozialhilfegesetz zurück und davor bis hin zum Reichsarbeitsdienst. Sie wurden stark kritisiert, weil sie mit lock-in Effekten verbunden seien und somit kontraproduktiv zur Eingliederung in Arbeit stünden. Auch wurde angenommen, dass sie ungeförderte Arbeitsplätze gefährden (Hammer 2008, siehe auch hier). Deshalb wurde der Paragraf verschiedentlich verändert, was vor allem 2012 einen Einbruch der Bestandszahlen bewirkte. Arbeitsgelegenheiten (AGH) sind zusätzliche Arbeiten im öffentlichen Interesse, die wettbewerbsneutral sind.
Bestand 2006 bis 2022
Die Zahl der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II wird seit Jahren kontinuierlich zurückgefahren (s. Hier und hier). Bis 2010 lagen die Bestandszahlen bei über 300.000 Teilnehmenden (bis 2012 einschließlich der Entgeltvariante), bis 2013 noch bei über 100.000. Seither nähert sie sich der 50.000-Grenze. Der Bestand lag 2022 bei 51.023 (2021: 54.265).
Teil-Aktivierungsquoten
Die Intensität der Nutzung durch die Jobcenter streut regional sehr stark. Erkennbar wird dies durch die sog. Teil-Aktivierungsquote (Anteil der Teilnehmenden in Arbeitsgelegenheiten an den Arbeitslosen und den Teilnehmenden an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Rechtskreis SGB II).
Die AGH-Teil-Aktivierungsquote betrug 2022 2,6 % in Deutschland (2021: 2,7 %, 2020: 3,1 %). Das ist ein deutlicher Rückgang, was den Trend eines sinkenden AGH-Einsatzes widerspiegelt. Die niedrigsten Quoten wiesen Hessen mit 1,4 % und Niedersachsen mit 1,5 % auf. An der Spitze lag Sachsen-Anhalt mit 7,0 (2021: 8,2 %, 2020: 9,3 %), dem sechsfachen Wert des Bundeslandes mit der niedrigsten Quote. Dieser hohe Wert ist wie in den Vorjahren auffällig.
Die ostdeutschen Bundesländer weisen durchweg hohe Quoten auf – sowohl 2022 als auch 2021 und 2020. Für Ostdeutschland, insbesondere für Brandenburg, sowie Rheinland-Pfalz lässt sich darüber hinaus sagen, dass in 2022 die zugelassenen kommunalen Jobcenter daran einen relevanten Anteil ausmachen. Ohne die zugelassenen kommunalen Jobcenter beträgt beispielsweise in Brandenburg die Teil-Aktivierungsquote 2,9 % (mit: 4,6 %). In Westdeutschland hat das Saarland gleichfalls eine hohe Aktivierungsquote. Die regionalen Unterschiede lassen sich vermutlich mit einer entsprechend unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit des jeweiligen Arbeitsmarktes erklären.
AGH-Maßnahmekosten
Die durchschnittlichen Kosten für eine Arbeitsgelegenheit pro Teilnahme und Monat ohne Mehraufwandsentschädigung für Teilnehmende lag im bundesweiten Durchschnitt bei 527 Euro (2021: 477 Euro,2020: 406 Euro; Zahlen nur für Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen).
Auch bei den Maßnahmekosten gibt es regionale Unterschiede. Der Kostensatz lag am niedrigsten in Baden-Württemberg mit 301 Euro (2021: 285 Euro, 2020: 260 Euro), gefolgt vom Saarland (319 Euro). In 2021 war Mecklenburg-Vorpommern mit 264 Euro am niedrigsten, 2020 Sachsen-Anhalt mit 254 Euro. Am meisten wurden in 2022 wie 2021 und 2020 in Hamburg und Bremen pro Teilnahme im Monat gezahlt. Im Hamburg lag der Kostensatz bei 1.319 Euro (2021: 986 Euro, 2020: 957 Euro) und in Bremen bei 897 Euro (2021: 847 Euro, 2020: 823 Euro). Die Maßnahmevergütung war in Hamburg 4,3-fach so hoch wie in Baden-Württemberg. Der große Abstand der Stadtstaaten Hamburg und Bremen von den anderen Bundesländern sticht heraus. Es kann vermutet werden, dass die Maßnahmeträger vermutlich für eine vergleichbare Leistung unterschiedlich vergütet werden.
Dabei hat sich in Hamburg der Kostensatz 2022 um 33,7 % gegenüber 2021 (2021 rund 33 % gegenüber 2020) erhöht. Die größte Steigerung in 2022 gegenüber dem Vorjahr ist in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen mit einem Plus von 35 %. In Deutschland gesamt betrug die Steigerung 2022 gegenüber 2021 10,5 %. In allen Bundesländern wurde der Kostensatz gesteigert, wenn auch im Saarland nur in sehr geringem Umfang mit 0,2 % und Nordrhien-Westfalen mit 1,0 %.
Statistisch gesehen besteht kein aussagekräftiger Zusammenhang zwischen Maßnahmekosten pro Teilnahme und Monat und der Teilaktivierungsquote. Es ist also nicht so, dass eine hohe Aktivierung mit AGH nur mit geringen Maßnahmekosten möglich wäre.
Welchen Einfluss die politisch angeordneten pandemiebedingten Einschränkungen auf die Veränderungen 2021 gegenüber 2020 hatten, lässt sich aus den Daten nicht erschließen. Es ist bei den Teilnahmezahlen eher von regionalen Besonderheiten auszugehen. Die deutliche Steigerung der Maßnahmekosten in 2021 ggü. dem Vorjahr könnte aber auch damit erklärt werden, dass die Jobcenter den AGH-Trägern bei geringeren Teilnehmerzahlen (wegen der Pandemie) eine vergleichbare Summe wie bisher gezahlt haben, und so die Kosten pro Teilnahme gestiegen sind. Ergänzend oder alternativ könnten Jobcenter auch die Maßnahmekosten erhöht haben und dadurch eine SodEG-Beantragung durch die Träger überflüssig machten (s. hier).
Nach dem Ende der Pandemie sind die AGH-Kosten pro Monat und Teilnahme 2022 im Vergleich zu 2021 erneut gestiegen. Die vorgenannten Gründe sind hierfür kaum zur Erklärung geeignet. Die gestiegenen Energiekosten werden vermutlich nur einen Teil ausmachen. Möglicherweise erhöhen die Jobcenter mit einem AGH-Bedarf die Vergütungen bei den Trägern, um ein Minimum an AGH-Angeboten aufrechtzuerhalten. Bei geringeren Teilnahmezahlen steigen die Kosten pro Teilnahme. So muss ein Träger eine Grundausstattung mit Räumlichkeiten, Anleitung und Sozialpädagogik bereithalten, ob nun 5, 10 oder 15 AGH-TeilnehmerInnen laufend gefördert werden. Würde diese Vermutung zutreffen, wäre bei gleichem Eingliederungsbudget eine Stabilisierung der Teilnahmezahlen auf dem Niveau von 50.000 für 2023 anzunehmen.
Literatur
Hammer 1999: Die Implementation von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz durch die Träger aus Sicht der Maßnahmeträger. Östringen, 1999
Hammer 2008: Erfahrungsaustausch zu Arbeitsgelegenheiten, Jobperspektive und SWL – aktuelle Hammer 2011: Rahmenbedingungen für Beschäftigungsgesellschaften. In: Forum Arbeit 2/2008, S. 27ff
Ein Jahr Bürgerarbeit – Überblick über den aktuellen Stand. In: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit., Nr. 6/2011, S. 415-425
Hammer 2016: Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität und öffentliches Interesse. In: Forum Arbeit, Nr. 4/2016, S. 16-19
Der CDU-Vizevorsitzende Carsten Linnemann plädiert dafür, Arbeitslose zur Annahme von Jobangeboten zu verpflichten, wenn sie gesundheitlich arbeitsfähig sind und Bürgergeld beziehen. Linnemann befürwortet ein Modell, bei dem Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten erneut eine Anstellung finden müssen oder Jobs durch Kommunen zugeteilt bekommen. „Zur Konsequenz einer Nichtannahme befragt, wies Linnemann auf das Bundesverfassungsgericht hin, das entschieden habe, dass Bürgergeldempfängern die Mittel bis zu 30 Prozent gekürzt werden dürften. „Dieser Spielraum muss genutzt werden, ebenso die Möglichkeit, Sach- statt Geldleistungen zu vergeben.“ Linnemann erläuterte: „Jeder, der Sozialleistungen in Deutschland erhält und arbeiten kann, hat auch eine Bringschuld. Ansonsten werden wir die Akzeptanz unseres Sozialsystemsverlieren.““ (https://www.fr.de/politik/empfaenger-cdu-arbeitspflicht-linnemann-union-buergergeld-zr-92345965.html) (Hervorhebungen: AH)
Diese Vorschläge könnten sowohl dem Grundgesetz wie dem Völkerrecht widersprechen.
So bestimmt das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957, der Internationalen Arbeitsorganisation in Artikel 1:
„Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und in keiner Form zu verwenden
a) als Mittel politischen Zwanges oder politischer Erziehung oder als Strafe gegenüber Personen, die gewisse politische Ansichten haben oder äußern oder die ihre ideologische Gegnerschaft gegen die bestehende politische, soziale oder wirtschaftliche Ordnung bekunden;
b) als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung;
c) als Maßnahme der Arbeitsdisziplin;
d) als Strafe für die Teilnahme an Streiks;
e) als Maßnahme rassischer, sozialer, nationaler oder religiöser Diskriminierung.“
Demnach ist eine von der CDU gewünschte Pflichtarbeit völkerrechtlich ausgeschlossen.
Auch nach dem Grundgesetz. In Art. 12 steht:
„(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“
Mit dem Grundgesetz (Art 12.) ist auch eine Arbeit, die durch Kommunen zugeteilt werden soll, möglicherweise grundgesetzwidrig (Grundrecht, Arbeitsplatz frei zu wählen:
„(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“
Schließlich ist eine in diesem Zusammenhang genannten Durchsetzung einer Pflicht zur kommunalen oder gemeinnützigen Arbeit ordnungspolitisch fragwürdig, wenn auch rechtlich machbar. So könnten beispielsweise Heime oder Klinken in kommunaler Trägerschaft wirtschaftliche Vorteile durch Arbeitsverpflichtete im Vergleich zu Heimen oder Kliniken in privater Trägerschaft bekommen.
Obgleich die Rechtslage eine Arbeitspflicht eher ausschließt, gibt es in Deutschland schon lange eine Pflicht, zumutbare Arbeit aufzunehmen. Das obige Zitat von Linnemann stellt die gegenwärtige Rechtslage entgegen den Fakten so dar, als dass es keine Pflichtarbeit gebe. Sie besteht beispielsweise im SGB II (Bürgergeld) und im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 Arbeitsgelegenheiten).
Wer eine zumutbare Arbeit nicht aufnimmt, dem kann im SGB II das Bürgergeld gemindert werden (Sanktion). Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 waren die bis dahin geltende Rechtslage verfassungswidrig. Eine Sanktion ist nur unter engen Bedingungen möglich. Nun suggeriert die CDU, dass die vom Bundesverfassungsgericht genannte Möglichkeiten von den Jobcentern nicht genutzt werden. Der von Linnemann erwähnte „Spielraum“ besteht aber nicht, wenn die Jobcenter rechtskonform arbeiten. Eine Leistungsminderung ist beispielsweise bei Härtefällen ausgeschlossen. Ob ein Härtefall vorliegt oder nicht, ist kein „Spielraum“, sondern eine Frage des Ermessens, also einer Entscheidung des Jobcenters, die gerichtsfest nachprüfbar sein muss.
Vielleicht sollten die Jobcenter dazu übergehen, Arbeitsgelegenheiten für Bürgergeld-BezieherInnen bei den Bundestagsabgeordneten einzurichten.
Und die Medien sollten nicht nur die Arbeitspflicht-Forderung der CDU unter die Leute bringen, sondern Hinweise auf deren rechtliche Fragwürdigkeit.
Selbstverständlich ist die Rechtslage auch der CDU bekannt. Es handelt sich hier vermutlich um Populismus auf Kosten von Arbeitslosen. Solche Forderungen tragen dazu bei, dass das Sozialleistungssystem an Akzeptanz verliert.
Seit Jahren wird eine stärkere Zuwanderung zur Stabilisierung der Unternehmen in Deutschland als erforderlich erachtet. In den Jahren 2015 und folgende wanderten insbesondere Flüchtlinge zu. Anfangs wurden hier Beschäftigungspotenziale zur Minderung von Fachkräfteengpässen angenommen. Dies wurde von allem von Zugewanderten aus der Arabischen Republik Syrien angenommen.
Die öffentliche Arbeitsverwaltung (Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter) hat zahlreiche Programme und Projekte zur Erleichterung ihrer Arbeitsmarktintegration gefördert. Dazu gehören auch Sprach- und Integrationskurse. Diese Maßnahmen sind vor allem für jene gedacht, die als Asylsuchende anerkannt wurden. Die Anerkennung verlief bei den SyrerInnen schneller als bei anderen Herkunftsländern. Zugewanderte aus Syrien hatten es somit leichter Zugang auf den Arbeitsmarkt zu bekommen. Und dennoch ist selbst bei dieser Gruppe die Arbeitsmarktintegration bislang nur langsam vorangekommen.
Der Jahresdurchschnittswert der Beschäftigungsquote bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung für SyrerInnen lag 2021 bei 29,1 %.
Die Beschäftigungsquote ist im Vergleich zu allen AusländerInnen und Deutsch niedrig. Für Ausländerinnen lag sie bei rund 48 % (2021) und für Deutsche bei ca. 64 % (2021).
Die Daten zeigen, dass selbst bei einer Gruppe mit schneller Anerkennung als Asylsuchende die Geschwindigkeit der Arbeitsmarktintegration nur langsam vorankommt. Das ist desillusionierend für die Zugewanderten und stellt die Annahme infrage, dass die Anerkennung von Flüchtlingen demografische Probleme oder Engpässe auf dem Arbeitsmarkt lösen könnte. Und für die bereits Zugewanderten bedarf es weiterer Integrationsansätze.
Die Einigung Ende Mai 2023 über die Schuldenobergrenze in den USA (Fiscal Responsibility Act) beinhaltet als besonders umstrittenes Element neue Arbeitsanforderungen. Damit sollen Haushaltsmittel eingespart werden. Die Arbeitsanforderungen werden in zwei Programmen geändert:
Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP; früher als Lebensmittelmarken bezeichnet)
Temporary Assistance for Needy Families (TANF) Programm
Arbeitsanforderungen im SNAP
Für ältere AmerikanerInnen, die SNAP (also eine Ernährungshilfe, die deshalb wichtig ist, da in den meisten Bundesstaaten nach 26 Wochen kein Arbeitslosengeld mehr gezahlt wird; sie ist für einige Berechtigte befristet; rund 12 % der Bevölkerung sind im SNAP, s auch) beziehen, würden neue Arbeitsanforderungen gelten. Nach den derzeitig gültigen Regeln (die bereits in früheren Jahren verschärft wurden) müssen Erwachsene bis 49 Jahre mindestens 80 Stunden pro Monat arbeiten oder an einem Schulungsprogramm teilnehmen. Es gibt jedoch bestimmte Ausnahmen, z. B. für schwangere Personen, Personen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen oder Personen, die mit Kindern zusammenleben. Mit dem Fiscal Responsibility Act gelten nun höhere Altersgrenze: Erwachsene ohne Angehörige zwischen 50 und 52 Jahren ab Oktober und Erwachsene ab 54 Jahren ab dem nächsten Herbst.
Weil viele ältere Erwachsene in Teilzeitjobs (z. B. zum Beispiel als Schülerlotsen, VerkäuferInnen oder SaisonarbeiterInnen) arbeiten, mit denen sie nicht auf 80 Stunden kommen, droht ihnen der Verlust der Nahrungsmittelhilfe. Wieder andere können eine höhere Stundenzahl aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht leisten und waren bisher auch nicht in anderen Programmen förderbar oder in Arbeit vermittelbar.
Veteranen, Obdachlose und junge Erwachsene, die kürzlich aus einer Pflegefamilie entlassen wurden, sollen von der SNAP-Arbeitsverpflichtung ausgenommen werden.
Die neuen Ausnahmen für die Arbeitspflicht wäre eine Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Stand und vor allem für Obdachlose (einschließlich jenen, die in Notunterkünften leben oder vorübergehend in der Wohnung einer anderen Person wohnen) erstmalig eine SNAP-Leistung ohne Arbeitsanforderungen möglich. Die Ausnahmen können auch Familien helfen, die Versorgungsschwierigkeiten nach Auslaufen der Pandemie im März 2023 hatten (32 Bundesstaaten kürzten SNAP, was ungefähr 30 Mio. Personen betrifft).
Diese Regeln würden wohl zu einer Ausweitung des Empfängerkreises führen, vor allem bedingt durch die geänderten Ausnahmen.
Bundesstaaten können wie bisher in Gebieten mit unzureichenden Arbeitsplätzen auf Arbeitsanforderungen verzichten, allerdings gibt es hier neue Regeln. Bislang konnten sie eine begrenzte Anzahl von Personen von der Arbeitsanforderung befreien. Nicht in Anspruch genommene Ausnahmeregelungen konnten von den Staaten auf unbestimmte Zeit übertragen werden, sodass sie sie für künftige Jahre sammeln können. Nach dem nun verabschiedeten Fiscal Responsibility Act erhalten die Bundesstaaten jedoch weniger Geld und weniger monatliche Freistellungen und können ungenutzte Freistellungen nur noch ein Jahr lang übertragen.
Dies führt zu einer Ausweitung der Personen, die die Arbeitsanforderungen erfüllen müssen.
Arbeitsanforderungen im TANF-Programm
Im TANF-Programm (seit 1997) wird bedürftigen Familien vorübergehend Bargeld bereitgestellt. Die vorgesehenen Änderungen können sich in den Bundesstaaten unterschiedlich auswirken. Sie legen ihre eigenen Programme für die Leistungen fest, wobei die Bundesstaaten aber sicherstellen müssen, dass mindestens 50 Prozent der TANF-EmpfängerInnen arbeiten. Die Staaten können diese 50-Prozent-Grenze effektiv senken, je nachdem, wie stark ihre Fallzahlen seit 2005 zurückgegangen sind. Nach dem Fiscal Responsibility Act wird das Vergleichsjahr auf 2015 festgelegt. Das zwingt mehr Bundesstaaten, ihre Arbeitsanforderungen entsprechend zu erhöhen.
Durch die neue Regelung würde die Bundesregierung weniger Mittel an die Bundesstaaten zahlen, weil einige die Arbeitsanforderungen (50 %-Grenze) nicht erfüllen können. Denn wenn jemand von der Arbeitspflicht befreit wird (z. B. Wegen psychischen Problemen), muss eine weitere Person, die die Arbeitsanforderungen erfüllt, nachgewiesen werden, um die 50 %-Grenze zu erreichen. So erhalten bisher schon nur wenige arbeitende Familien TANF-Leistungen.
Vorläufiges Fazit
Durch die Ausnahmeregelungen wird der Genehmigungsprozess von SNAP und TANF noch bürokratischer, um festzustellen, ob jemand leistungsberechtigt ist und ob die Ausnahmen greifen.
In diesem Kontext sind in früheren Jahren in den USA workfare-Strategien (z. B. Wisconsinworks) eingesetzt worden (einschließlich „Wer nicht arbeitet, soll nicht essen bzw. bekommt keine Lebensmittelmarke“), die als Vorbild für das Fördern und Fordern in Deutschland herangezogen worden sind.
Der Sprecher des Repräsentantenhauses McCarthy (GOP) und weitere Republikaner sind überzeugt, dass die Änderungen bei SNAP und TANF dazu führen, dass mehr Menschen nun Arbeit aufnehmen. Die Demokratische Partei trägt zumindest die vorgeschlagenen Änderungen mit.
Der Text wurde am 3.6.2023 aktualisiert, nachdem der Fiscal Responsibility Act nun auch vom US-Senat beschlossen wurde.
Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit ist ein Dauerthema. Wie wichtig ist das Thema der Bevölkerung und wie wird diesbezüglich die Arbeit der Bundesregierung beurteilt?
Daten
Um diese Frage zu beantworten, wurden Daten heranzogen, die das Meinungsforschungsinstitut Kantar im Auftrag des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung als repräsentative Bevölkerungsbefragungen durchgeführt hat*. Im Erhebungszeitraum 12.01.2022 bis 13.09.2022 wurden 4.527 Personen ab 14 Jahren in telefonischen Interviews (CATI) in mehren Wellen befragt. Die Auswahl der Befragten erfolgte durch eine mehrstufige Zufallsstichprobe unter Einschluss von Festnetz- und Mobilfunknummern (Dual-Frame-Stichprobe).
Bei der Erhebung wurde unter anderem gefragt, wie wichtig die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit ist (Skala sehr wichtig [1] – wichtig – weniger wichtig – oder für unwichtig [4]) und wie die Arbeit der Bundesregierung bei dieser Aufgabe beurteilt wird (Skala sehr gut [1] – eher gut – eher schlecht oder sehr schlecht [4]).
Analyse und Ergebnisse
Für die folgende Auswertung wurden die Daten entsprechend der Bevölkerungsstruktur gewichtet. Außerdem wurden die Antworten der Nichtwahlberechtigten ausgeschlossen (somit n= 11.069).
Die Bekämpfung ist für die Wahlberechtigten in Deutschland wichtig (Mittelwert 1,71). Die Bearbeitung der damit verbundenen Aufgabe wird eher schlecht beurteilt (Mittelwert 2,69).
Analog zum Erwartung-mal-Wert-Modell wurde für eine weitere Auswertung der Skalenwert für die Wichtigkeit mit dem der Beurteilung multipliziert. Ist jemand beispielsweise die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sehr wichtig und findet die Umsetzung der Aufgabe durch die Bundesregierung sehr gut, ergibt sich ein Wert von 1 (1 x 1); findet eine Person die Aufgabe unwichtig und findet die Umsetzung der Aufgabe durch die Bundesregierung sehr schlecht, ergibt sich ein Wert von 16 (4 x 4).
Der Gesamt-Mittelwert beträgt 4,42. Dabei gibt es Unterschiede bei den Parteipräferenzen der Befragten, deren Mittelwerte im Folgenden dargestellt werden. Unter dem Mittelwert liegen die SPD-WählerInnen und die CDU/CSU-WählerInnen, wobei nur die SPD einen Wert unter 4 (2 x 2, d. h. wichtige Aufgabe, die gut umgesetzt wird) erreicht. Für die übrigen Parteien ergeben sich mit Ausnahme der Linken-WählerInnen Werte über dem Durchschnitt, weil die Aufgabe als weniger wichtig beurteilt wird. Bei den Linken ergibt sich der Wert vor allem daraus, weil die Umsetzung schlechter bewertet wird. Von den Parteien der Bundesregierung ist lediglich den SPD-WählerInnen die Aufgabe im Mittel wichtig.
Im Oktober 2023 stehen Landtagswahlen in Hessen und Bayern an. Für diese beiden Bundesländer weichen die Daten teilweise ab. In Hessen sind die Mittelwerte sowohl bei den SPD- als auch bei der CDU/CSU-WählerInnen, obgleich die CDU/CSU in der Opposition ist, unter 4. Die Werte der Linken-WählerInnen sind in Bayern auffällig schlechter als in Hessen, und bei den FDP-WählerInnen schlechter in Hessen als in Bayern.
Schlussfolgerung
Möchte man die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet stärken, müsste man vor allem die WählerInnen von Bündnis ‘90/Die Grünen sowie der FDP bzw. deren Parteien adressieren. Die WählerInnen der SPD sind mit der Umsetzung zufrieden, sodass hier kein stärkeres Engagement erwartbar ist.
*Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin (2023). Einstellungen zu politischen Aufgabenbereichen 2022 (Kumulierter Datensatz, 1. bis 3. Quartal). GESIS, Köln. ZA7839 Datenfile Version 3.0.0, https://doi.org/10.4232/1.14061
Die Krise der Lebenshaltungskosten (insbesondere Energie und Lebensmittel) ist ein wichtiger Aspekt, mit der sich ein wachsender Teil von Haushalten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen (vor allem Erwerbsaufstockende im SGB II) auseinandersetzen muss. Die Inflation ist gestiegen, die Reallöhne sinken und die Sozialleistungen (einschließlich des Zugangs wie z. B. zu Kinderbetreuung) werden nicht entsprechend angepasst. Positiv ist in diesem Zusammenhang die Richtlinie der EU über angemessene Mindestlöhne. Sie könnte den Lebensstandard von Niedriglohnbeschäftigten erhöhen (s. hier).
Die Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über angemessene Mindestlöhne (Amtsblatt L 275) legt fest, dass die Mindestlöhne einen angemessenen Lebensstandard für Vollzeitbeschäftigte gewährleisten müssen. Das soll transparent werden.
„Die Mitgliedstaaten legen bei ihrer Bewertung der Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne Referenzwerte zugrunde. Zu diesem Zweck können sie auf internationaler Ebene übliche Referenzwerte wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns und/oder Referenzwerte, die auf nationaler Ebene verwendet werden, verwenden.“
(Art. 5)
Der deutsche Bruttodurchschnittslohn lag 2022 bei 3.319 Euro monatlich und bei 30,68 Euro je Arbeitnehmerstunde (Destatis, Fachserie 18). Würde man die in der Richtlinie genannte Referenzschwelle ansetzen, dann würde der Mindestlohn im Monat 1.659,50 Euro betragen und die Stunde 15,34 Euro. Der Betrag von 15,34 Euro liegt deutlich höher als der zurzeit gültige gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde und wäre eine Verbesserung des Lebensstandards der Beschäftigten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.
Die Mindestlohnkommission hat über eine Anpassung der Höhe des Mindestlohns bis zum 30. Juni 2023 mit Wirkung zum 1. Januar 2024 zu beschließen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Mindestlohnkommission sich auf einen Betrag von 15,34 Euro oder mehr einigt.
Bei dieser Festlegung und Aktualisierung sind nach Art. 5 der Richtlinie Kriterien zugrundezulegen, „die zu ihrer Angemessenheit beitragen, mit dem Ziel, einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu verringern, den sozialen Zusammenhalt und die soziale Aufwärtskonvergenz zu fördern und das geschlechterspezifische Lohngefälle zu verringern. … Die Mitgliedstaaten können unter Berücksichtigung ihrer nationalen sozioökonomischen Bedingungen über das relative Gewicht dieser Kriterien, einschließlich der in Absatz 2 genannten Aspekte, entscheiden.“ Zu diesen Aspekten gehören (nicht abschließend):
die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten;
das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung;
die Wachstumsrate der Löhne;
langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen.
Es ist aufgrund der bisherigen Mindestlohnentwicklung (s. hier) und der damit verbundenen medialen und politischen Debatte anzunehmen, dass solche Spielräume (zumal die Referenzwerte eine Kann-Bestimmung darstellen) genutzt werden, um den Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns zu begrenzen oder die eingeräumte Ratifizierungsfrist bis zum 15. November 2024 auszunutzen.
Unabhängig davon, nützt der höchste Mindestlohn nichts, wenn er von der Bundesregierung nicht durchgesetzt wird (s. auch).
Deshalb ist es wichtig, auf eine korrekte Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht zu beharren und ein „Schleifen“ der Richtlinie – wie z. B. bei der EU-Entsenderichtlinie geschehen (s. zum Beispiel) – zu verhindern.
„In Deutschland wird es für viele, viele Jahre, vielleicht für mehr als ein Jahrzehnt nicht das Problem geben, dass wir gegen Arbeitslosigkeit kämpfen müssen. Was vor uns liegt, ist, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass die Betriebe genügend Arbeitskräfte finden, …“
Von registrierter Arbeitslosigkeit sind nicht allein 2,62 Mio. Personen betroffen, sondern 3,49 Mio. Menschen (s. hier).
Offensichtlich sind rund 3,5 Mio. Menschen ohne Arbeit nicht genug, als dass sich die Bundesregierung weiterhin den Kampf gegen Arbeitslosigkeit zur Aufgabe macht. Möglicherweise deutet sich mit der Aussage des Bundeskanzlers eine Weichenstellung an, Betriebe mehr zu unterstützen, um Arbeitskräfte zu finden, als Arbeitslosigkeit abzubauen.
In der Konsequenz könnte dies bedeuten, dass die Fördermittel für Arbeitslose gesenkt werden und die Subventionen für Betriebe erhöht werden. Es könnte auch mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt werden („Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass alle ihre Chance nutzen.“ BK Scholz, a.a.O.)
Gespaltener Arbeitsmarkt
Dagegen bleibt festzuhalten, dass es einen gespaltenen Arbeitsmarkt gibt: zum einen wird seit Jahren ein Fachkräftemangel beklagt, und gleichzeitig sind viele arbeitslos. Das lässt sich damit erklären, dass wachsende (z. B. Erneuerbare Energien) und schrumpfende Branchen (z. B. jene, die stark der Digitalisierung ausgesetzt sind wie Logistik) und Regionen nebeneinander stehen. Da, wo Arbeitsplätze wegen der Umstellung von Verbrenner- auf Elektromotoren konzentriert entfallen, werden nicht in gleichem Umfang gut bezahlte Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen und gleicher Qualifikation entstehen.
Es geht also nicht um den Wechsel des Kampffeldes im Sinne eines entweder/oder, sondern von parallelen Herausforderungen des sowohl als auch. Die Förderung von beruflicher Weiterbildung (s. z. B. hier) alleine wird nicht reichen. Das hat bereits von der Umschulung der „Schlecker“-Frauen zu Erzieherinnen nicht geklappt (z. B. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/folgen-der-schlecker-insolvenz-von-der-leyen-will-schlecker-frauen-als-erzieherinnen-1.1376492). Auch sind erfahrungsgemäß Appelle mehr auszubilden oder Tariflöhne zu zahlen zu wenig („Deshalb hier und an dieser Stelle der Appell: Es sollen sich alle noch einmal zusammenreißen und alles dafür tun, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in Deutschland weiter steigt.“ und „Ich fahre gerne Fahrrad. Deshalb wünsche ich mir auch Tarifverträge in der Fahrradindustrie!“ BK Scholz, a.a.O.)
Solange es einen gespaltenen Arbeitsmarkt gibt, der droht noch größer zu werden, braucht es Ressourcen und gesetzliche Vorgaben zum Abbau der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungssicherung.
Seit dem Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine verschieben sich die Themenschwerpunkte beim Informationsverhalten der Bevölkerung. Damit ist die Debatte um die steigenden Lebenshaltungskosten bzw. stark gestiegene Inflationsrate verknüpft. Wen beschäftigen Lebenshaltungskosten und Preise/ Inflation?
Daten
Um diese Frage zu beantworten, wurden Daten heranzogen, die das Meinungsforschungsinstitut Info GmbH im Auftrag des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung als repräsentative Bevölkerungsbefragungen durchgeführt hat*. Im Erhebungszeitraum 01.06.2022 bis 16.06.2022 wurde die deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 16 Jahren in telefonischen Interviews (CATI) befragt. Die Auswahl der Befragten erfolgte durch eine mehrstufige Zufallsstichprobe. Von 1.515 Personen liegen Antworten vor.
Bei der Erhebung wurde unter anderem offen gefragt: „Wenn Sie einmal an die Themen denken, die momentan die Gesellschaft, die Politik und die Medien beschäftigen: Welches Thema interessiert Sie da aktuell besonders?“ An der zweiten Stelle des aktuellen Themeninteresses sind die steigenden Lebenshaltungskosten (Benzin-, Energiekosten) bzw. stark gestiegene Inflationsrate (einschließlich unwirksame Entlastungsmaßnahmen) genannt worden. Ca. jede/r Fünfte äußerte spontan Interesse für dieses Thema (21%).
Analyse und Ergebnisse
Für die folgende Auswertung wurden die Daten entsprechend der Bevölkerungsstruktur gewichtet. Dazu wurden diejenigen, die das Thema Lebenshaltungskosten/Inflation an erster, zweiter oder dritter Stelle des Interesses genannt haben, zusammengefasst.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede der Befragten nach ihrem Arbeitsmarktstatus. Am meisten beschäftigen sich Beschäftigte in Kurzarbeit (rund 57 %) und Arbeitslose (32 %) mit diesem Thema. Vermutlich sind diese Gruppen stärker als andere von steigenden Lebenshaltungskosten und Inflationsraten betroffen.
Arbeitsmarktstatus
Zustimmung zu Themeninteresse
voll berufstätig (mind. 35 Std./Woche)
24,3 %
teilweise berufstätig (weniger als 35 Std./Woche)
19,9 %
in Kurzarbeit
57,4 %
zurzeit arbeitslos
32,0 %
Rentner/in, Pensionär/in
17,8 %
in einer Ausbildung (Schüler/in, Azubi) oder einem Studium
13,7 %
Bundesfreiwilligendienst (Freiw. Soz./Ökol. Jahr)
0,0 %
Elternzeit/Mutterschutz
26,8 %
nicht berufstätig
17,4 %
Eigene Berechnungen; n=1.515
Weiter gibt es größere Unterschiede in der Bevölkerung nach Bundesländern. Das Spektrum reicht von 34,5 % im Saarland und Sachsen-Anhalt mit 33,4 % bis zu 16 % in Bremen.
Auch nach Parteipräferenzen gibt es Unterschiede: vergleichbar großes Interesse nannten Befragte mit Sympathie für CDU/CSU (25,9 %) und SPD (23,9 %), geringes Interesse nannten jene, die FDP (18,3 %) und Bündnis 90/Grüne (14,1 %) sympathisch finden.
Schlussfolgerung
Lebenshaltungskosten und Inflation sind das zweithäufigste genannte Interesse der Befragten. Den Daten nach zu urteilen, gibt es deutliche Unterschiede hierbei. Möglicherweise scheinen sich betroffene Personen mehr damit zu beschäftigen als die Bevölkerung insgesamt. Offen bleibt, wie sehr Medien Informationen zum Thema Lebenshaltungskosten und Inflation spezifisch aus der Perspektive von KurzarbeiterInnen und Arbeitslosen vermitteln.
*Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin (2022). Informationsverhalten zum Krieg in der Ukraine. GESIS, Köln. ZA7908 Datenfile Version 1.0.0, https://doi.org/10.4232/1.14040 .
Unterbeschäftigung (Arbeitslosigkeit, Stille Reserve, Kurzarbeit, Teilnahme in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung) und damit die Teilhabe an und durch Arbeit ist seit Jahrzehnten ein Problem, welches nicht grundsätzlich gelöst wurde (s. hier und hier).
Im Trend nimmt die Zahl der Erwerbstätigen (abhängig Beschäftigte, Selbständige und andere Formen) zu. Ihre Zahl stieg von rund 39 Mio. Personen im Jahr 1991 auf rund 45,5 Mio. Personen in 2022. Auch das Arbeitsvolumen nimmt parallel zu. Allerdings ist die durchschnittliche Arbeitszeit pro Person gesunken. Betrug die Jahresarbeitszeit 1991 noch 1.554 Stunden pro Person, so lag der Wert 2022 bei 1.341 Stunden.
Das bedeutet, dass im Zeitverlauf mehr Arbeitsvolumen auf mehr Personen verteilt wurde, durch eine Zunahme an Teilzeitarbeit (Teilzeitquote bei den Beschäftigten 1991: 18,4 % und 2022 38,7 %, also doppelt so hoch).
Würde man die durchschnittliche Jahresarbeitszeit von 1991 bis zum Jahr 2022 konstant setzten, dann wären 2022 statt den rund 45,5 Mio. Personen nur rund 39 Mio. Personen erwerbstätig. Um die Differenz von 6,5 Mio. Personen wäre die Zahl der Arbeitslosen größer, sofern sie sich nicht vollständig vom Arbeitsmarkt zurückziehen.
Der „stabile“ Arbeitsmarkt basiert stark auf der steigenden Teilzeitarbeit. Deshalb konnte die Zahl der registrierten Arbeitslosen auch sinken. Eine individuelle Teilzeittätigkeit könnte gesellschaftlich unproblematisch sein, wenn sie existenzsichernd entgolten werden würde. Die Armutsgefährdungsquoten zeigen (s. hier), dass dies häufig nicht der Fall ist. Weitere Daten zeigen, dass der deutsche Arbeitsmarkt durch einen großen Niedriglohnsektor geprägt ist (s. hier). Die seit 30 Jahren sinkende Jahresarbeitszeit verschärft demnach das Armutsproblem, wenn keine deutlichen Lohnsteigerungen damit verbunden werden.
Wenn man nun die Unterbeschäftigung in einem größeren Umfang als bisher abbauen möchte, wäre eine Steigerung des Produktionsvolumen (das Produktionsniveau bestimmt das Beschäftigungsniveau bei gegebener Technik) nötig. Das würde eine Erhöhung der Wachstumsrate über den Produktivitätsanstieg hinaus erfordern, beispielsweise durch Stimulierung der Investitionstätigkeit. Allerdings ist eine Erhöhung der Wachstumsrate mit ökologische Problemen verbunden (Stichworte: globale Erwärmung, Biodiversität, Wasserknappheit u. a.). Die Senkung der durchschnittlichen Produktivität würde den Niedriglohnsektor noch mehr ausweiten und ist dauerhaft auch nicht realistisch oder von Vorteil (s. hier).
Kurzfristig ist eher eine Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeiten zielführend, wenn also das Arbeitsvolumen auf mehr Personen verteilt werden könnte. Das bedeutet eine andere Verteilung der Arbeit, indem die Zahl der Vollzeitbeschäftigten sinkt und die der Teilzeitbeschäftigten steigt, und zwar bei einen vollem Lohn- und Finanzierungsausgleich an dem die Arbeitgeber beteiligt sind.